Satellite
Show on map
  • Day 120

    Von Affen, Regenwald und Papipollo

    February 28, 2018 in Ecuador ⋅ ⛅ 17 °C

    Nach unserem Trip auf der Straße der Wasserfälle führte uns die Busfahrt am nächsten Morgen unter anderem an eben jenen Stätten vorbei, die wir am Vortag mit dem Rad bereits besucht hatten.
    Am Abend vor unserer Abreise aus Baños entschieden wir uns, die komplette Straße der Wasserfälle mit dem Bus zu fahren. Zielort sollte Puyo sein, eine Stadt am Rande des Regenwaldes.
    Doch bevor wir die sich ändernde Vegetation der Landschaft aus dem Busfenster heraus bestaunten, wollten wir noch das besuchen, wofür Baños wortwörtlich steht. Den Ort meiner Morgentoilette meine ich damit weniger, als vielmehr unseren Gang zu einem der Thermalbäder, die ihre Hitze zum Erwärmen der unterschiedlich temperierten Becken direkt aus der Erdwärme bezieht.
    Bevor wir Zugang zu den Becken erhielten, mussten wir die obligatorischen Badekappen leihen, die das Wasser vor Kopfhaaren, nicht jedoch vor anderweitiger Verschmutzung schützt, die Josephin das Erlebnis etwas trübte. Denn nicht nur wir, und insbesondere ich alte Frostbeule, hatten nach dem Bad im etwas kühleren Nass vor, das ganz warme Becken mit herrlichem Panoramablick auf die Berge zu besuchen. Auch viele ältere Stadtbewohner und Stadtbewohnerinnen zog es dorthin.
    Dazu eine Randinformation zum Bäderbetrieb: Das eisenhaltige, schlammfarbene Wasser, das die Becken füllt, wird lediglich einmal am Tag gewechselt. Eine Reinigung mit Chlor unter Gästebetrieb findet nicht statt, sodass ein natürliches Badegefühl entsteht.
    Bedauerlicherweise hatten wir es versäumt, wie ursprünglich geplant, um 6 Uhr das Bad zu besuchen, und so einerseits dem Gästeansturm zu entgehen und andererseits den Sonnenaufgang zu beobachten. Dafür war es einfach zu früh am Tag. Wir machten uns erst gegen 11 Uhr auf. Das Wasser wird, wie gesagt, nur ein Mal gewechselt. Um 16 Uhr.
    Nicht, dass es nicht schön wäre, generationsübergreifendes Publikum im Bade zu wissen, das warme Becken jedoch war voll mit Greisen jenseits der 70, wenn nicht sogar 80. Und uns.
    Ich möchte niemandem etwas unterstellen, aber der Geruch erinnerte uns eindeutig an Dinge, die wir nicht mit Badespaß assoziierten. Neben Eisen war da noch eindeutig... naja.
    Mit diesem Erlebnis im Gepäck kehrten wir wieder um und dem Bus entgegen.
    Netterweise fuhr uns die Betreiberin der Unterkunft, in der wir genächtigt hatten, mit unserem Gepäck und den drei Kindern in einem älteren, sehr kleinen, aber dennoch funktionierenden Auto zum Busbahnhof. Ihr Sohn schien die stehende Fahrt am Fenster sehr zu genießen.

    Während der Fahrt nach Puyo unterhielt ich mich mit meinem ecuadorianischen Sitznachbarn, neben dem ich im vollen Bus Platz genommen hatte, der aus mir meine gesammelten Spanischkenntnisse herauskitzelte. Er befragte mich zu Deutschland, unserer Reise und meinem Beruf. Netterweise gab er mir ein paar Tips, wo man in Puyo besser nicht zu später Stunde herumspaziert, erzählte über sich, seine Familie und einen Freund beim Militär. Da er Geduld mitgebracht und ausreichend gestikuliert hatte, reichte mein Spanisch überraschenderweise also doch für ein wenig Konversation!

