• Sieg über das Volk

    September 20 in Romania ⋅ ☀️ 24 °C

    Wir stehen heute in Bukarest vor dem „Haus des Volkes“ – einem Bauwerk, das alles verschlingt. Zweitgrößtes Verwaltungsgebäude der Welt, endlose Korridore, Säle groß wie Kathedralen, hunderte Räume, von denen viele nie genutzt werden. Errichtet wurde dieses Monument in den 1980er-Jahren auf Befehl von Nicolae und Elena Ceaușescu. Es ist das Sinnbild ihres Größenwahns: Während Millionen Rumänen mit Lebensmittelmarken Schlange stehen, frieren, improvisieren, wächst hier ein Palast aus Marmor, Gold und Kristall.

    Die Kontraste könnten größer nicht sein – prekäre Lebensverhältnisse draußen, eine verschwenderische Bühne der Macht drinnen. Ceaușescu wollte mit diesem Bau den Sieg über sein Volk zementieren. Doch bald darauf kam die Wende: Weihnachten 1989, die Hinrichtung des Ehepaars durch eben jenes Volk, das sie gedemütigt hatten.

    Und heute? Wir fragen uns: Lieben die Rumänen dieses Gebäude wirklich – oder ist es eher eine Form der Traumabewältigung, eine ironische Aneignung der Vergangenheit? Touristen strömen hinein, nationale Symbole flattern darüber, und die Menschen sagen: Es ist Teil unserer Geschichte, ob wir wollen oder nicht. Ein Monument der Unterdrückung – und zugleich ein Spiegel des Sieges über den Diktator.

    Auf dem Weg nach Bukarest begegnen wir auf der Bundesstraße einem Pferdefuhrwerk mit einer ländlichen Familie. Auch nach 35 Jahren kommt Veränderung nur in kleinen Schritten.
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