• Das Badewasser ist eingelassen, die Wand mittig zu übersteigen.Entlang des Wasserfalls (mittig) und Schneefeld (oben rechts)Blick zurück ins Tal.Oben am ganz kleinen Schneefeld geht's rüber, nicht rechts.Spitzenaussicht: Am Horizont ganz rechts und links das Meer.Ein 2D-Baum.Am See links entlang ist für mich eine Prüfung.Von hier nur noch fünf Kilometer bis Tosbotn.Falschparker.

    20. Juli

    July 20, 2024 in Norway ⋅ 🌙 18 °C

    Mann, was doch ein bisschen Ehrgeiz ausmacht, die Mühe gestern Abend hat sich absolut gelohnt. Ich lag trocken, konnte fantastisch schlafen und alles, was noch nicht abschließend trocken ist, lege ich während der Frühstückszeit in der Sonne aus. In der Nacht hat es noch bis Mitternacht genieselt und ich wache heute Morgen bei blauem Himmel auf. Damit bin ich wieder ready to go. Da ich gestern ja doch länger gelaufen bin als geplant, sind es heute nur 12 km bis zum Zeltplatz. Entsprechend haste ich beim Frühstück nicht und gehe um kurz vor elf los. Direkt ab hier geht es steil auf, es ist ein Pfad in meiner Karte verzeichnet, den es aber schon von Anfang an nicht gibt, so dass mir klar ist, es wird auf Richtung über die Berge gehen. Die Art von Geröll, das mit Moos überwachsen ist, macht schon auf den ersten paar hundert Metern extrem langsames, schwieriges Vorankommen. Es geht auch nicht im Zickzack aufwärts, sondern direkt steil und damit entsprechend langsam und aufwändig. In kürzester Zeit läuft mir die Brühe förmlich am Ar… runter und was ich nicht selbst nass schwitze, schaffen Gras, Farn und Bäume, die alle noch von heute Nacht komplett voll hängen. Der steile Aufstieg bringt mich bis vor eine nicht sonderlich hohe, aber doch nicht zu überwindende Steilwand, die selbst ohne Rucksack nicht zu bezwingen ist. Also taste ich mich sehr hakelig am Hang unterhalb dieser Hürde entlang, bis ich eine vage Möglichkeit erkenne, die ich für zumindest machbar halte. Und ja, mit Händen und Füßen und allem Strauchwerk dazu klappt es. Innerlich freue ich mich, dass es nur 12 km sind, weil wenn der Tag so weitergeht, wird er dabei drauf gehen. Um mir den Aufstieg zumindest etwas zu versüßen, stehen in rauen Mengen Heidelbeeren zur Verfügung und nachdem ich dieses Stück steile Wand passiert habe, wird das Gelände etwas einfacher und ist sogar mit Moltebeeren gespickt. Herz, was willst du mehr? Dazu lacht die Sonne und ich fühle mich schlagartig wieder in diesen Bergwandermodus versetzt, den ich mir unten auf der Straße mehr und mehr gewünscht habe. Am Morgen habe ich mir die Soldatenration Arctic Irgendwas aufgemacht, um mal durchzusehen, was die denn alles schönes enthält. Vom Müsliriegel über Haferkekse, einen Energy-Drink bis hin zu einer hochwertigen Fertigmahlzeit ist alles dabei. Ich bin gespannt, ob ich das konkret merken werde. Nach einer guten Stunde habe ich mich von ausgangs 150 m.ü.M. auf gut 350 m hochgearbeitet und sitze in der prallen Sonne, mache die erste Pause und genieße es, hier am Berg zu sein. Wenig später komme ich an einen glasklaren Bergsee, in dem ich direkt erst mal ein Bad nehme und während ich mich langsam wieder zurecht mache, kommt doch tatsächlich ein Mensch daher. Wenn ich hier mit allem gerechnet hätte, aber nicht mit Homo sapiens. Er ist der Besitzer eines der drei Sommerhäuser unten im Tal, war mit seinen Hunden unterwegs und hat ein Eimerchen Moltebeeren gepflückt. Wir unterhalten uns eine gute halbe Stunde. Er erzählt mir von der Gegend hier, dass dieser Pfad über den Berg ein uralter, nicht mehr genutzter ist und guckt etwas kritisch, als ich schätze, vielleicht gegen sieben oder acht am Abend drüben zu sein. Das Gelände wird jetzt immer rauher, es sind viele Geröllhänge, Blockfelder, teils blanker Stein, teils vermoost, die alle unterschiedlich ihre Tücken haben. Von kleineren bis mittelgroßen, die teils kippelig liegen, über einfamilienhausgroße, um die ich irgendwie versuche, drumrum zu steigen, ist alles dabei. Je näher ich dem Wasserfall komme, den ich schon vom See aus gesehen habe, desto steiler wird das Gelände und die eine Stelle, die ich von unten als begehbar ausgeguckt hatte, erweist sich, als ich bis raufgeklettert bin, doch als zu steil und gefährlich. Es gibt einen längeren Umweg über ein Seitental, den ich nehme und so habe ich mich gegen vier auf gut 500 m hochgearbeitet. Hier mache ich noch eine Pause, sitze direkt der großen Steilwand gegenüber und frage mich, wann und wie ich die schaffen will. Der Rucksack mit gut 30 Kilo ist schon was anderes als ein Daypack. Andererseits, wenn ich so zurückblicke ins Tal, wo ich hergekommen bin, würde ich mir diese Frage ebenso stellen und doch hat es ja bis hierher geklappt und ich bin auch noch am Stück. Fakt ist, für mich ist dieser heutige Überstieg der aufwändigste und zehrendste, den ich je gemacht habe. Auch das im Sarek oder den Dolomiten bisher war nicht so wie das heute. Um