    Puyo erwartete uns nass, denn just als wir aus dem Bus ausgestiegen und auf dem Weg zu unserem Hotel waren, fing es an zu regnen. Dort angekommen, zeigte man uns unser Zimmer, welches wir bezogen und uns anschließend schnell aufmachten, etwas Essbares zu finden. Das nahegelegene vegetarische Restaurant, das der Herr am Empfang uns empfahl, hatte am Sonntag natürlich geschlossen, und auch sonst fanden wir auf dem Weg in die Innenstadt nichts, was entweder geöffnet war oder unseren Ansprüchen für den Abend genügte. Vom Hunger getrieben verliefen wir uns auf dem Rückweg in Richtung Hotel, aus dessen Fenster wir zuvor ein Werbeplakat für einen Dönerladen gesehen hatten (was uns bisher noch nicht über den Weg gelaufen war) und liefen mehrmals orientierungslos im Kreis.
    Die gewähnte Rettung durch einen Döner zerschlug sich, da die gefundenen Straßenstände leider ausschließlich Fleisch servierten.
    Wir endeten in einer Bäckerei, in der wir vier Labbelbrötchen erstanden und mit Gurke und Tomate aus einem Obstladen belegten, den wir unweit des Hotels fanden.
    Nach diesem kulinarischen Hochgenuss ging es schlafen, um die lange Suche zu verdauen.

    Tags darauf nahmen wir ein Taxi, das uns zu einer Auffangstation für Wildtiere stadtauswärts brachte. Hiervon hatten wir im Hotel gelesen und wurden nun mit einer spanischsprachigen Familiengruppe von einem Franzosen auf Englisch durch das Reservat geführt. Er erklärte ein paar Fakten zu den Schlangen und Affen, ehe wir uns selbst auf eigene Faust ein Bild von den Tieren machen konnten und auf dem Areal umherwandelten. Zu sehen gab es neben den verschiedenen Arten von Affen und Schlangen auch Schuldkröten, Stachelschweine, Nasenbären, Vögel und sogar Fische.
    Zwar sind die Wege durch Zäune von den Tieren getrennt, jedoch würde dieser Umstand wohl kaum die Affen davon abhalten, rüberzuklettern und das Weite zu suchen, wenn sie das wollten.
    Bei den dort lebenden Tieren handelt es sich um verwundete oder ehemals domestizierte Tiere, die durch Behörden befreit und der Station übergeben wurden.
    Die Gewöhnung an die Menschen und die Tatsache, dass sie weiterhin von den Freiwilligen vor Ort gefüttert werden, schmälert wohl ihr Interesse, tiefer in den Urwald vorzudringen.
    Auf dem Weg zurück zur nächstgrößeren Straße, um von dort eine Transportmöglichkeit ausfindig zu machen, wurden wir vom eingangs erwähnten Franzosen gefragt, ob er uns bis Puyo mitnehmen könne, denn er führe selbst nun dorthin. Diese Einladung nahmen wir dankend an.
    Ein wenig wortkarg, eine Zigarre rauchend, kamen wir Puyo immer näher. Die Frage, warum er in Ecuador gelandet sei, beantwortete er mit der Liebe zu Puyo. Nirgendwo sonst habe er einen so schönen Flecken Erde gefunden. Im Reservat lebt und arbeitet er nun schon seit 16 Jahren und sei vollkommen darin aufgegangen und glücklich. Wie recht er dabei hat: Die Landschaft, die Vegetation und die Tiere haben wir bisher nirgendwo beeindruckender erleben können.
    Außerdem berichtete er, dass die Arbeit im Reservat vor etwa fünf Jahren richtig an Fahrt aufgenommen habe, seit die Behörden den illegalen Schmuggel von Wildtieren und deren Teilen konsequent verfolgt und ahndet.
    Nach einem kurzen Abschiedsgruß wurden wir in der Stadt abgesetzt und fanden diesmal auf Anhieb den Weg zurück zum Hotel. Dort schnappten wir unsere Sachen und starteten in Richtung Riobamba.
    Am Busbahnhof Puyos angekommen, schlug uns Schreierei entgegen. Verschiedenste Verkäufer versuchten, ihre Bustickets an den Mann zu bringen. „Riobamba, Riobamba, Riobamba“ schien uns ein gutes Angebot zu sein. Etwas verwirrt bahnten wir uns den Weg, immer dem Geschrei entgegen. Nach Ausstellung des Fahrscheins und nachdem ein paar Dollar den Besitzer gewechselt hatten, wurde uns versichert, ein gutes Geschäft gemacht zu haben. Sie seien sowieso die einzige Gesellschaft, die nach Riobamba, Riobamba, Riobamba führe.

