Satellite
Show on map
  • Day 58

    Chachapoyas und der Gocta Wasserfall

    April 5, 2022 in Peru ⋅ ⛅ 19 °C

    Wir packen am Dienstag etwas missmutig unsere Sachen, verabschieden uns von Robert, tauschen noch Nummern (für eventuelle Verkaufsverhandlungen 😉) aus und machen uns auf den Weg in Richtung Inland und Berge.
    Máncora und vor allem das Máncora Beach Haus hat uns wirklich sehr gut gefallen und wir hätten ewig hier bleiben können, wollen aber unbedingt auch noch etwas von den Anden sehen. Und so tanken wir voll und rollen erst einmal los. Wie befürchtet, kommen wir nach knapp 100 km Fahrt bereits wieder zum Stehen, die erste Straßensperre von Streikenden zwingt uns zum Halten. Eine Handvoll Männer haben ein paar alte Autoreifen und anderen Müll in Brand gesetzt und lassen keinen durch. Unsere schlaue Idee, die Barrikade über eine Schotterpiste zu umfahren, funktioniert nicht, da die Straße einfach vor einem Hügel endet. So blöd sind die Herren dann auch nicht 😄. Nach einer guten halben Stunde kommt aber bereits die Polizei und kurz darauf dürfen wir und alle anderen Wartenden dann weiterfahren. Wir müssen auf der weiteren Strecke an diesem Tag noch zwei mal wegen solcher Barrikaden stoppen, einmal kommen wir mit der Zahlung von 5 Sol (~1,20 €) weiter, einmal hängen wir uns einfach an einen LKW, der durchgelassen wird und schummeln und so mit durch. Schließlich kommen wir aber besser als erwartet voran und in dem kleinen Örtchen Olmos an. Bei unserer Ankunft ist es dort wie ausgestorben, wir finden nicht so richtig etwas zum Essen und wollen daher noch den Supermarkt im Nachbarort aufsuchen. Auf dem Weg dorthin werden wir aber mit einer neuer Straßensperre überrascht, diesmal mit etwas größerer Rauchwolke und vielen Polizisten auf der einen und Locals auf der anderen Seite. Zwei Männer aus dem Dorf geben uns zu verstehen, dass wir hier schleunigst verschwinden sollen, also wenden wir den Wagen und wollen aus sicherer Entfernung dem Treiben zuschauen. Allerdings fallen plötzlich „Schüsse“, (wir vermuten oder hoffen, es sind Schreckschusspistolen, wissen aber auch nicht genau wie das normalerweise klingt) und die Einheimischen rennen mit Steinen bewaffnet umher, so dass wir uns nun doch ganz aus der Ecke entfernen 🏃🏻🏃🏽‍♀️ und ins Hotel zurück gehen, um nicht zwischen die Fronten zu geraten. Dann gibt es heute eben nur Brot mit Käse und etwas angetrocknete Donuts 🍩🤨😅.

