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- Tag 125
- Dienstag, 4. Juni 2024 um 20:12
- ☁️ 12 °C
- Höhe über NN: 599 m
SchwedenValan61°58’49” N 12°16’24” E
4. Juni

Endlich habe ich mal wieder im Zelt geschlafen nach so vielen Nächten in prächtigen Hütten. Trotz des warmen Wetters hat es sich doch einigermaßen abgekühlt, da auch gestern schon den ganzen Tag über ganz gut Wind war. Was mich ja grundsätzlich erfreut zwecks Abkühlung beim Laufen, vor allem aber Mücken und Knots können damit nicht gut um. Kurz nach acht starte ich heute, es wird wieder den ganzen Tag durch einigermaßen flaches Hochland gehen mit viel nassem, weitläufigen Sumpfland. Gegen neun werfe ich etwas irritiert einen Blick in die Karte, ich laufe schon seit geraumer Zeit auf die Sonne zu, was ja heißt, dass ich nicht nach Norden unterwegs bin. Nehme aber wahr, dass es einfach eine Zeit lang jetzt mal nach Osten führt. Meine Wahrnehmung für diese Dinge ist über die Zeit deutlich besser geworden und so reagiere ich ganz unterbewusst inzwischen viel früher, wenn ich doch abseits der Richtung bin oder mal über eine Zeit keine Markierungen mehr wahrnehme.
Als es wieder nördlich geht, kann ich über die großen freien Flächen in gut 30km Entfernung westlich in Norwegen deutlich höhere Berge sehen, sie sind über 1700m hoch. Tolle Landschaft!
Gegen dreiviertel zehn mache ich die erste Pause, sie ist mir die wichtigste geworden im Laufe dieser Reise. Früher bin ich morgens voller Energie losgezogen und gelaufen quasi so lange ich konnte, um dann, wenn ich kaputt war, mit Pausen anzufangen. Jetzt ist regelmäßig nach einer oder spätestens anderthalb Stunden die erste Pause fällig, alle weiteren sind dann eher nach Bedarf und Gelände ausgerichtet. Es läuft sich doch kaum schöner als nach einer Pause.
Und weil es sich so schön läuft und mir dabei auch ganz viele Lieder durch den Kopf gehen, kann ich bei der nächsten Pause nicht anders, als mir einmal lautstark Janis Joplin und Bobby McGee zu geben, weil der Empfang es auch gerade zulässt. Unterwegs höre ich sonst grundsätzlich keine Musik, außer die, die ich selbst mache.
Während ich hier so laufe entlang der Seen, Tümpel und Wasserlöcher bleibe ich natürlich häufig mal stehen, um nach Käfern, Pflanzen oder auch einfach nur Fantasiebildern Ausschau zu halten. Ich bin fasziniert von manchen Pflanzen, die ich an einer Stelle noch mit gerade beginnenden Blüten sehe und ein Stück weiter hat sie sich schon entwickelt und ist zu einer solch filigranen Schönheit geworden. Mich beeindruckt das sehr.
Bis um zwölf hat sich der Himmel fast unbemerkt zugezogen, es ist angenehm kühl mit leichtem Wind.
Kurz darauf komme ich seit einigen Tagen mal wieder an eine Schotterpiste durch den Wald, sie führt mich jetzt auf den nächsten 2km nach Flötningen, das hört sich merkwürdig Deutsch an. Immerhin ist es sowas wie ein Dorf, klar ist alles weit verstreut, vielleicht 10 oder 15 Häuser. Ich sehe sogar einen Menschen bei der Gartenarbeit. Direkt als ich weitergehe, der Weg kreuzt hier die B70, zeigt mir die orange Kennzeichnung den Pfad auf den Winterweg. Ich blicke über eine circa 300 m lange ebene Grasfläche, bei der ich von hier aus schon erkenne, dass sie wirklich nass ist und frage mich, ob das wirklich so sein soll, stapfe aber erst mal gute 50m einwärts. Es bestätigt sich, was ich angenommen habe: Es ist sehr nass und so gucke ich noch mal kurz nach der Karte, um dort zu sehen, dass der Weg noch einmal ein Stück weiter entlang der Straße führt. Jetzt müsste ich allerdings zurückgehen und schon wieder ist in meinem Kopf der Schalter rum: Nein, zurück gehe ich niemals nicht. Und so stapfe ich laut schmatzend durch den Riesen-Glitzi-Haushaltsschwamm. Immer wieder muss ich nach rechts und links ausweichen, um den direkten Wasserstellen zu entgehen, schließlich steht es bei meinen Schuhen schon Oberkante Unterlippe. Nach drei Viertel der Strecke schaffe ich es dann aber doch, einen Schuh auch von oben her zu befüllen, kurz drauf der Ausgleich zum 1:1. Das musste ja so kommen. Eine gute Viertelstunde später bin ich dann wieder auf dem richtigen Weg, tausche meine Socken gegen ein Set trockene und frage mich wieder einmal: „Fabian, warum bist du niemals bereit, die paar Meter zurückzugehen?“ Aber er antwortet mir nicht.
Während der Pause in Flötningen habe ich mich auch noch mal ein wenig mit dem nächsten Laden beschäftigt. Erstens, weil hier einigermaßen Empfang ist und auch weil mir die Tage bei irgendeinem Gespräch im Ohr geklingelt hat, der 6. Juni wäre der Nationalfeiertag der Schweden und da ist in diesen kleinen Butzen natürlich „stängt“. Ausgerechnet an diesem Tag möchte ich aber gern in einem der zwei Läden, die es demnächst gibt, um Nahrung vorsprechen. Einer der beiden hat nur vormittags geöffnet, fällt also für mich morgen aus, der zweite hat morgen am Nachmittag aber nur bis um vier offen. Ich werde mich also sputen müssen, damit ich mir nicht einen ganzen Tag lang die Nase am Schaufenster platt drücke.
Gegen halb vier, während ich die ganze Zeit schon auf einem Schotterweg entlang laufe, stelle ich fest: Hier ist gar kein E1, dieser Weg existiert nicht mal in meiner Karte. Ich bin nur 100m von der norwegischen Grenze entfernt und habe jetzt gut 2km querwaldein bis zurück auf den Weg, eine andere Variante gibt es nicht. Dabei passiere ich in östliche Richtung noch zwei weitere gute Forstwege, die auch nicht in meiner Karte zu finden sind. Ich frage mich, ob das GPS-System vielleicht gerade spinnt und ich eventuell schon an der richtigen Stelle war. Aber es ist jetzt nicht wirklich die Zeit, das herauszufinden, also arbeite ich mich weiter Richtung Osten durch und tatsächlich, der kleine Ausflug kostet mich auch nur eine Stunde, bin ich wieder zurück und aufgegleist.
Den Rest des Weges bleibe ich auf dieser Piste und erreiche gegen acht nach fast 32 km heute eine Hütte, in der ich übernachten werde. Kurz vorher komme ich aber noch am Wegesrand an einer Art sprudelnden Quelle vorbei. Hier guckt ein Rohr aus dem Boden, aus dem sauberes Wasser sprudelt, besonders auffällig, dass es nicht so typisch braun, sondern wirklich klar ist. Ich bin heute besonders weit gelaufen, damit ich morgen auch mit Sicherheit rechtzeitig am Nachmittag noch den Laden erreiche.Weiterlesen
Reisender
Die Wiege des Begriffs, Naturlocken 😉