• 20. Juni

    June 20, 2024 in Norway ⋅ 🌬 6 °C

    Die Nacht war immer mal wieder Regen, so dass ich am Morgen schon damit rechne, nass einzupacken. Als ich raus gucke, schwirren eine ganze Menge Knots vor dem Zelt umher, dass es der schlimmste Morgen mit Ihnen wird, ist mir bis dahin noch nicht klar. Man kann sich nicht wirklich gegen sie wehren, sie sind so klein und man merkt auch nichts, bis wenn sie denn gebissen haben. Bei mir speziell im Bereich der Augen, um die Augenlider ist das einfach hässlich. So halte ich schon das Frühstück im Zelt ab, um nur mit denen auszukommen, die eh schon reingekommen sind, später das Einpacken wird zur Tortur, selbst das Netz über den Kopf hilft nicht wirklich. Ich muss einfach von diesem Platz weg. So geschieht das Packen sehr zügig und um neun ziehe ich los, schon 30m weiter ist alles friedlich, einfach weil die Fläche etwas freier ist und ein wenig Wind, den vertragen sie einfach nicht.
    Ich versuche mich wieder auf den E1 zu finden, der hier durch eine Gras- und Baumlandschaft geht. Das Gras ist bis hüfthoch, ich erkenne nicht wirklich, wo ich hintrete und es ist auch scheinbar seit 100 Jahren hier niemand gelaufen, so dass es mehr ein Schätzen ist nach der Richtung. Das ganze wechselt, nachdem ich einen kleinen Fluss durchquert habe, in einen Wald, der Pfad als solches ist völlig zugewuchert und auch vom Boden her ist Farn und allerlei Gebüsch so hoch, dass ich froh bin, die Regenhose gleich am Anfang übergezogen zu haben. Immerhin treffe ich in dieser Umgebung mal einen Menschen, ein Norweger arbeitet hier scheinbar privat mit der Kettensäge zusammen mit seiner Frau, und als er mich sieht, stellt er ab und wir unterhalten uns ein bisschen. Wenig später bin ich schon wieder weit ab vom Pfad, den es scheinbar auch nur in der Karte gibt. Ich komme an einem Privatgrundstück aus dem Wald heraus, hier steht eine schöne Rastbank, an der ich die erste Pause mache und mich entscheide, die nächsten 2km an der Straße entlang zu laufen, die parallel zum Weg führt.
    Wieder ab von der Straße kommt die Bellingstua, eine verschlossen Hütte, an der ich draußen eine kurze Rast mache. Ab jetzt ist wieder Zeit für Wackelpudding all the Day. Kurz vor zwölf komme ich an einen Wegweiser, an dem scheinbar mehrere Wege kreuzen. Und da werde ich doch das Gefühl nicht los, dass sie mich hier verulken. Es gibt seit der Stua bis hierher einen beplankten Weg, er ist zwar etwas länger, aber dafür Autobahn. Na gut, in meiner Richtung vorwärts kann ich noch 30m dieser Planken nutzen und habe dann wieder die altbekannten Umstände.
    Hab ich mich da eben gerade aufgeregt? Das muss ich wohl scheinbar, denn Tada, auf einmal habe ich Planken, soweit das Auge reicht. Tatsächlich ist ab hier Richtung Norden mit recht neuem Material kilometerweit alles ausgelegt, wo es notwendig und sinnvoll ist, teils hunderte zusammenhängende Meter.
    Gegen eins erreiche ich die Jurte Gamma, hier hänge ich mein Zelt und alles, was Wind und Sonne braucht auf, um nebenbei meine große Hofpause zu halten. Während ich friedlich ein Käsebrot esse, beginnt es schlagartig zu regnen, ohne dass ich in irgendeiner Form darauf vorbereitet bin. Ziemlich zügig, leider nicht schnell genug, baue ich alles ab und packe es zusammen, bevor es vollends klatschnass ist. Es wechselt jetzt scheinbar im Viertelstunden-Takt zwischen Wind, Regen und etwas Sonne.
