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  • Day 12

    Torres del Paine - Las Torres

    November 12, 2017 in Chile ⋅ 🌙 12 °C

    Vom Himmel her wurde es nass, der Weg war lang und die Versuchung groß:
    Der letzte Tag begann unerwartet feucht, die Schleusen waren offen und mal wieder haben wir es nicht „pünktlich“ aus dem Schlafsack geschafft. Der „Checkout“ der Campingplätze schien sich immer weiter nach vorne zu verschieben, wir waren nun schon bei 9 Uhr als Endzeit angelangt.
    Nachdem wir den mäßig leckeren Frühstücksbrei gegessen hatten, warteten wir nicht mehr ab, sondern wanderten in Regenhose los. Schon bald nieselte es nur noch, die Wolkendecke riss auf und die ersten Sonnenstrahlen wärmten unsere kalten Gesichter und tanzten auf dem unruhigen Wasser des Sees, neben dem wir mittlerweile spazierten.
    Moderat ging es Auf- und Ab, ehe wir zu einem kleinen Kiesstrand aus weißen und grauen Steinen gelangten, der einen herrlichen Blick auf den langgezogenen See bot und uns mit seinem azurblauen Wasser ins Staunen versetzte.
    Es hätte sich mit zugekniffenen Augen und höheren Temperaturen auch um den Anblick einer Karibikinsel handeln können und die Cocktails konnte ich schon förmlich auf den Lippen schmecken.
    Stattdessen wurde aus dem süßen Geschmack des Cocktails der eines Snickers. Muss ich also erst mal nach Südamerika reisen, um Snickers mit Mandel statt Erdnuss kennen und lieben zu lernen. (Bei all den Energieriegeln, die wir mit uns führten war das der unangefochtene Spitzenreiter.)
    Wir machten an diesen und jenen Stellen mit guter Sicht Rast, gönnten unseren Beinen etwas Erholung und unserer Seele etwas Freude. All die vergangenen Tage hatten unsere Ausdauer gesteigert und wir waren merklich besser zu Fuß unterwegs als am Anfang (auch wenn das jetzt sehr weit hergeholt klingt - es war so).
    Schließlich wurde der Weg flacher, der Wind rauer und die Beschilderung verbesserungswürdiger.
    Wir hatten - natürlich - keine Karte des Parks dabei und verließen uns stets auf die Landkarten an den Campingplätzen.
    An einer Weggabelung mussten wir raten, welcher der Wege uns tatsächlich zum letzten Campingplatz der Wanderung, etwas außerhalb der eigentlichen Route gelegen und hinter dem einzigen Hotel des Nationalparks versteckt, führte.
    Bis hierher waren wir bereits gute fünf Stunden unterwegs und der Weg zog sich wie Kaugummi. An einem weiteren, kleinen See wanderten wir entlang, einen Hügel hinab und weitem, grünem, grasbewachsenem Feld entgegen. Ganz weit in der Ferne waren kleine Gebäude zu sehen, mutmaßlich das erwähnte Hotel.
    Dem entgegen liefen wir, überquerten eine lange Brücke, die einen Gebirgsbach überspannt und fanden uns schließlich vor einem zweistöckigen, hölzernen Gebäudekomplex wieder. Einen Kilometer dahinter lag der Campingplatz - wir hatten es geschafft.
    Der mit neun Stunden Wanderung längste Tag war erfolgreich beendet. Wir ließen uns direkt am vorbeifließenden Fluss nieder und richteten unseren Schlafplätze ein.
    Auf der gegenüberliegenden Seite leuchteten die Lichter des Refugios, einer Herberge für Wanderer, die lieber ein festes Dach über dem Kopf haben. Dort befindet sich auch ein Restaurant und ein Minimarket. Wir machten den Fehler und schauten uns die Räumlichkeiten näher an.
    Die servierten Pizzen schillerten in den hellsten Farben und dampften miteinander um die Wette, schienen uns anzuflehen, endlich in sie reinzubeißen.
    Der Tütenfraß der vergangenen Tage und der für heute angedachte Kartoffelbrei zum Anrühren waren maßgeblich an den Halluzinationen beteiligt.
    Tatsächlich aber gab es an diesem Abend im Restaurant nur Auflauf in Form von Menschen und demzufolge keinen Platz mehr für uns an einem der Tische. Wir mussten unseren ursprünglichen Plan nun doch durchziehen.
    Allen Erwartungen zum Trotz muss ich konstatieren, dass der Instant-Kartoffelbrei „4 Queso“ aus dem untersten Regal des Supermarktes doch nicht so schrecklich schmeckte, wie angenommen. Vielleicht lag es auch daran, dass wir frisches Essen einfach nicht mehr gewöhnt waren.
    Erschöpft und glücklich fielen wir in die Schlafsäcke und verbrachten eine windig-eisige Nacht am Fluss in unserem Sommerzelt.

