• Mila 23

    September 19 in Romania ⋅ ☀️ 23 °C

    Wir brechen auf ins Donaudelta, Rumäniens jüngstes Land und UNESCO-Weltnaturerbe. Ein Ort, der als Paradies für Fische und Vögel gilt, Rastplatz für Zugvögel zwischen Tropen und Arktis – so jedenfalls das Versprechen. Unser Ziel: Mila 23, ein legendäres Fischerdorf mitten im Delta, 53 Kilometer von Tulcea entfernt und nur über den Wasserweg erreichbar.

    Der Name Mila 23 stammt von einer alten Schiffsmarkierung am Sulina-Arm. Heute gilt das Dorf als einzige lipowanische Siedlung im Delta, gegründet Ende des 19. Jahrhunderts von russischen Altgläubigen. Hier sollen die Zeit stillstehen, die Fischerboote schaukeln und das Leben aussehen wie vor hundert Jahren – archaisch, authentisch, charmant.

    Klingt idyllisch, oder? Die Realität: Meist rasen wir 25 Kilometer lang mit knatternden 300-PS-Außenbordern übers Wasser, durch enge Kanäle, weite Seen, Schilf - und Seerosenfelder. Vogelbeobachtung? Eher Vogelvertreibung. Statt Schilfrohrromantik Motorengebrüll, statt Naturerlebnis ein Höllenritt. Mila 23? Sehen wir nicht. Vielleicht zieht es links vorbei, aber wir halten uns zu sehr am Sitz fest, um es wahrzunehmen.

    Nach zweieinhalb Stunden landen wir wieder an – halb taub, durchgeschüttelt, aber immerhin lebendig. Man erzählt uns, es gebe immer weniger Fische und das Wasser werde knapp – man wisse nicht warum. Aha. Vielleicht liegt es ja nicht am Klimawandel, sondern daran, dass hier Highspeed-Bootrennen als Naturschutzprogramm durchgehen.

    Wir möchten besser nicht wissen, wie viele Nester und Gelege durch das wilde Kielwasser zerstört wurden. Zwischen sehr schade und peinlich.

    Während wir uns fragen, ob Vollgas durch die Schutzklasse 1 wirklich zum UNESCO-Konzept passt, sitzen einige passiv, manche grinsend im Boot. Sie feiern den Motorenknall – echte Petrosexuelle, die Benzin und PS aufregender finden als Reiher und Kormorane.
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