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- Day 121
- Friday, May 31, 2024 at 8:24 PM
- ☀️ 17 °C
- Altitude: 893 m
SwedenSärnmansbäck61°37’27” N 12°40’43” E
31. Mai

Der Berg ruft! Nach einer ruhigen und völlig mückenfreien Nacht in dieser tollen Hütte stehe ich heute schon um halb sieben auf, der Himmel ist blau und die Sonne hat schon seit halb fünf durchs Fenster gelacht. Nach getaner Morgenroutine starte ich heute um acht ins Fulufjället, es sind jetzt gute 3km bis oben aufs Plateau, wo es eine Hütte gibt. Der Weg verschwindet nach kurzer Zeit im Wald und wie erwartet geht es jetzt wieder wild über Stock und Stein bergauf. Meine Stelzen müssen sich nach den ganzen Tagen auf der Straße erst mal wieder an das echte Wandern und Kraxeln gewöhnen. Am ersten Bach, der daherkommt, fülle ich mein Frischwasser auf und es dauert nicht lange, habe ich nach einer Dreiviertelstunde die Baumgrenze erreicht. Immer wieder erstaunlich, wie abrupt die doch verläuft. Von hier aus habe ich schon mal den ersten freien Blick zurück weit übers Land und voraus auf die Schneefelder. Das erste erreiche ich auch kurz darauf, nach einer knappen Stunde habe ich das Plateau erreicht, ich bin wieder in meinem Element. Fühle mich sofort zurückversetzt in die Zeit, als ich weit im Norden im Fjäll unterwegs war, die karge Landschaft, die weite Sicht, die Schneefelder. Es gibt hier oben nichts zu hören außer das Singen der Vögel, das Rauschen des Windes, hier und da Flüsse und Bachläufe.
An der Tangådalsstugan mache ich die erste Pause und betrachte mir die Hütte von innen. Man kann hier oben gegen Gebühr in einem Raum mit Betten übernachten oder auch in der einfacheren Variante im großen Vorraum. Es gibt sowohl ein Notfalltelefon als auch eine -Ausrüstung, falls Wanderer insbesondere im Winter unter widrigen Bedingungen hier Schutz suchen. So zum Beispiel ein Vorrat an Feuerholz, eine Gas-Kartusche, Atomfutter, Verbandsmaterial, eben das notwendigste für alle Fälle.
Übrigens bin ich ab dieser Hütte wieder auf dem E1 und der folgt hier seit Sälen dem südlichen Kungsleden (Königsweg). Das ist der womöglich bekannteste Trekkingpfad hier in Schweden, er besteht aus einem südlichen und nördlichen Teil, die nicht miteinander verbunden sind, es liegen mehrere 100 Kilometer dazwischen. In 2022 bin ich vom nördlichen Ende des nördlichen Kungsleden in Lappland ungefähr dessen Hälfte gelaufen. Jetzt drösel ich den südlichen komplett auf und werde später auch noch den mir fehlenden Teil des nördlichen absolvieren.
Ich mache mich auf den Pfad, der ab jetzt wieder Richtung Norden zeigt und für längere Zeit der Grenze zu Norwegen in unterschiedlichen Abständen folgt. Die typischen Kennzeichnungen, nämlich orange Markierungen an Bäumen oder Steinen vermisse ich hier komplett, dafür ist der Pfad aber in der Regel so zu erkennen. Er zieht sich hier mehr oder weniger dicht an einem kleinen Fluss entlang, der hier oben auf der Höhe das Schmelz- und Regenwasser sammelt. Gegen halb elf: Zssssss. Ich stoppe, mein 38-teiliges mechanisches Gehirn läuft am Limit. „Nanu, denkst doch sonst nicht nanu…“ Lispeln tut hier niemand, also muss es wohl eine Schlange sein. Ich gehe ein, zwei Meter zurück und brauche einen Moment, bis ich sie ausgemacht habe: Da steht sie bewaffnet bis an die Zähne, weil ich wohl ihr Sonnenbad gestört habe. Ich verspreche ihr, dass sie heute in die Zeitung kommt und entferne mich wieder, da ich nicht sicher bin, wie weit die Schlangen vorschnellen, wenn sie denn mal anbeißen wollen.
Richtung Mittag zieht es sich mehr und mehr zu, die Quellwolken türmen sich unendlich hoch und ich muss mich hier oben mehr um das Wetter bekümmern, als ich es bisher musste, wo es immer einen Wald oder Unterstand zumindest fürs gute Gefühl gab. Das ist der Unterschied, der gerade den Reiz, aber ebenso gern auch mal eine gewisse Beklemmung ausmacht, dass es hier eben gar nichts gibt, was Schutz bietet.
Es ist Freitag und wir baden früh, also steige ich um zwölf in den kleinen, durchaus sehr kalten Bach und genehmige mir eine Frischekur. Wenig später startet mit entsprechendem Terz ein Moorschneehuhn und fliegt in eine sichere Entfernung, aus der ich es nur noch mit dem Fernglas beobachten kann.
Trotz der aufgetürmten Wolken, die rundherum an vielen Stellen ziemlich dunkel aussehen, hält es sich einigermaßen trocken und es gibt nur einen Schauer, kurz bevor ich an die Tangsjöstugan komme. Ab diesem Moment sind merkwürdigerweise Unmengen von kleinen Fliegen aktiv. Sie stieben vor mir aus dem Kraut am Boden, so dass es teilweise kaum möglich ist, vernünftig zu gucken oder zu atmen. Allerdings tun sie, wie heute alle diese kleinen Geister hier oben nichts, außer zu nerven. Als ich in die Hütte gehe, sehe ich in einiger Entfernung jemanden in diese Richtung gewandert kommen, es dauert kaum 10 Minuten, da kommt Valentin, ein Abiturient aus Freiburg reingeschneit. Er ist mit den Öffis bis hier hoch nach Särna gefahren, um jetzt vier Tage lang auf eigene Faust durchs Fjäll zu ziehen. Das begeistert mich absolut, wenn jemand schon in dem Alter so unterwegs ist. Im Handumdrehen ist beim Schwätzchen eine Stunde verflogen, dann zieht jeder seines Weges. Ich vernehme beim Laufen hinter mir einige Male Donnergrollen und erreiche um kurz vor sechs die Nothütte Särnmanskojan.
Ich betrachte mir die Wetterlage, speziell auf Gewitter bezogen und entscheide mich, noch die nächsten 5km bis zur Rörsjöstugorna zu gehen, die war auch mein erklärtes Ziel für heute, insbesondere weil unweit von ihr der Njupeskär, Schwedens höchster Wasserfall ist.
An den Hütten spreche ich mit dem Stugvärd (Hüttenwirt), wir unterhalten uns eine ganze Weile und auch über die Preise für die Übernachtungen in den hier oben betriebenen Hütten. Es gibt unweit von hier einen Shelter, den aber just in diesem Moment zwei Angler übernehmen und da die Saison erst morgen beginnt, bietet er mir die Übernachtung in der Hütte im Bett for free an. Na da bedanke ich mich doch in allerschärfster Form.Read more
Traveler
Der Wolkenpfad?
TravelerImmer wieder wunderbar zu lesen! Danke dafür.
Danke für deine spannenden Berichte. [Karin]