• Ein Sonntag mit vier Religionen

    September 21 in Bulgaria ⋅ ☀️ 30 °C

    Heute ist Sonntag, blauer Himmel, 30 Grad – besseres Wetter können wir uns für unsere Fahrradtour durch Vidin kaum wünschen. Die Donaustadt empfängt uns mit Geschichte, Bäumen voller Schatten und einer besonderen Offenheit. Leider ist es knochentrocken und die Springbrunnen sind alle abgestellt.

    Wir besuchen die prächtige Dimitri-Kathedrale, fahren weiter zur Osman-Pazvantoglu-Moschee mit ihrer herzförmigen Turmspitze und der kleinen Bibliothek nebenan. Sie erinnern an eine Zeit, in der lokale Herrscher sogar innerhalb des Osmanischen Reiches ihre Unabhängigkeit behaupteten. Wenige Straßen weiter steht die Synagoge, die vom einst reichen jüdischen Leben zeugt – Vidin ist und bleibt ein Symbol religiöser Toleranz. Leider haben wir nur Euro dabei und können die Synagoge so leider nicht unterstützen. Bei den anderen Gelegenheiten klappt das Bezahlen mit Karte oder mit Euro besser.

    Am Stadtrand besichtigen die Baba-Festung, ein starkes Wahrzeichen Bulgariens. Sie erzählt vom Ringen zwischen Orthodoxie und Katholizismus, von Belagerungen und Aufbrüchen. Wer tiefer in die Antike eintauchen will, findet nur 30 Kilometer entfernt die römische Kolonie Colonia Ulpia Traiana Ratiaria bei Archar, gegründet unter Kaiser Trajan – ein wichtiges Zentrum der römischen Donauregion.

    Zwischen prächtigen Häusern des 19. Jahrhunderts und sozialistischen Plattenbauten entdecken wir gepflegte Plätze, viele alte Bäume und Platanen. Trotz aller Bescheidenheit wirkt hier alles ordentlich und sauber. Heute leben rund 40.000 Menschen in Vidin. Viele arbeiten in Landwirtschaft und Verwaltung, andere verdienen im Ausland und schicken Geld an ihre Familien zurück. Wie in vielen Regionen Bulgariens schrumpft die Bevölkerung, doch die Stadt bleibt lebendig – man kennt sich, man hilft sich. Auch einige Besatzungsmitglieder treffen sich mit ihren Familien am Donauufer.

    Eckpunkte der bulgarischen Geschichte begleiten uns überall: jahrhundertelange Türkenherrschaft, die hart erkämpfte Eigenständigkeit, später die Jahrzehnte kommunistischer Herrschaft. Heute blickt Vidin nach vorn – am 1. Januar 2026 wird Bulgarien den Euro einführen, und hier wartet man ebenso dringend wie gemächlich auf neue Impulse.

    Wir bleiben bis 22 Uhr, genießen das sommerliche Flair an der Donau und freuen uns abends auf ein Klassikkonzert – ein schöner Abschluss für unsere Erkundung einer weiteren europäischen Region. Wir schätzen die Vielfalt und das Unbekannte.
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