- Show trip
- Add to bucket listRemove from bucket list
- Share
- Dec 1, 2023
- 🌬 12 °C
- Altitude: 5 m
- JapanShizuokaKosai-shiHamana34°40’45” N 137°31’59” E
Pacific Re-Cycling Road
December 1, 2023 in Japan ⋅ 🌬 12 °C
Für uns geht es wieder auf eine Fähre. Diese bringt uns von der Shima-Halbinsel zur Atsumi-Halbinsel auf der anderen Seite der Bucht. Dort eröffnet sich uns endlich die Weite des Pazifiks. Bis zum Horizont ist keine Insel zu sehen und man kann sich fast vorstellen, wie auf der anderen Seite des Meeres die Lichter von San Francisco und Los Angeles funkeln. Hier wird uns erst so richtig die Dimension dieses Ozeans klar: Die USA sind von hier fast genau so weit entfernt, wie Westeuropa.
Trotzdem bietet der Strand mehr USA-Feeling, als Europa-Gefühl. Am Straßenrand stehen statt Ahorn und Ginkgo wieder Palmen und sogar vereinzelte Bananenstauden. Einige der Holzhäuser an der Küste sind in bunten Pastelltönen lackiert und abgeblätterte Schilder weisen auf Englisch auf geschlossene Surfshops in. Auch die Cafés haben ihre Verschläge schon winterfest aufgebaut.
Passend dazu besuchen wir an einem kalten Tag eines der vielen sogenannten Family Restaurants am Wegesrand. Hierbei handelt es sich allerdings keineswegs um traditonelle inhabergeführte Restaurants, sondern um japanisch interpretierte Schnellrestaurants im Stile amerikanischer Diners. Das Mittagsangebot besteht meist aus einer panierten Frikadelle mit Kohlsalat und Reis. Viel besser als das Menü ist für uns jedoch die Tatsache, dass die All-you-can-Drink Getränkebar und Steckdosen am Sitzplatz im Preis inbegriffen sind. So verbringen wir zwei Stunden auf den bequemen Kunstlederbänken und radeln dann gut aufgewärmt, mit neuer Energie in den Handyakkus und Zuckerwellen in den eigenen Arterien eine sehr schnelle Nachmittagsetappe weiter.
Selbst in diesen Fastfood-Ketten zelebriert die Bedienung stets die höflichsten Umgangsformen. Bei jedem Bestellvorgang und auch beim Bezahlen reihen sich unter stetigen Verbeugungen nahtlos Höflichkeitsformeln aneinander. Das Wechselgeld wird ganz sorgsam abgezählt und jede Münze einzeln benannt, damit jeder Gast die Rechnung ganz genau nachvollziehen kann.
Neben der Höflichkeit ist die Hygiene die zweite ganz spezielle Alltagseigenschaft: Im Supermarkt sind Obst und Gemüse großzügig in Plastik eingepackt. Kekse gibt es oft in riesigen Verpackungen, die aber erstaunlich leicht sind. Wie bei einer Matrjoschka muss man geduldig eine Schicht nach der nächsten entfernen, bis man schließlich im Inneren beim Keks angekommen ist und einen großen Berg aus Plastik angehäuft hat.
In diesem Moment hat man allerdings das nächste Problem, denn die Abfallpyramide steht hier Kopf: Vermeidung und Mehrweg spielen keinerlei Rolle, dafür ist das Recycling-System völlig aus dem Ruder gelaufen. Im Supermarkt gibt es regelmäßig bis zu 10 Mülleimer für die sortenreine Trennung des Mülls. Und damit nicht genug, denn dieser muss zuhause sorgfältig ausgewaschenen und getrocknet werden und die genauen Trenn-Vorschriften unterscheiden sich je nach Kommune. Und tatsächlich beobachten wir oft, wie Japaner:innen gewissenhaft und eifrig alles korrekt einwerfen.
Wir stehen dann innerlich fluchend daneben und können keinen Müll entsorgen, weil unsere Tetrapaks nicht ausgewaschen und aufgeschnitten sind, unsere Plastiksammlung nicht sortenrein getrennt ist und das Entsorgen einer leeren Gaskartusche offenbar überhaupt nicht vorgesehen ist. Öffentliche Mülleimer für Restmüll gibt es nicht, jede:r Japaner:in nimmt den Müll einfach mit nach Hause. So fahren wir unseren stets wachsende Müllberg meist ein oder zwei Tage durch die Gegend, bis wir ihn endlich unauffällig und halb legal an einem Rasthof oder im Convenience Store loswerden können.
Das Groteske der peniblen Mülltrennung wird dadurch auf die Spitze getrieben, dass Japan noch nicht einmal eine besonders hohe Recycling-Quote hat. Das meiste landet am Ende doch in der Müllverbrennungsanlage oder auf einer Müllhalde. Wir finden, dass der japanische Innovationsgeist, der bei den Toiletten so groß ist, sich vielleicht auch auf andere Abfallprodukte ausweiten ließe. So könnte man die emsige Müllsortierung auch durch einen tatsächlich kleineren ökologischen Fußabdruck zu belohnen.Read more
Traveler Wenn's denn dann in der Tonne landet...
Traveler Zum Finale gibt's noch eine Zugabe an kreativen Formulierungen und Sprachwitz. Das Lesen macht Spaß!
Traveler Der Pazifik, unendliche Weiten...