• 8.12.Besuch in Ajmer Teil 1

    December 9, 2024 in India ⋅ 🌙 13 °C

    Ajmer liegt auf dem Weg von Jaipur nach Pushkar, einem heiligen Ort, der bei Travellern und Aussteigen, Textilhändlern, Hippies etc. besonders beliebt ist.
    Man kann nicht mit dem Zug nach Pushkar fahren, sondern muss von hier aus einen Bus, ein Taxi oder ein Tuktuk nehmen, um die etwa 20 km dorthin zurückzulegen.. Da Ajmer ein bedeutender Wallfahrtsort der Muslime ist, das " Mekka Indiens", wollte ich mir dort wenigstens ein, zwei sehenswerte Dinge anschauen, bevor ich weiterfahre. Die Zugfahrt hierher im Erste- Klasse- Liegewagen dauerte zwar nur 2 Stunden, aber ich habe sie sehr genossen. Mindestens 1 Stunde davon schlief ich selig wie ein Baby auf einem frisch gestärkten Leintuch und holte fehlenden Nachtschlaf nach. Mit mir war nur noch ein indisches Ehepaar im Abteil, das sich nach ihrem für alle fahrgäste offenbar obligatorischen, gekochten "Zugvesper" ebenfalls zum Schlafen hinlegte: goldene Ruhe! 😉👍
    In Ajmer angekommen, fragte ich mich mühsam zu einem Ticketschalter durch, wo vor Ort "reservieren" und bezahlen konnte für die Rückfahrt nach Jaipur 3 Tage später. An den normalen Ticketschaltern geht das offenbar nur für denselben Tag.
    Nach einigem Hin und Her und nach Anstehen an einem speziellen Schalter für Foreigners und andere Sonderfälle musste ich erst ein Formblatt mit all meinen Daten, Telefonnummern, Reisepassnummer, Wohnadresse etc ausfüllen. Mein Pass wurde kontrolliert und kopiert - kurz: es war ein Riesending, bis ich für ca 13 € schließlich das Rückreiseticket in Händen hielt. An einer so genannten, sehr altertümlichen "Touristeninformation", die aussah wie ein Büro aus den 50er Jahren (ohne die sonst üblichen riesigen Fotos, Stadtpläne o.ä.) winkten mich zwei deutlich unterbeschäftigte uniformierte Beamten herein, gaben mir einen Stadtplan und eine Broschüre von Ajmer und wollten dann unbedingt ein Foto von mir machen. Vielleicht brauchten sie einen Beweis dafür, dass sich doch ab und zu jemand zu ihnen verirrt, den sie " beraten". Englisch konnten sie jedenfalls nicht. So bat ich sie eben pantomimisch, auch ein Foto für mich mit meinem Handy zu machen. Es war eine fast surreale Situation, denn sie hatten auch große Mühe, mir den Weg zur Hauptsehenswürdigkeit hier, der Darba, der Grabstätte (Schrein) eines hochverehrten Sufis aus dem 13. Jahrhundert, auf ihrem Stadtplan zu zeigen. Immerhin kreuzten sie mir den "Busstand" nach Pushkar an.
    Ich zog also samt meinem Trolley zu Fuß los und wehrte alle Tuktuk- Angebote ab. Die Atmosphäre hier war völlig anders als in jeder indischen und nepalesischen Stadt, die ich bisher besucht hatte. Schon der uralte "Stefan Lose- Reiseführer" von 1990 schreibt das: man fühle sich hier unversehens in eine arabische Bazarstadt in Tunesien oder Marokko versetzt. Genau so ist es - nur muslimische Läden und Verkaufsstände, alles extrem eng, verwinkelt und voll. Ich kaufte mir ein Paar textile schwarze Flipflops (vermutlich ein Männermodell) mit Gummisohlen, weil es keine ledernen ohne glatte Ledersohle gab. Und Schuhe ganz aus Kunststoff wollte ich nicht. Kurz vor der Dargah Sharif wurde es so voll, das ich mit meinem Trolley fast gar nicht mehr vorankam. Mir fiel ein, etwas von Kopfbedeckung gelesen zu haben, so dass ich mit für 100 Rupien / 1 Euro auch noch schnell ein Tuch kaufte. Nun wurde es richtig unangenehm. Ich dufte ja weder mit Gepäck noch mit Schuhen hier hinein. Ich fragte und kämpfte mich bis zum "Gate 2" durch, wo es irgendwo einen cloak- room für Gepäck geben sollte. Ich war weit und breit die einzige weiße Nicht- Muslimin und wurde entsprechend angestarrt. Irgendwann fand ich den dubiosen, dreckigen, engen Gang, der zum Cloak- Room im Untergeschoss führte. Ich musste sehr lange warten, bis alle Männer, die etwas abholen wollten und die alle NACH mir kamen, bedient worden waren. Dann wurde ein gelbes Formular mit meinen Daten ausgefüllt, ein rosa Zettel um meinen Trolleygriff gewurstelt und ich sollte meinen Trolley einfach irgendwo zu all den anderen Koffern und Rucksäcken auf den Boden in eine Ecke stellen. Sehr vertrauenerweckend war das Ganze nicht, aber was sollte ich machen.