    Von hier aus weiter stelle ich fest, dass die ausgelegten Planken nur bis zu dem letzten Platz waren, also jetzt wieder altdeutsch nach dem Schema: Hilf dir selbst. Es geht heute den ganzen Tag nicht wirklich steil auf und ab, es sind Steigungen von maximal 100m dabei. Irgendwann habe ich das Gefühl, nicht mehr wirklich auf dem Weg zu sein. Und tatsächlich sagt mir die Karte, ich habe einen anderen Pfad eingeschlagen, der vielleicht heute abend oder morgen früh wieder auf den E1 zurückkommt. Da er beim grob Drüberschauen nicht viel länger aussieht, aber etwas höher über die Berge gezogen ist, gehe ich wieder einmal nicht zurück, sondern folge ihm. Der Rest wirkt wie in einem guten Drehbuch und der Regisseur hält sich strikt daran. Als ich an dem Punkt losgehe, wo ich mich entschieden hab, sehe ich noch rote Markierungen. Freue mich drauf, dieser Weg ist gekennzeichnet. Es sollen allerdings die letzten sein. Gut, ich nehme das hin und folge dem halbwegs zu erkennenden Pfad. Der verläuft sich aber wohl scheinbar in verschiedene Richtungen und so stelle ich irgendwann fest, als ich zwischendurch mal wieder die Karte befrage, dass ich auf irgendeinem Pfad bin, den es aber weder in der Karte gibt, noch hat er etwas mit dem Meinigen zu tun. Deshalb beschließe ich, ab jetzt nur noch auf Richtung zu laufen und finde den Pfad zwischendurch nicht einmal im Ansatz wieder. Dazu kommt kurz darauf Regen mit heftigstem Wind, das ganze von vorn, sodass ich tatsächlich gut zu tun habe. Daß es über die Höhe geht, hatte ich ja gewollt und so habe ich den Wind umso stärker, da es hier keinerlei Bäume oder sonst irgendetwas gibt. Glücklicherweise lässt zumindest der Regen gegen vier nach und hört irgendwann auf, der Wind legt dafür allerdings noch mal eine Schippe drauf, so dass ich manchen Meter nur in Schräglage vorwärts komme. Ich orientiere mich an weit entfernten Bergen im Voraus, nehme mir einen Punkt vor und laufe bis dorthin, allerdings ist auch das relativ schwierig, da sich mit jedem Meter, den ich gehe, die Ansicht verändert und ich, sobald ich wieder auf irgendeine Anhöhe komme, mich deutlich drehen muss, um wieder die Richtung zu haben. Gegen sechs geht es niedriger durch dichten Wald, in dem ich diese Art von Orientierung natürlich nicht nutzen kann, da ich keinerlei Berg oder sonst irgendwas sehe, kurz gesagt, es ist müßig.
    Als kleine Belohnung, wo ich gerade zwischen zwei Seen nicht sicher bin, ob sie miteinander verbunden oder das Stück begehbar ist, sehe ich seit einiger Zeit mal wieder einen Kranich, der am Ufer entlang stakt.
    Von diesem Punkt aus geht es in den Wald, an dem ich vor Dichtheit nicht mal einen Eingang finde und dazu extrem steil. Es kostet mich für diese vielleicht 70m, die ich hoch muss, durchaus eine halbe Stunde, weil der erste Weg am Ende mit ein paar Felsbrocken fast senkrecht ist, ich erst wieder ein Stück zurück nach unten muss, um dann einen anderen Weg zu finden. Irgendwann habe ich den Berg erklommen und von hier aus geht es jetzt gute 2km abwärts über zwar nasse Sumpfwiesen, aber es geht die ganze Zeit so schön hinab, dass es wirklich einfach läuft. Dann komme ich an eine Straße, der folge ich noch einen guten Kilometer, biege dann wieder in den Wald und nach wiederum 1km bin ich an der Hütte Bringsåsen. Sie ist zwar verschlossen, hat aber einen kleinen überdachten Nebenbereich, der Richtung Toilette geht und zu einem kleinen Lagerschuppen. Dieser Raum wird mein Nachtlager. Alles, was zum Trocknen her muss, hänge ich rundherum auf und um mich gegen die Knots zu schützen, hänge ich den Haupteingang mit meinem Zelt zu. Was für eine tolle Unterkunft.
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