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  • Day 208

    Johannesburg

    September 2, 2022 in South Africa ⋅ ☀️ 22 °C

    Am Freitagnachmittag kommen wir in Johannesburg an und beziehen eine tolle Loft-Wohnung, die wir über AirBNB gefunden haben und die im hippen und sicheren Viertel Maboneng liegt. Wir sind die letzten vier Tage unserer Südafrikareise hier und haben vor allem noch ein paar organisatorische Dinge zu erledigen. Unser Gastgeber führt uns nach unserer Ankunft noch ein bisschen durch das Viertel und zeigt uns ein paar schöne Ecken und Läden, wo er zufällig auch jeden kennt 😏 und meint, hier kann man sich sehr sicher fühlen und frei bewegen, nur auf sein Handy sollte man aufpassen.

    Für uns heißt es jetzt aber erst mal wieder Wäsche waschen und alles ausräumen, bevor wir dann am Abend noch ein wenig durch das Viertel streifen.
    Johannesburg ist leider immer noch bekannt für seine hohe Kriminalitätsrate und auch in unserem vermeintlich sicheren Viertel ist auf jeden Fall Vorsicht geboten. Dennoch fühlen wir uns hier wirklich wohl und schauen von einer Bar im ersten Stock dem bunten und geschäftigen Treiben auf der Straße zu, immerhin ist es Freitag Abend und vor allem die jungen Leute haben sich ordentlich rausgeputzt und fahren auch zahlreich in ihren Mercedes, BMW und weiteren (meist deutschen) hochpreisigen Karosserien vor.

    Als wir zurück in das Loft kommen, stehen wir erst mal im Dunkeln…der Strom ist ausgefallen.
    Wir denken zuerst, es ist mal wieder Zeit für „Load Shedding“.
    In Südafrika ist seit vielen Jahren das sog. Load Shedding Teil des Lebens der Bevölkerung. Load Shedding bedeutet, wenn die Nachfrage nach Strom das verfügbare Angebot übersteigt, müssen geplante Versorgungsunterbrechungen durchgeführt werden.
    Es ist eine kontrollierte Art, den verfügbaren Strom zwischen allen Strom-Kunden der Firma Escon (die für 95% der Stromversorgung verantwortlich ist) zu verteilen.
    Nach Angaben des Energieversorgers werden betroffene Bereiche nicht länger als zwei Stunden am Stück unterbrochen, Kunden können in den meisten Fällen im Voraus über Unterbrechungen informiert werden. Es wird auch auf Rotationsbasis durchgeführt. Engpässe im Stromsystem bringen das Netz aus dem Gleichgewicht, was zu einem Zusammenbruch führen kann; durch das geplante und kontrollierte Drehen der Last soll das System stabil bleiben. Was für uns (noch?) völlig verrückt klingt, hängt hier leider nicht zuletzt mit den kriminellen Machenschaften und absolutem Fehlmanagement des Energieversorgers sowie untätiger Regierung zusammen.

    Am nächsten Morgen stellt sich allerdings heraus, dass der Strom immer noch nicht wieder da ist und es sich nicht um das Load Shedding handelt. Unser Vermieter sagt, gegen Mittag sollte alles wieder funktionieren 😑.
    Also fahren wir erst einmal wie geplant mehrere Postämter ab, wir wollen unsere Campingsachen nun doch endlich los werden, nachdem wir sie bereits in Südafrika aufgrund der Kälte nicht mehr gebrauchen konnten und in Asien auch nicht brauchen. Allerdings stellt sich das Unterfangen als nicht so leicht heraus. Das erste lokale Postamt verweigert die Annahme wegen der Größe des Paketes 😳, das zweite sagt uns, die dürfen keine Campingsachen verschicken, weil es so etwas hier nicht gibt 🤨 und als wir schließlich bei DHL landen, soll der Spaß über 300 € kosten und damit ein Vielfaches mehr als an Wert überhaupt im Paket ist. Also fahren wir frustriert mit dem Paket wieder nach Hause und wissen noch nicht so richtig, was wir jetzt damit machen sollen. Der Strom ist immer noch nicht da und wir sind bereits langsam genervt, da uns das Loft für die Selbstverpflegung reichlich wenig bringt, wenn weder Kühlschrank noch Herd oder sonstige Küchengeräte funktionieren 😔.
    Da wir es aber nun nicht ändern können, gehen wir in ein kleines Lokal, in dem auch viele andere Backpacker und Locals herumhängen und machen uns dann eben hier mit all den netten Leuten noch einen gemütlichen Nachmittag, bevor wir uns auf den Weg ins unglaublich riesige FNB Stadium (auch Soccer City genannt) machen. Es spielen die Kaizer Chiefs aus Johannesburg gegen die Mannschaft AmaZulu aus Durban. Schon von weitem hört man die uns noch all zu gut bekannten Vuvuzelas dröhnen und wir freuen uns, mit den anderen Fans hier zu sein. Das Stadion der Fußballweltmeisterschaft 2010 ist natürlich viel zu groß, um es jetzt für solche Fußballspiele auch nur annähernd voll zu bekommen, immerhin passen hier knapp 95.000 Menschen rein 😱. Die heute ca. 15.000 Gäste 🤣 haben aber riesigen Spaß und machen eine tolle Stimmung, so dass ich mich eigentlich mehr auf sie als auf das Spiel konzentriere.
    Dieses geht dann auch unspektakulär mit 0:0 aus, aber die 3,50 € pro Ticket waren es auf jeden Fall wert. Auf dem Weg nach draußen, werden wir noch von einer jungen Frau und ihrer Familie nach einem Foto gefragt, weil es sie sehr freut Touristen beim Spiel „ihrer“ Mannschaft zu sehen und verabschieden uns dann zurück in unser Viertel. Da viele aus dem Lokal von heute Mittag auch zum Spiel gegangen sind, haben wir uns nach dem Spiel dort wieder getroffen und haben noch einen super lustigen Abend mit Leuten aus aller Welt 😍.
    Als wir schließlich nach Hause kommen, geht immerhin auch der Strom wieder, nur der Kühlschrank streikt weiterhin…