    Die direkte Busfahrt nach Riobamba, Riobamba, Riobamba gestaltete sich äußerst angenehm: Beim Zwischenstopp am Busbahnhof in Baños wurden uns das Mittagessen in Form von weißem Mais, Kartoffeln und Tomatensalat mit Zwiebel (un dollarito) hereingereicht und irgendwo auf der Strecke fand ein frisches, noch warmes Bananenbrot (un dollarito) erst den Weg in unseren Besitz und dann in unsere Mägen.
    Benebelt von der sich dank ausgeschalteter Klimaanlage langsam stauender Hitze kamen wir an.
    In Riobamba ließ mich eine Taxifahrerin erröten, als ich nach dem Preis fragte und sie ihrer Antwort ein „mi corazon“ anhängte. Für zwei Dollar brachte sie uns sicher und wohlbehalten zu unserem Hostel. Habe ich also auch schon die Ecuadorianerinnen im Sack.

    Wir nutzten Riobamba als Ausgangsstation für einen Ausflug in ein nahe gelegenes Dorf, wo ein Handwerksmarkt stattfinden sollte. Nach einem stattlichen Fußmarsch durch die Stadt zur Bushaltestelle quetschten wir uns zwischen Schulkindern in den Bus. Nach etwa 30 Minuten angekommen, mussten wir feststellen, dass ich die zeitliche Lage des Marktes in der Woche missinterpretiert hatte und dieser eigentlich nur Sonntags stattfand. Das Markttreiben beschränkte sich auf eine Handvoll Stände, und auch das Dorf selbst bot außer Papipollo (Anmerkung: Broiler mit Pommes, gefühltes Nationalgericht) nicht sonderlich viel.
    Zum Dank für unseren Wagemut wurden wir von nachmittäglichem Regen verwöhnt, der uns in seinen Ergüssen tränkte. Dies gab uns genug Gelegenheit, unter einem Vordach vom Regen geschützt den Müllmännern bei ihrer Arbeit zuzusehen. Anders als in Deutschland ist an jedem Müllwagen ein Lautsprecher montiert, der die vor ihm befindliche Straße mit unterschiedlichster Musik beschallt. In unserem Fall handelte es sich um ein klassisches Klavierkonzert. Welches Stück uns zum besten gegeben wurde, konnten wir leider nicht identifizieren.
    Jedenfalls ist diese Musik für die Bewohner der Stadt, und insbesondere der Straße, in der die Musik sehr laut ist, Zeichen, den Männern die Tonnen in die Hand zu drücken, wenn sie langsam vorbeirollen. Schlecht für den, der nicht zuhause ist.
    Die Szenerie erinnerte mich unweigerlich an eine der letzten Szenen aus dem James Bond-Film Skyfall, den ich erst kürzlich im Flugzeug sah. Glücklicherweise wurde aber nur Müll abtransportiert und kein Haus gesprengt, sonst hätten wir besser die Beine in die Hand genommen, als daneben zu stehen und zu schauen.

    Auf dem Rückweg kamen wir in Riobamba an einem Markt vorbei (diesmal etwas größer und mit Lebensmitteln), wo wir kurzerhand einkauften. Neben wunderbar reichhaltiger Auswahl an Obst und Gemüse (paradiesisch!) versuchten wir lose Nudeln zu erwerben. Die Verkaufsdame am Stand schien jedoch einen seltenen Dialekt zu sprechen, denn kein Wort dessen, was wir sagten, verstand sie und kein Wort dessen, was sie sagte, verstanden wir. Schlussendlich kamen wir doch mit Händen und Füßen zu dem, was wir wollten, auch wenn sie uns statt ein paar Händen eine Packung Nudeln reichte.
    Wir teilten uns noch einen frischen Saft (sehr zu empfehlen!) und stiefelten zum Hostel ein paar Straßen weiter.

    Nach Cuenca ging’s am folgenden Tag mit einem Bus in sehr gutem Zustand, was wir bisher eher aus Chile gewöhnt waren. Der gute Zustand des Gefährts verlieh dem Fahrer mutmaßlich den Gedanken der Unverwundbarkeit. Nach gefühlten tausend Vater-Unser und tausend Ave-Maria kamen wir dann doch ohne bleibende Schäden nach einer waghalsigen Fahrt durch die Anden an unserem Ziel an.
    Read more