    Am nächsten Morgen hat sich die Lage beruhigt und so langsam kommen wir dann auch in die Berge und schlängeln uns langsam über endlose Serpentinen immer weiter hinauf, die Sonne wechselt sich mit dichtem Nebel ab und während ich „etwas“ panisch zwischen Tankanzeige und Google Maps auf der Suche nach der nächsten Tankstelle hin und her schaue, sind wir von der Aussicht völlig hin und weg. Irgendwann geht es dann auch wieder bergab (was mich entspannt) und plötzlich müssen wir wieder anhalten. Dieses Mal aber nicht wegen des Streiks, eine Baustelle versperrt den Weg. Wir stehen hier ca. eine Stunde, bevor uns die ersten Autos wieder entgegenkommen und anschließend wir endlich weiter können. Vermutlich wird hier hin und wieder die ganze Straße gesperrt, um kleinere Bauarbeiten durchzuführen. Aber nun rollen wir mit den letzten Tröpfchen Benzin in das Örtchen Pucará, die Reichweite wird schon gar nicht mehr angezeigt und gleich zwei Tankstellen sorgen dafür, dass ich langsam wieder atmen kann 🥵🤯😅. Manu versteht den ganzen Wirbel nicht, er kennt halt seinen Hyundai 😆 😂 und lässt den Wagen tiefenentspannt volltanken.
    Nach einer kurzen Pause geht es dann weiter, wir essen in Bagua Grande noch zu Mittag und kriegen hier ein ganzes Menü (Suppe, Hühnchen mit Reis/Nudeln und Limo) für je 2 €. Wir hätten zwar bei unserem Hunger sicherlich alles gegessen, es war aber auch wirklich lecker. Nach nur kurzer Weiterfahrt stehen wir allerdings schon wieder an einer Baustelle, immerhin an einer Stelle, an der ein paar Locals kalte Getränke, Eis und andere Snacks verkaufen, denn hier stehen wir nun 2,5h. So langsam haben wir uns etwas an die Lebensweise hier angepasst und auch verinnerlicht, dass wir es momentan weder eilig haben noch an der Situation etwas ändern können, hören Podcast, betrachten das Treiben auf der Straße und warten einfach 🤷🏽🤷🏻‍♀️. Es ist bereits dunkel als wir weiterfahren können und so kommen wir erst kurz vor 21 Uhr in Chachapoyas an.
    Wir checken in unserem Hotel ein und finden zufällig noch ein tolles und schön eingerichtetes Restaurant zum Abendessen. Im El Batán Del Tayta wird uns der Cocktail „Caspiroleta de Hormigas“ empfohlen, ein Cocktail mit Vanille, Zimt, einem Hauch von Kaffee, Panela aus Cocachimba, aromatischen Kräuter aus der Region und einer Prise Milchcreme, garniert wird das Ganze mit einigen gerösteten Hormigas Ameisen 🐜😳. Sie soll sehr gesund sein und noch besser für die Haut. Manu zögert (nach einem kurzen prüfenden Blick, ob sie wirklich tot sind) nicht lange und wirft sich die erste Ameise in den Mund, während ich noch überlege, wie schlecht meine Haut eigentlich ist 🤷🏻‍♀️.
    Ok, eine probiere ich auch, sie schmecken relativ unspektakulär nach gar nichts, sind knusprig und lassen sich mit dem wirklich leckerem Cocktail gut runterspülen. Mir hat aber mein Kopf längst verklickert, dass ich insbesondere diese Beinchen irgendwie ekelig finde. Während Manu die restlichen Tiere vergnügt verspeist, setze ich meine daher möglichst würdevoll auf den Untersetzer und schlürfe den Cocktail ohne Einlage 😁.
    Das Essen ist dann aber für uns beide super lecker. Als Vorspeise gibt es für mich „Barachos“, eine Art Wan-Tan, gefüllt mit Schweinefleisch, etwas Käse, Pfefferminze und Vanille als Topping und Karob-Sauce. Manu isst das „Leche de tigrillo“, einen Mix aus Forellenstücke, frischem und geröstetem Mais, Garnelen und Huacatay.
    Danach gibt es dann das „Tropezones del chaesique“ (Fusion von peruanischen und orientalischen Aromen, hergestellt aus Ananasstücken, Schweinerippchen mit süß-saurer Sauce, serviert mit gebratenem Reis und Wan-Tan) und das „Milanesa Shacshina“ (Spiegeleier und gebratene Kochbananen auf paniertem Hühnersteak serviert mit Pommes frites und Salat). Zwar klingt das ein oder andere erstmal seltsam, es war aber alles richtig lecker und wir können müde und pappsatt ins Bett.

    Den nächsten Tag lassen wir ruhig angehen, die lange Fahrt steckt uns doch noch in den Knochen. Wir schlendern ein wenig durch die hübsche Stadt und müssen hier auf fast 2.500 Metern die Badesachen gegen Jeans und Pulli eintauschen. Nach den wirklich heißen und schwülen Tagen am
    Meer, tut uns das aber auch ganz gut. Wir besuchen noch den Mirador del Cañon de Huancas Sonche in der Nähe von Chachapoyas. Eigentlich haben wir aufgrund von Fotos anderer Besucher nicht so viel erwartet, wurden dann aber von dem 11 km langen und 962 m tiefen Canyon völlig überrascht und waren begeistert. Allerdings sind wir nach dem kurzen Aufstieg auf hier fast 3000 Höhenmeter so außer Atem und spüren die Auswirkungen das erste Mal so richtig. Das kann ja noch heiter werden 😮‍💨😮‍💨.

