• 22. Juli

    July 22, 2024 in Norway ⋅ ⛅ 19 °C

    Ruhetage sind doch ganz schön. Mit frischer Kraft trete ich heute an, um die nächste Bergkette zu überwinden. Bis um acht schlafe ich und kann dann ganz gemütlich unter dem kleinen Holzdach frühstücken, ein paar organisatorische Sachen regeln und zuletzt noch mal duschen. Es ist bewölkt, aber auch blauer Himmel dabei, könnte im Laufe des Tages von oben was geben. Gegen elf ziehe ich los, ich habe mich heute für eine besondere Variante entschieden. Die nächste Bergkette bietet einen Pfad in ähnlich nicht vorhandener Form wie der am Samstag war, diesmal allerdings hier von Meereshöhe aus gestartet über 900 m Höhe. Dafür würde ich vermutlich zwei Tage brauchen, werde aber stattdessen der Straße folgen, die in Form eines knapp sechs Kilometer langen Tunnels durch den Berg getrieben ist. Auch angesichts des Wetters ist mir diese Variante die bessere. Ich habe gestern mit dem Campingplatz-Betreiber gesprochen, er sagte mir, dass der Tosentunnel immerhin beleuchtet ist und dann auf circa 500 m Höhe aus dem Berg rauskommt. Nach einer Dreiviertelstunde habe ich das Tunnelportal erreicht, mache meine erste Pause und starte um zwölf bewaffnet mit der Stirnlampe in den schon draußen stinkenden Moloch. Kaum ein paar Meter rein, kehre ich wieder um, weil es so kalt ist, dass die ausgeatmete Luft kondensiert und ich merke, dass das so deutlich zu frisch wird. Also ziehe ich mir mein Hemd über, Mütze auf, mache die Handschuhe bereit und krempel meine Hosenbeine wieder runter für den nächsten Anlauf. So is’ besser. Der Seitenstreifen ist ausreichend breit, so dass ich bei Verkehr von vorne ordentlich zur Seite gehen kann, durch die Stirnlampe nehmen mich die Autofahrer rechtzeitig wahr und weichen ganz vorbildlich auf die andere Seite aus. Es ist ein stetiger Anstieg im gesamten Tunnel und zieht sich in ewig langen Kurven durch. Wenn ich allein bin, höre ich den Hall meiner eigenen Schritte, wenn ich etwas rufe, höre ich fast 10 Sekunden lang mein eigenes Echo. Der krasse Gegensatz zu dieser himmlischen, nein eher höllischen Ruhe ist, wenn Fahrzeuge, speziell LKWs heranrollen. Es ist einfach tierisch laut und braucht so lange, bis es verhallt. Von der Decke tropft Wasser, alle paar hundert Meter gibt es eine seitliche Ausbuchung, die in den Fels geschlagen ist, nach Pausieren ist mir hier allerdings nicht zumute. Die Luft ist insgesamt nicht so schlecht und stickig, wie ich es am Eingang wahrgenommen habe, oder ich habe mich jetzt sehr schnell dran gewöhnt. Alles in allem ist es insgesamt nicht so dramatisch schlimm, wie es sich noch vor dem Tunnel angefühlt hat. Nach 1 Stunde und 20 Minuten sitze ich am anderen Ende des Tunnels und mache erst mal wieder Pause. Es ist mal eine neue Erfahrung, die später kurz vor dem Nordkap auch hilfreich sein wird, denn dort gibt es einen ähnlich langen Tunnel, der allerdings komplett ohne Beleuchtung und alternativlos ist. Während ich da sitze, kommt ein Caddy mit Anhänger dahergefahren, eine Frau lässt aus dem Auto ihre Huskies heraus, es werden immer mehr. Am Ende sind es acht Hunde, mit denen sie auf ihrer vierstündigen Fahrt eine Pause macht. Da marschier ich doch prompt erst mal hin und wir kommen ins Gespräch. Es ist Sissel und sie ist gerade auf dem Weg zum oder vom Sommerhaus. Sie erzählt mir von den Huskies, von ihrem neuen Puppy, den sie vor vier Monaten aus den USA geholt haben und vom Winter hier draußen. Ich ziehe dann weiter, es geht ab hier jetzt konstant bergab, so dass ich am späten Nachmittag wieder auf der Höhe bin wie vor dem Tunnel. Das alles bei herrlichem Sonnenschein entlang der Straße und des Flusses Holmvasselva, wo heute absolut nichts weiter passiert. Zum Abend hin überquert die Straße den Fluss und mündet kurz darauf auf die E6. Noch vor der Flussquerung kann ich sie auf einen gut laufbaren Forstweg verlassen, an dem ich mich dann nach einer günstigen Möglichkeit für das Zelt umsehe. Es gibt auf mehreren Kilometern ein einziges Haus, an dem ich vorbeikomme. Da der Rasen wohl am Wochenende so schön gemäht wurde, lacht er mich an, hier zu zelten. Ich rufe, um irgendeinen der Anwohner zu befragen, ob es möglich ist, aber es ist wohl niemand da. Da es Privatgrund ist, lasse ich es bleiben, ziehe weiter und finde gegen halb acht eine klitzekleine Stelle direkt am Weg, die genau für mein Zelt reicht. Zwanzig Meter daneben kommt ein Bach im Wald herunter, der mir frisches glasklares Wasser spendiert. Damit kann ich sehr zufrieden den Tag beschließen.Read more