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- Day 169
- Thursday, July 18, 2024 at 7:38 PM
- 🌫 15 °C
- Altitude: 9 m
NorwayAunenget65°23’59” N 12°30’30” E
18. Juli

Gut geschlafen hab ich. Bei etwas Regen in der Nacht und einer Waschküche am Morgen außenherum fällt es mir heute überhaupt nicht schwer, nach dem Frühstück zu packen und aufzubrechen. Für ein paar Kilometer zieht sich die Straße entlang eines Fjordarms, an dessen Ende die Berge rundherum die Begrenzung sind. Hier enden dann auch die letzten Gehöfte, Häuser und auch die Straße. Laut der Karte werde ich von hier auf 600 m hochsteigen und dort auf einem Bergkamm parallel zur Küste entlangziehen, um Richtung Abend auf der anderen Seite an einem Fjord wieder hinabzusteigen ins Tal. Die Überquerung der Bergkette könnte ich mir ersparen, wenn ich stattdessen die Straße entlanggehe, die weit nördlich um diese Berge rumzieht. Das fällt natürlich schon aus Prinzip aus. Vielleicht waren diese Berge auch der Grund, warum es mich noch so am Meer gehalten hat. Dort laufe ich seit wie vielen Tagen auf Straßen ziemlich flach entlang und jetzt heißt es von Meereshöhe mal 600 m wieder hoch zu steigen. Durch den Nebel ist alles Gras, Buschwerk und Blätter nass, so dass ich, bevor es wirklich in den Wald geht, meine Regenhose überziehe. Dann geht es steil, das ist eine Verwandlung wie durch die Zaubertür; kaum ein paar Meter hin, fühle ich mich wie im Fjäll. Gleichzeitig fühlt es sich an wie früher in der Schule: Zettel raus, Leistungskontrolle! Das Fjäll ist noch einige Tage von hier entfernt und ich werde mich ans Bergige sicher Stück für Stück wieder eingewöhnen können, so war meine kindlich naive Vorstellung. Es geht recht steil anfangs mit Birken und Nadelbäumen, der Pfad ist ganz gut erkennbar und auch hier und da mit roten Markierungen gekennzeichnet. Nach einer guten Dreiviertelstunde bin ich auf circa 250 m Höhe und recht schlagartig endet der Wald. Ich habe Hoffnung, dass der Nebel sich lichtet, weil ich von den Bergen herab einen wunderbaren Blick auf das Meer hätte. Luftlinie ist die Küste nur knapp drei Kilometer entfernt von hier. Gegen eins lasse ich mich zur großen Pause nieder. Hier oben geht der Wind natürlich stärker und die Nebelschwaden ziehen nur so durch, dementsprechend ist es nicht besonders angenehm. Überhaupt ist das, auf was ich mich hier heute eingelassen habe, doch wieder richtiges Programm und nicht das Ferienprogramm der letzten drei Wochen. Als ich weiter aufwärts klettere, komme ich an etliche Passagen, an denen ich tatsächlich auch mit den Händen derb zugreifen muss, da sie sonst nichtzu erklimmen wären. Der Nebel wird mit zunehmender Höhe immer dichter, die Sicht ist noch 20-30 Meter und dazu wird es auch immer nasser. Als ich irgendwann die erste Spitze auf 580 m erreicht habe, mache ich eine kurze Rast an dem Steinhaufen, der sie markiert. Rundherum sehe ich schon, dass es überall relativ steil abgeht und da ich mir nicht sicher bin, ob der Weg von hier aus weiter gekennzeichnet ist, denke ich tatsächlich zum ersten Mal darüber nach, eventuell zurückzugehen und doch den deutlich weiteren Weg unten entlang über die Straße. Es soll von dieser Bergspitze zu einer weiteren gehen, die noch etwas höher ist und dann auf dem Kamm entlang. Nachdem ich in verschiedene Richtungen rund um den Gipfel Ausschau gehalten habe, finde ich tatsächlich einen Pfad, der der Richtung nach passen sollte. Dem folge ich ab jetzt auch und er ist nach