    Am Freitag geht es dann morgens direkt in das knapp 1h entfernte Cocachimba. Wir können bereits am Vormittag hier in unser schönes Zimmer mit Blick auf den Gocta Wasserfall einchecken und machen uns auch kurz darauf auf den Weg dorthin. Die Wanderung beginnt direkt an unserer Unterkunft und führt schnell durch dichten Regenwald. Zwar sind wir nicht mehr ganz so hoch wie in Chachapoyas, dafür ist es unglaublich schwül und warm und wir sind beide nach kürzester Zeit völlig durchgeschwitzt, dazu geht es stetig nur bergauf oder bergab und wir empfinden die Wanderung als wirklich anstrengend. Auf dem Weg sehen wir bereits immer wieder den Wasserfall aus der Ferne, halten erfolglos Ausschau nach dem auffällig orangefarbenen Andenfelsenhahn (das ist auch der Nationalvogel Perus), bekommen dafür einen kleinen Hund als kurzzeitige Wegbegleitung und sind nach knapp 5,5 km endlich angekommen. Wow!

    Der Gocta Wasserfall wurde von Stefan Ziemendorff, einem deutschen Entwicklungshelfer erstmals 2002 während einer Expedition in dem unwegsamen Naturreservat erblickt, Ende Februar 2006 kehrte Ziemendorff mit einem peruanischen Forschungsteam zurück, um die Vermessung vorzunehmen. Es war gar nicht so einfach, ein Team zu finden, das ihm den Weg zeigte, da sich zwei Mythen um den Wasserfall ranken, dessen Nähe die Nachfahren der Chachapoya fürchteten und dessen Existenz sie deshalb angeblich geheim zu halten suchten – lange konnte man den Gocta auf keiner Karte finden. So geht die Legende von einer schönen Meerjungfrau aus, die in der Lagune des Wasserfalls wohnt, einen Schatz beschützt und Männer zu sich in die Tiefe zieht (was ich zu verhindern weiß ☝🏻). Die andere Legende handelt vom Bauer Juan Mendoza, der auf unerklärliche Weise in der Nähe des Wasserfalls verschwunden sei; dem Glauben nach wurde Mendoza in einen Felsen verwandelt und muss sich nun mit seinen Schultern der gewaltigen Wassermassen wehren, die von oben herabstürzen.
    Schlussendlich fand Stefan Ziemendorff aber ein Team und die Vermessung ergab eine Gesamthöhe des eigentlich aus zwei Fällen bestehenden Gocta von 771 Metern. Er und die Einheimischen berufen sich dabei auf Angaben der National Geographic Society (das tun wir im Übrigen auch), die auch unterbrochene Wasserfälle zulässt und so stehen wir also vor dem drittgrößten Wasserfall der Welt 🥳🥳.

    Wir verbringen hier noch einige Zeit, die Sonne strahlt uns an und wir bewundern einfach ein weiteres Wunder der Natur 🤩🤩.
    Eine Meerjungfrau ist übrigens nicht aufgetaucht und so können wir uns irgendwann auch gemeinsam wieder auf den Rückweg machen und schleppen uns am Ende die letzten Stufen zu unserem Zimmer hoch. Nach dieser insgesamt nicht wahnsinnig langen, aber super anstrengenden Wanderung sind wir fix und fertig.
    Nach einer heissen Dusche und etwas Entspannung treibt uns der Hunger aber noch einmal ins Dorf, über dem mittlerweile ein dichter Nebel hängt. Die Restaurants haben leider alle zu und so setzten wir uns in die einzige kleine Bar im Ort. Bereits darauf eingestellt, sich mit etwas Bier sättigen zu müssen, kriegen wir hier aber dann neben einem eiskalten Bier noch einen einfachen und leckeren Burger und können dann tot müde, aber glücklich und satt ins Bett fallen.
    Read more