halb fünf breche ich auf zum großen Gefecht und steige an den oft schräg verlaufenden Felsen entlang, nutze also die Terrassenform zumindest wo möglich, teils mit Händen und Füßen zusammen. Besonders an den Stellen, an denen Wasser herunterläuft, haben sich dicke schwarze Algenfilme gebildet, sie sind extrem schmierig, so dass ich sie nach Möglichkeit umgehe. Schon auf dem Weg nach oben ist es beeindruckend, wenn ich steil runter sehe auf die Bergseen und das Tal, durch das ich gekommen bin. Um halb sechs ist es dann soweit, ich habe auf 720m den höchsten Punkt erreicht, den ich zu überklettern hab. Ein wirklich tolles Gefühl, noch dazu ich sogar weit entfernt in gut dreißig Kilometern das Meer sehen kann, das mir ja diese Woche verwehrt war. Der Bergrücken zieht sich nur über circa 100 m und dann sehe ich auf der anderen Seite auch schon das Ziel des heutigen Tages, den Ort Tosbotn, der am letzten Ende des letzten Fjords ist, den ich sehen werde. Der Abstieg von hier wirkt zumindest von oben einfacher, da es nicht so steil ist und auch die Art der Felsen wieder eine Art Terrassen darstellt, auf denen ich immer schräg ein Stück weit laufen kann, dann zur nächsten kreuze und so weiter. Und tatsächlich, es ist zwar auch steil, aber es läuft sich sehr gut und braucht eine gute halbe Stunde, dann habe ich das nordwestliche Ende des Sees Leiråvatnet erreicht. Der See ist zu beiden Seiten unterschiedlich stark von den Bergen begrenzt. Ich werde auf der linken Seite entlang laufen, das wird mehr und mehr zu einer Tortur. Es ist wieder diese Mischung aus Hang mit Geröll, das teils zugewachsen ist mit Birken und hohem Farn, so dass ich nichts im Untergrund sehen kann. Zusätzlich eine Unmenge von Birken, die irgendwann scheinbar mal durch Geröll umgewalzt wurden und in dieser Lage, also nahezu waagerecht weiter gewachsen sind. Ich stehe also alle 2 m vor einem Baum, den ich kaum überwinden kann. Dazu eine ganze Menge Mücken, Knots und vor allem Bremsen, die bei der geringen Geschwindigkeit ihre große Freude an mir haben. Ich kann mich aber um die nicht auch noch mehr kümmern, als sie vollzumosern. Und so ist es acht, als ich den See noch immer nicht hinter mir habe, aber laut Karte noch 6 km bis zum Ziel vor mir. Das macht mir keine große Hoffnung. Einziger Wermutstropfen: Es wird nicht dunkel. Dann kommt wieder eine kleine Schlucht, in der ein Wasserfall runterkommt, die ist so nicht zu übersteigen, also muss ich parallel zum Wasser bis runter an den See absteigen, dort überqueren und stehe jetzt vor einer Steilwand, die 40 m hoch aus dem Wasser ragt. Ich nehme erst mal eine neue Packung Kekse raus und versuche, mir einen Plan zu machen. Einzige Möglichkeit ist, auf der anderen Seite des Wasserfalls wieder in dem Geröll so hoch zu steigen, bis ich oberhalb der Steilwand bin, um dann wieder parallel zum See zu laufen. Das ist wirklich ein Kraftakt, aber irgendwann bin ich oben raus und werde belohnt mit einem ganzen Feld von Hjortron. So viele habe ich noch nie auf einmal gehabt, das ist sicher die Belohnung. Heute mal nicht Jump’n’Run, sondern Climb’n’Sweat. Ab hier bleibe ich etwas höher vom See entfernt, wo es weniger Bäume gibt und mehr Sumpfwiesen und bewege mich Richtung Ende des Sees auf die Staumauer zu. Es gibt unten im Tal ein Kraftwerk und deshalb ist das Wasser hier zumindest teilweise aufgestaut, um es regulieren zu können. Um neun erreiche ich die Staumauer, ab hier geht es dann ab ins Tal und es gibt einen Pfad, der erkennbar ist. Es ist zwar weiterhin steil und teils auch schwierig zu laufen, aber immerhin muss ich mir nicht selbst irgendeinen Weg suchen. Die Bremsen sind heute das Schlimmste, das ich bisher hatte. In der Menge, in der aggressiven Art, ständig schlage ich sie weg und es läuft auch hier und da Blut, wenn ich sie nicht rechtzeitig bemerkt habe. Nach einer weiteren Stunde erreiche ich um zehn einen Forstweg, kurz danach die Strasse im Tal und habe den Fjord vor mir. Es sind jetzt nur noch 3 km auf der Straße bis zum Ort und ich wundere mich wieder einmal, dass meine Füße und das gesamte Gestell auch jetzt noch so anstandslos mitmachen. Nach 12 Stunden habe ich meine 12 km geschafft und komme auf einen recht kleinen Platz, auf dem es vielleicht acht oder neun Wohnwagen gibt, ein einzelnes Toilettenhaus, aber keine Rezeption. Um die Zeit läuft auch niemand mehr herum und so parke ich mein Zelt an einer Stelle, die ich jetzt gerade für richtig halte. Alles, was ich jetzt will, ist in die Waagerechte zu kommen und Ruhe zu kriegen. Als ich liege, sehe ich noch mal bei Google nach, weil mir das alles merkwürdig vorkommt hier. Und siehe da, es ist gar kein Campingplatz, sondern der, den ich suche, ist ein paar hundert Meter weiter auf der anderen Straßenseite. Ist also in meiner Karte falsch eingezeichnet, spielt aber für diese Nacht keine Rolle und in Kürze sind meine Augen zu.Read more