kurzer Zeit wieder sehr gut markiert. Habe ich meinen Verzehr gestern am Abend noch für maßlose Völlerei gehalten, bin ich jetzt sehr froh um jede Kalorie, die mit drin war. Es ist merkwürdig zu wissen, dass wenige Kilometer entfernt an beiden Seiten unten das Meer, die Straße der Fjord und dementsprechend auch Häuser sind, trotzdem fühlt sich das hier oben an, als wäre ich so wie im Fjäll unendlich weit von all dem zivilen entfernt. Angesichts der Umstände, wie es hier zu laufen ist, ein ewiges Auf und Ab, viel Kletterei, das Wetter dazu, sehe ich mich heute schon auf dem Berg übernachten statt wie geplant auf der anderen Seite unten am Fjord. Aber alle Schwarzmalerei hilft nichts, der Weg läuft sich dann doch besser als das, was bisher anstand und so komme ich gegen halb fünf an den Punkt, ab wo es sich über gut 4 km wieder vom Berg runter zieht. Der Pfad ist nicht großartig in Serpentinen geführt, sondern geht tatsächlich sehr steil abwärts, so dass ich sogar bereit bin, meine Wanderstöcke rauszuholen, um ein wenig die Knie zu entlasten. Irgendwann kommen in tieferer Lage die ersten Schafe, die eingezäunt sind und einzelne Hütten im Wald. Nach um fünf komme ich bei einem Gebäude vorbei, dessen Tür offen ist und innen sieht es wie ein großer Saal aus mit Antiquitäten. Ich latsche erst mal rein und treffe auf einen Mann, der mir erzählt, dass morgen hier so etwas wie ein Flohmarkt stattfindet mit Kaffee dazu. Ich sehe mich ein wenig um, kaufen kann ich natürlich nichts und so muss ich auch ablehnen, als er mir einen Teller mit einer Zeichnung vom Nordkap schenken will.
Ich habe jetzt die Straße am Fjord erreicht und mein Ziel ist, für heute Abend möglichst irgendeine Art Unterkunft zu finden, die von oben trocken ist, damit ich das Zelt und alle nassen Sachen trocknen kann. Dafür, dass ich aus den Bergen komme und das doch ziemlich anstrengend war, laufen meine Beine auf der Straße wie die eines Duracell-Hasen. Eine Stunde laufe ich noch, weil ich Spaß dran hab und irgendwie immer mehr feststelle, dass es nichts gescheites gibt, wo ich nach Wasser und einer solchen Unterkunft fragen kann. Gegen acht gehe ich von der Straße ab in Richtung einiger Häuser, klingele dort. Leider ist der alte Mann, der mir öffnet schwerhörig und es ist eine Kunst, ihm mein Anliegen mit dem Wasser beizubringen. Nach Hütte, Scheune oder dergleichen zu fragen, wäre also an dieser Stelle sinnlos. Also ziehe ich noch einmal an der Straße weiter und komme gegen halb neun an einen kleinen Rastplatz. Das ist nicht der Traum eines Wanderers, direkt an einer Straße neben der Mülltonne unter der Hochspannungsleitung das Zelt zu platzieren, aber jetzt ist Ende im Gelände. Immerhin ist ein Stück Rasen vorhanden, das gerade und auch gemäht ist und ich bin alles andere als wählerisch und zimperlich, habe ich doch trotz der Bergetappe fast 30 km auf der Uhr. Es gibt noch eine ordentliche Portion zu essen und dann fallen von ganz allein die Augen zu.Read more
Traveler
Wozu auch den Teller mitschleppen.? Entscheidend ist doch immer was drauf ist und dass es einem wieder Energie und Lust aufs ZieLebem gibt. Freuen, Danke und Tschüß...
TravelerDeine Fotos sind echt fantastisch, manchmal habe ich echt den Geruch von sonnenwarmem Wald oder regennassem Fjäll in der Nase.... Und deine Geschichten dazu.... Freue mich jeden Tag aus Neue!! LG Susann aus Karlsborg 🙋🏻♀️
Traveler
Du siehst aus als hättest du das Nordkapp schon passiert und bist mit Amundson am Nordpol !