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- Day 1,223
- Friday, May 16, 2025 at 9:33 AM
- ☀️ 13 °C
- Altitude: 83 m
GermanyBergisch Gladbach50°58’45” N 7°7’35” E
Brief an die Bildungsministerin

Liebe Frau Feller,
vor ein paar Tagen besuchten Sie unsere Schule – die Nelson-Mandela-Gesamtschule in Bergisch Gladbach – mit den Worten: „Ich bin hier, weil Sie den deutschen Schulpreis gewonnen haben.“ Sie wollten das echte Schulleben kennenlernen und Ihre Eindrücke in Ihre Entscheidungen einfließen lassen.
Danke, dass Sie sich diese Zeit nehmen und bereit sind, genau hinzuschauen.
Ich durfte Ihren Besuch an unserer Schule mit der Kamera festhalten und Sie somit zwei Stunden lang begleiten.
Ich habe Sie als sehr zugewandt zu den Lernenden wahrgenommen; Sie wirkten auf mich authentisch und bereit, den Lehrkräften, der Schulleitung, den Schüler*innen und der Elternvertretung in einem offiziellen Rahmen zuzuhören.
Nachdem Sie Einblicke in den Unterricht erhalten hatten, gab es noch Möglichkeiten für ein Gespräch mit Vertreter*innen der Schule.
In der Kürze der Zeit konnten natürlich nicht alle Themen aus dem Kollegium besprochen werden. Deshalb möchte ich mich im Anschluss an Ihren Besuch noch einmal an Sie wenden:
Die Schulen, die Sie besuchen, haben den Mut, neue, noch unbeschrittene Wege zu gehen. Das kostet Kraft, Überzeugung und die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen. Es kostet uns aber auch Unmengen an Stunden, in denen wir Ideen besprechen, neue Konzepte entwickeln, Kolleg*innen und Schulleitungen von den Ideen überzeugen, Netzwerkarbeit betreiben und mit viel Beharrlichkeit Konzepte überarbeiten, verwerfen und überdenken.
In Unternehmen übernehmen diese Tätigkeiten Changemanager*innen; wir machen aktuell diese und viele weitere Dinge neben unserer Hauptaufgabe, dem Erziehen und Bilden.
Die Beweggründe, diese zusätzliche Arbeit zu leisten, sind verschieden; doch bei einer Sache sind sich alle einig:
Das heutige Schulsystem ist veraltet und nicht mehr zeitgemäß. Weder für die Lernenden noch für die „Lernortbegleitenden“ – Sie wissen schon, damit meine ich die: „alle an Schule beteiligten Personen“ ;-)
Es demotiviert einen Großteil. Ein anderer Teil der Kolleg*innen motiviert der Zustand ganz im Sinne des Bottom-up-Prozesses, die Dinge aus der Praxis heraus angehen zu können und aus der Ohnmacht in eine Handlungsfähigkeit zu kommen!
Welchen Stellenwert hat aber die Schulentwicklung für das Land? Und welche Entwicklungspotenziale ergeben sich daraus?
Bis zu einem entscheidenden Wendepunkt im Jahre 2023 habe ich neben meiner vollen Stelle inklusive Klassenleitung einer Inklusionsklasse und Unterricht in der Oberstufe folgende Zusatzaufgaben übernommen:
Fachvorsitz: Lernen im Projekt (Vor- und Nachbereitung der FKs, Durchführung der FKs, jährliche Einführung für neue Kolleg*innen, FK-Konferenzen, Evaluation der Konzepte, …)
—> 45 min./Woche oder war es sogar nur eine halbe Entlastungsstunde und somit nur 23,5 min./Woche, da bin ich mir gerade gar nicht mehr sicher.
So oder so hat mich diese Entlastung nicht ausreichend entlastet.
Für die Arbeit in der Steuergruppe: 2x 60 min./Woche Besprechung sowie die Vor- und Nachbereitung (unzählige Stunden für Präsentationen, Vorbereitung LK‘s, Protokolle, Zusammenfassungen von Arbeitsergebnissen, Netzwerktreffen: Schulen im Aufbruch o.ä.) bekam ich eine Entlastung von 45 min./Woche.