    Der letzte Morgen zeigte uns die kalte Schulter und ließ uns frieren. Es war der bisher frischeste Tagesbeginn, alleine der Gang zum Zähneputzen war äußerst unangenehm und so richtig wollte ich nicht in die Gänge kommen.
    Die Zubereitung unseres Frühstücksbreis - endlich die letzte Portion - war mit den Händen über dem Campingkocher eine wahre Wohltat.
    Von oben gewann die Morgensonne langsam an Kraft und verwandelte die Torres, die Namensgeber des Parks und von unserem Campingplatz aus sichtbar, in drei rot leuchtende Türme.
    Der letzte Abschnitt der Wanderung zum Aussichtspunkt der Torres begann leider wegen der morgendlichen Kältestarre verspätet und räumte uns lediglich acht Stunden für den Hin- und Rückweg ein. Trotzdem wollten wir so weit wie möglich laufen und ließen unser großes Gepäck am Campingplatz zurück.
    Der Wandergenuss und die Schönheit der Landschaft hatten im Vergleich zu den vergangenen vier Tagen deutlich eingebüßt, in diesem Abschnitt waren sehr viele Tagestouristen unterwegs und die Wege relativ voll. Wäre es unser erster Tag gewesen, wir hätten bestimmt begeistert von der weiten Sicht der Berge geschwärmt.
    Nach drei Stunden Wanderung erhaschten wir wieder einen Blick auf die Torres, oder viel mehr auf die dicke Wolkenschicht, die sie umhüllte. Die drei Granitsäulen waren verschwunden, dennoch ging es weiter, ehe wir 800 Meter vor dem Aussichtspunkt aus Zeitmangel umkehren mussten. Für die restlichen Meter hätten wir laut Karte noch 45 Minuten benötigt, der Weg geht an dieser Stelle steil bergauf. Das Wetter hatte sich nicht geändert und gesehen hätten wir die Türme von weiter oben auch nicht.
    Durch ursprüngliche, grüne Wälder spazierten wir wieder hinab. Die Bäume wurden lichter und verschwanden schlussendlich ganz.
    Im Augenwinkel nahm ich einen vorbeiziehenden Schatten wahr und wendete meinen Blick gen Himmel. Über uns kreiste ein Andenkondor mit gewaltiger Spannweite und segelte ohne einen einzigen Flügelschlag an Berg entlang. Die weiß-schwarze Farbe des Federkleids mutete majestätisch an.
    In der Ferne und weit oben in den Lüften erkannten wir weitere Kondore kreisen, die uns zum Abschied nachzusehen schienen.
    Am Campingplatz angekommen schnappten wir unsere Rucksäcke und machten uns auf zum Welcome-Center, nur wenige Gehminuten entfernt, von wo aus wir mit dem Bus über Schotterstraßen zurück nach Puerto Natales fuhren und dort nach einer Pizza (endlich wieder etwas leckeres!) wie zwei Steine ins Bett fielen.
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