• Der ganz normale Wahnsinn Teil 1

    September 14, 2019 in Myanmar ⋅ ⛅ 31 °C

    Der erste Tag im fernen Myanmar neigt sich dem Ende zu und hatte zugegeben schon den ein oder anderen Kulturschock für uns bereit gestellt aber fangen wir mal von vorn an und wo wir überhaupt sind:

    Myanmar galt lange als so etwas wie ein schlafender Riese unter den Reisezielen. Faszinierende Tempel, einsame Strände, unzählige Inseln und unberührte Natur, aber kaum Touristen. Im Jahr 2010 kamen rund 11.000 deutsche Urlauber ins Land - in Thailand waren es im selben Zeitraum etwa 600.000.

    Ein Jahr später begann die herrschende Militärregierung jedoch, erste Reformen zuzulassen. Das war so etwas wie der Startschuss für viele – nach neuen Zielen suchende – Südostasien-Reisende...wie in dem Fall auch für uns.

    Die Millionenstadt Yangon ist das spirituelle und kulturelle Zentrum Myanmars und war einst nur ein Fischerdorf und hieß eigentlich Dagon. Als König Alaunpaya im 18. Jahrhundert sämtliche Mon-Städte eroberte, ernannte dieser das Dorf zur Hauptstadt des burmesischen Reiches und taufte es kurzerhand voller Optimismus in Yangon um – in etwa gleichbedeutend mit "Ende des Kampfes". Als die britischen Kolonialherrscher das Zepter in Myanmar übernahmen, wurde aus Yangon der Name "Ragoon" (in deutscher Variante "Ragun"). Im Jahr 1989, 40 Jahre nach Erklärung der Unabhängigkeit, wurde Burma (in deutscher Variante "Birma") zu Myanmar und Rangun wieder zu Yangon. Den Status der Hauptstadt hatte Yangon bis 2005 inne, dann wurde der Regierungssitz nach Naypyidaw verlegt. Heute leben über fünf Millionen Menschen in der Stadt, die laut diversen Berichten hungrig nach Entwicklung und Modernisierung ist. Die vorhandene Infrastruktur kommt dem wachsenden Verkehrsaufkommen aber gefühlt noch nicht so recht hinterher und eine Baustelle reiht sich an die andere, teilweise in Bearbeitung und teilweise als stillgelegte Ruine.
    Wenn Myanmar ein Schwellenland ist, ist Yangon auf jeden Fall der Inbegriff einer Schwellenstadt – irgendwo zwischen Tradition und Aufbruch, zwischen Verfall und Hochglanz, zwischen Slum und Penthouse.

    Unser Hostel liegt in Downtown, wo sich auch die meisten Hotels, Sehenswürdigkeiten und Märkte befinden, unweit vom Yangon River und Chinatown.
    Nachdem wir heute unser Zimmer bezogen haben, suchten wir erstmal kurzer Hand ein Fenster und die Dusche - den Blick vom Klo einen Meter weiter nach oben schweifend, fanden wir definitiv den Duschkopf. Fenster werden hier aber scheinbar völlig überbewertet - wozu auch, wenn es Aircon gibt und frei Atmen kann man ja bei dem tropischen Klima sowieso kaum :D

    Die Schuhe werden vor Betreten der Gänge bzw. den Wohnbereichen im Allgemeinen immer ausgezogen, dafür braucht man im Dusch&WC Kämmerchen aber wiederum Flipflops, da das improvisierte Loch im Vinylboden vor dem WC nur sehr sperrlich das Wasser ablaufen lässt. Aber man arrangiert sich ja mit allem, hauptsache wir haben unser eigenes Zimmer :)

    Am Nachmittag sind wir ein wenig durch die Straßen geschlendert, vorbei an Betelnuss spuckenden Männern, streunenden Straßenhunden und neugierig (oder skeptisch!?) schauenden Burmesen. Gefühlt sind wir rein optisch ziemlich allein hier und fühlen uns demnach auch etwas beobachtet und fremd. Zur Freude von Saufi begegnen ihr aber die meisten Menschen in diesem Land endlich auch auf Augenhöhe :) - ich hingegen fühle mich eher wieder zu groß und damit auffällig aber ich denke, dass ist eher weniger wichtig und die Unsicherheiten werden sicher mit fortschreitender Zeit vergehen!

    Unweit vom Hostel befindet sich die 2500 Jahre alte Sule-Pagode. Diese ist etwa halb so hoch wie die berühmte Shwedagon Pagode und laut Berichten "schlicht" gehalten, wobei für uns schon ihr Anblick absolut beeindruckend war. Die Pagode ist achteckig aufgebaut, wobei jede der acht Seiten einen Wochentag repräsentiert, der Mittwoch zählt hierbei doppelt mit Vormittag und Nachmittag. Die Wochentage haben generell einen besonderen Stellenwert in Myanmar. So wird der Name eines Kindes nämlich nicht etwa durch die Eltern bestimmt, sondern er ergibt sich in astrologischer Konsequenz aus dem Zeitpunkt der Geburt.

    Nach Betreten der Pagode durften wir als Touristen natürlich erstmal Eintritt zahlen (alle Pagoden außer zwei in Yangon sind eigentlich kostenfrei) und wurden auch sofort danach von einem Guide angesprochen! Nicht sicher, ob wir dies überhaupt wollten, verwickelte er uns mit seinem schwer verständlichen Englisch in erste Smalltalk Gespräche und zwei Minuten später standen wir fürs obligatorische Touristenbild an einem Altar und wuschen traditionell den Buddha mit heiligem Wasser. Dass sein Englisch nicht ganz verständlich war, zeigte sich schon darin, dass wir später realisierten, den falschen - Thursday (Donnerstag) Buddha gewaschen zu haben und man eigentlich denjenigen auswählt, der den eigenen Wochengeburtstag repräsentiert (bei mir Samstag und bei Saufi Dienstag). Zwei Runden im Achteck später und vielen bestimmt interessanten aber für uns kaum verständlichen Infos brachen wir das Ganze ab. Wir wurden nochmal zum "Security Buddha" geführt, um eine Kerze für unsere Sicherheit zu entzünden und ganz nebenbei auch noch in die uns entgegengestreckte Geldbörse Geld als "Spende" hineinzustecken.
    Zugegeben finde ich den Buddhismus in seinen Grundzügen sehr interessant und ich habe Respekt vor der Religion und den dort betenden Menschen, was die "Tourguides" aber mit einem machen und dass am Ende nur das Geld in die andere Tasche fließen soll, hat mich ein wenig geärgert!
    Der Anblick der Pagode bei langsam eintretender Dämmerung hat dies aber schnell verschwinden lassen und somit begaben wir uns nach einem kurzen Abendessen im Noodle House zurück ins Hostel, um den Tag auf der Dachterrasse entspannt ausklingen zu lassen.
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