• Ein schönes Weltbild.

    21. Juli

    July 21 in Norway ⋅ ☁️ 10 °C

    Na, wie gehts’n weiter jetzt? Nordkap erreicht, Ende im Gelände? Neee. Dass ich nicht an dieser Stelle überwintere, ist ganz offensichtlich. Vom Westen aus bin ich nun hierher gekommen, Richtung Norden ist nur noch das Eismeer, also halte ich mich gen Ost. Weiter geht es also wohl, nur weiß ich in diesem Moment mit mir selbst noch nicht so recht, wohin. Gegen zehn lässt mich die Sonne nicht mehr in Ruhe und ich rappele mich wieder auf. Frühstücke und laufe noch einmal über den jetzt inzwischen wieder belebten Rummelplatz. Noch ein paar Meter nach da und nach da, den einen oder anderen gestern schon mal angetroffenen Cyklisten gesprochen, vergeht die Zeit hier oben doch recht schnell. War es am Morgen für eine ganze Zeit recht neblig, also das typische „Ich kann die Kugel kaum auf dem Foto erkennen“-Szenario, hat es sich doch aufgelichtet und der Himmel ist blau. Natürlich ist es unten auf Seehöhe komplett wolkig. Darum und auch weil ich Angst habe, die großen Steigungen wieder hinunter zu fahren und dann doch noch mal zurückzuwollen, hadere ich irgendwie mit dem Losfahren. Dieser Ort hält mich ziemlich fest. Ich hatte jetzt gute 5 Stunden Zeit, mir irgendwas auszudenken. Entlang der Straße hierher waren eine Reihe von Seen, einen davon will ich ansteuern, baden und meine Wäsche waschen. Also heißt es um drei Abfahrt und schon an den ersten, den ich mir in der Karte ausgeguckt hatte, komme ich nicht ran. Es gibt hier oben einen Militärstützpunkt und schon der Weg dorthin ist für mich gesperrt, der See liegt ziemlich dicht neben diesen Gebäuden. Der nächste See nahe der Straße ist so flach, dass es eher eine Schlammpackung denn Baden wäre, also weiter und dann auch schon die erste steile Abfahrt hinunter. Hier gibt es einen wirklich großen See, aber hier ist alles in kalten, feuchten Nebel gehüllt. Das fällt definitiv aus. Muss ich also weiterfahren und erhoffe mir irgendeinen der anderen. Dieses Spiel zieht sich immer weiter, selbst nachdem ich für ein Stück einen Wanderweg abseits der Straße mit dem Fahrrad befahren habe. Keiner passt mir in den Kram oder ist irgendwie besonnt. Auf einem der höchsten Punkte der Strecke ist entgegen meiner Erwartung auch alles nebelig, es sind also nur kleinere Stücken zwischendrin so schön warm und nach oben offen. Auf einem Schneefeld passiere ich ein paar Rentiere, die sich hierher geflüchtet haben, um etwas Abkühlung zu finden. Das Fahren durch diese Suppe, speziell die Serpentinenstrecke herunter, ist sogar nur mit Regensachen machbar, das Wasser tropft mir vom Helm und den Klamotten, ohne dass es einen Tropfen regnet dabei. Ich habe ein Einsehen, dass ich das Badenixenkostüm heute im Koffer lassen kann, bin inzwischen wieder auf Meereshöhe und sehe eine Straße abzweigen. Scheinbar unweit von hier ist ein Dorf, das ich ansteuere. Erstaunlich, wie klar die Luft hier am Fjord unterhalb der Wolkendecke ist, die bei circa 70-80 m Höhe endet. Wenn ich alles erwartet hätte, aber nicht das. Und so ist meine etwas eingetrübte Laune schlagartig wieder oben, als ich erkenne, wie schön es doch in der Unterwelt ist. Ich komme nach circa 3 km schon nach Kamøyvær, ein wunderschönes buntes kleines Fischerdörfchen. Die Runde da durch ist recht schnell gedreht und schon habe ich auch fast das Ende erreicht. Im kleinen Hafen liegen so schön kontrastreich aufgereiht die Fischerboote, während an den Bergen trotz der tief hängenden Wolken das Grün richtig satt leuchtet. Ich beschließe relativ schnell, hier zu bleiben. Als ich im Hafen auf dem Steg entlangfahre, sehe ich ein paar Männer in einer Art Garage Fische schlachten. Ich spreche sie an, ob ich einen Blick werfen kann, schließlich haben sie kistenweise recht großes Material dort zu verarbeiten. Dem Slang nach sind es Österreicher, die gerade ihren Fang filetieren und einschweißen. Vermutlich setzt bei mir bei dem Anblick automatisch ein Hundeblick ein, denn gerade als ich abfahren will, drückt mir einer der Männer ein verschweißtes Paket in die Hand, kurz darauf wohlwollend noch ein zweites. Und ein anderer springt hinzu und legt noch ein drittes obendrauf. Es wirkt ein wenig wie bei den Marktschreiern, wo auch immer noch eins und noch eins obendrauf kommt. Ich bin total überrascht, aus dem Hundeblick ist ein großer Smiley geworden und ich werde wohl morgen zum Frühstück noch davon essen müssen. Unweit von hier um die Ecke nach dem letzten Haus auf einem Hügel finde ich schnell einen Platz fürs Zelt, von hier aus habe ich neben bunten Blumen wie zum Beispiel wilden Orchideen einen wunderbaren Rundumblick in alle Richtungen. Diesen schönen Platz hier samt der Mitgift der Fischer gefunden zu haben ist wohl eine universelle Wiedergutmachung für das entgangene Sonnenbad oben im See. Nachdem ich mich eingerichtet habe, höre ich aus einer Richtung einen Wal blasen und so schnell war ich noch nie auf dem Fahrrad, das unten am Fuße des Hügels steht, um wieder vor Richtung Hafen zu strampeln. Aber dieser Kamerad hat wohl einen recht langen Atem, denn ich sehe ihn erst nach einiger Zeit wieder auftauchen, als er schon ein ganzes Stück entfernt ist. Glücklich wieder auf dem Hügel sitzend, staunend und Adler beobachtend, nehme ich rundherum eine Reihe von Leuten wahr, die hier ebenso auf Erkundung sind. Ein Reisebus hat all die Landsleute für eine Stunde ausgekippt, die gerade auf Nordkap-Tour sind. Wir unterhalten uns ein wenig, als sie bei mir entlang kommen. Ich drehe dann selbst auch noch eine Runde, entlang eines zweiten kleinen Hafens und des Friedhofs, in dessen Nähe wieder einmal ein Denkmal steht. Es ist sechs Seemännern hier aus dem Dorf gewidmet, die 1959, also lange nach dem Krieg, mit ihrem Boot nicht wieder heimgekehrt sind, nachdem sie wahrscheinlich auf eine Seemine gefahren sind, die es ja hier in den Fjorden in Unmengen gab. Späte Kriegsopfer also, von denen selbst niemals Überreste, sondern nur von ihrem Fischerboot, der MS Meteor gefunden. Der Nebelvorhang hat sich inzwischen langsam auch bis zu mir heruntergezogen, so dass ich die Fischerboote, die jetzt gegen neun immer noch rein- und rauswärts fahren, nur dunstig erkennen kann, während in meinem Pfännchen eine nicht unerhebliche Menge von Kabeljau brutzelt.Read more