    Nun war ich endlich hier, also wollte ich das Ganze auch durchziehen. Ich fühlte mich so fremd und fehl am Platz wie noch selten in meinem bisherigen Leben: überall Warteschlangen verhüllter Frauen, extrem viele Menschen, die herumstanden oder saßen, beteten oder Handyfotos machten, Babies, Kleinkinder, Männer in traditionellen Gewändern auf Teppichen, vor Hauseingängen, in Nischen und abgesperrten bzw. eingefriedeten Zonen. Ich hatte keine Ahnung, wo hier das "Zentrum" war. Meine extra in eine blickdichte Plastiktüte verpackten Schuhe wurden mir aus den Händen genommen (auch verhülltes Schuhe-Tragen ist nicht erlaubt!) und an einem Verkaufsstand irgendwo in eine Lücke gesteckt. Ob ich diesen Stand jemals wieder finden würde? Ich wurde recht unsanft zu einer Art Priester geschoben, der mich hinknien hieß und mit einer Art Rute / Büschel auf Kopf und Schulter berührte, irgendwelche Segenssprüche von sich gab und dann - natürlich - Geld "for education" von mir wollte. Er schob mir einen Quittungsblock hin, aber ich stand zu seiner Empörung einfach auf und machte mich aus dem Staub...
    Offenbar kommen viele Moslems hierher mit ihren persönlichen Wünschen und Bitten, die sie hier hinterlassen. Zum Beispiel auch in Form der roten Bändchen, die die Frauen auf dem Foto gerade an das Tor binden...
    Es war mir alles ein bisschen unheimlich, weil so chaotisch und unübersichtlich voll und verwinkelt. Gleichzeitig wollte ich diese wahnsinnig bunte und so fremde Welt auch fotografieren, wenn ich schon mal hier war. VERSTEHEN konnte ich diese Stätte bzw. die Rituale hier ohne Führung definitiv nicht!
    In einer Menschenmenge auf einem kleinen Hügel entdeckte ich zwei riesige Kessel - bewacht und erhöht aufgestellt, in die die Menschen Geld und Opfergaben warfen.
    Auch ein großes malerisches Wasserbecken, wo sich die Gläubigen - und das waren alle hier- Füße, Hände und Gesicht waschen konnten. Irgendwann wurde mir der Trubel aber doch zu viel und ich suchte und fand nach mehreren Fragen sowohl den Stand mit meinen Schuhen, als auch den schauerlichen "Cloakroom" wieder, packte meine Sachen und drückte und schob mich zwischen Tuktuks, Rollern und Menschen mit meinem Trolley weiter über den Bazar über sehr schmutzige Gassen und vorbei an vielen Bettlern: einer war ohne Beine, der sich nur mit den Armen auf dem Bauch rutschend durch die Menge schob. Weil ich langsam großen Hunger hatte, kaufte ich mir an einem der unzähligen Süßwarenstände eine Art Monsterkeks in Pizzagröße, der lecker aussah und wenigstens mehr Teig- als Zuckeranteil zu haben schien: Shahi Sheermal heißt diese Spezialität, die mir in Tortenstücke geschnitten und in Alu verpackt überreicht wurde: garantiert einen Monat haltbar! Kostete nur 50 Rupien - etwa 50 Cent.
    Ich strebte so schnell wie möglich weiter - eigentlich nur raus aus diesem vollen und dreckigen "Bazar"- hin zur zweiten Sehenswürdigkeit, die ich hier besuchen wollte. (--Fortsetzung in Teil 2)
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