Das sind im Schuljahr circa 30 Std. oder auch 4 Arbeitstage in einem Büro ohne Störungen! Wenn wir zum Beispiel zu viert an der Entstehung eines neuen Faches arbeiten, investiert das Land somit 16 Arbeitstage, also circa 3 Wochen im Jahr in die Entwicklung, Einführung und Etablierung eines ganz neuen Faches!
Man könnte jetzt sagen, selber schuld wenn du so viel zusätzliche Arbeit in die Schulentwicklung steckst, und gleichzeitig würde sich ohne diese Investition so gut wie gar nichts bewegen, zumindest keine großen Transformationen angestoßen werden!
Ich würde langfristig an dieser Stagnation verzweifeln!
Ich erhole mich von der anstrengenden und völlig überfordernden Zeit vor ein paar Jahren, ich kenne meine Belastungsgrenze jetzt wesentlich besser und habe jegliche Sonderaufgaben abgegeben.
Gleichzeitig habe ich diese Kraft und den starken Willen in mir, die Veränderung wirklich vorantreiben möchte und den Schulalltag auch noch die kommenden Jahre gesund und mit ganzer Leidenschaft ausleben möchte. Dieser innere Konflikt des Wollens, aber unter den gegebenen Bedingungen nicht zu Könnens, beschäftigt mich täglich!
Der deutsche Schulpreis macht all diese Schulen sichtbar, an denen diese unsichtbare Mehrarbeit geleistet wird, an denen die Lernortbegleitenden häufig mit ihrer Gesundheit und ihrer Freizeit den Preis zahlen.
Ich möchte Sie zum einen gerne dazu einladen, demnächst mal Schulentwickler*innen zu besuchen und mal einen ehrlichen Blick auf ihre Arbeitsbedingungen zu werfen und mit dem Blick aus ihrer Perspektive nach gemeinsamen Lösungsansätzen zu suchen.
All denen, die über das Bilden und Erziehen hinaus ihren Horizont erweitern wollen und nebenberuflich das echte Leben bereichern und gleichzeitig Inspirationen in die Schule hereintragen, wäre es schön, wenn Sie diese Zugänge erleichtern und fördern würden.
Die Türen für Menschen mit anderen Professionen und im besten Fall aus unterschiedlichsten Generationen (studentische Hilfskräfte, systematisierte Patenprogramme der in Rente gehenden Boomergeneration, Coaches, Familienberatungsstellen,…) die in multiprofessionellen Teams die Schulen bereichern, dürfen noch weiter aufgestoßen werden, so entsteht mehr Zeitressource für Lehrkräfte zum Beispiel für Schulentwicklungstätigkeiten.
Außerdem wünsche ich mir die Öffnung in die andere Richtung: Lassen Sie Lernortbegleitungen über ihren Berufsort einfacher und flexibler mitbestimmen, fördern Sie Nebentätigkeiten oder zeitweise Ausstiege aus dem Schuldienst. Öffnen Sie die Stundendeputate und überprüfen Sie Schulentwicklungsarbeit mit dem Input-Output-Prinzip, das wird neue Impulse aus der „echten Welt“ in die Schule bringen.
Lernortbegleitende sollten in ihrer Laufbahn regelmäßig in außerschulische Orte (wie Unternehmen/Konzerne/Handwerk…) eintauchen, um die reale Welt, auf die sie die Lernenden vorbereiten, wirklich zu kennen!
Das Einreißen der Schulmauern wird das staubige Schulsystemgebäude mit neuem Glanz erstrahlen lassen und aus ihm kindgerechte und zeitgemäße Lernorte der Zukunft entstehen lassen sowie attraktive, flexible und moderne Arbeitsplätze.
Die Öffnung der Schulsystemtür ermöglicht mehr Menschen, an der bereichernden und so wirksamen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen teilzuhaben, löst langfristig den Lehrkräftemangel und bringt die Transformation im Bildungswesen endlich in den langersehnten Schwung!
Ich freue mich, von Ihnen zu hören!Read more
Gut gebrüllt Löwe! [Silke]
Zu lang. Am Anfang klingt es wie ein Zeugnistext. Mehr Dialog wäre mündlich besser möglich. [Sabine]
Wunderbar! [Heike]