    Am nächsten Tag stand nun nur noch das Apartheid Museum an, welches ich gerne sehen wollte, was uns dann allerdings ein wenig enttäuschte. Es ist ein sehr schöner und ziemlich großer Bau, zu Beginn gibt es zwei Eingänge, für die Weißen und die Nicht-Weißen. Zu welcher Gruppe man gehört, entscheidet das Ticket für den Eintritt nach dem Zufallsprinzip und entsprechend wählt man den Einfang. Es folgen viele (wirklich unglaubliche) Schilder und Bilder zur damaligen Rassentrennung, bevor es dann leider für uns etwas unübersichtlich wurde. Es ist alles aus dem letzten Jahrhundert dargestellt, viele Bilder mit noch mehr Text aber ohne, dass man auf Anhieb die Reihenfolge oder richtige Richtung der Ausstellung verstehen würde, was das Ganze sehr anstrengend macht. Außerdem gab es noch eine extra Nelson Mandela Ausstellung, die zwar auch ganz interessant aber für uns viel zu vollgepackt war. Da haben wir uns irgendwie etwas mehr erhofft 😔.

    Passend hierzu hatten wir überlegt, ob wir das größte Township Südafrikas besuchen sollten. Das South Western Townships (kurz: Soweto) ist eine „Stadt“, die während des Apartheidsystems als Township für Schwarze entwickelt wurde. Mit mittlerweile über 3,5 Millionen Einwohnern ist das Township die größte städtische Siedlung von Schwarzen in Afrika mit einer reichen politischen Geschichte. Soweto war das Zentrum politischer Kampagnen, die auf den Sturz des Apartheidstaates abzielten. Der Studentenaufstand von 1976, auch bekannt als Soweto-Aufstand, begann in Soweto und breitete sich auf den Rest des Landes aus.
    Damals, ab dem 16. Juni 1976 erschütterten Schüler- und Studentenproteste Soweto, die sich gegen eine Direktive der Regierung richteten, in den höheren Schulklassen zur Hälfte auf Afrikaans statt auf Englisch zu unterrichten. Die Unruhen forderten über 500 Opfer. Soweto wurde somit zum Symbol des Kampfes gegen die Apartheid und der Soweto Day – heute Youth Day – erinnert seit 1995 als Nationalfeiertag an dieses Ereignis.

    Sowetos Wachstum war phänomenal – aber ungeplant. Trotz der Versuche der Regierung, den Zustrom schwarzer Arbeiter in die Städte zu stoppen, zogen Wellen von Wanderarbeitern vom Land und aus den Nachbarländern hierher, um in der Stadt des Goldes nach Arbeit zu suchen. Auch heute leben hauptsächlich Schwarze in Soweto. Viele Menschen aus ländlichen Gebieten kommen in den Stadtteil, um in angrenzenden „weißen“ Stadtteilen von Johannesburg und umliegenden Nachbargemeinden Arbeit zu finden. Doch passende Jobs sind rar und somit entstehen innerhalb kürzester Zeit immer neue kleine Armutssiedlungen.
    Und Soweto wird eben auch zunehmend von Touristen besucht. Viele Gebiete in Soweto, wie Dube oder die Extensions (deutsch „Erweiterungen“) wie Diepkloof Extension, werden vom schwarzen Mittelstand bewohnt und gehören damit zu den sichersten Gebieten in Johannesburg. Informelle Siedlungen wie Kliptown hingegen sind von Ärmeren oder den Ärmsten bewohnt und gehörten, wie einige Favelas in Brasilien, zu den gefährlichsten Orten der Welt. Es gibt heute unzählige Touranbieter, die dich zu Fuß, auf dem Fahrrad oder per Tuk-Tuk durch das Township bringen, vorbei an den damaligen Wohnorten der beiden Friedensnobelpreisträger Nelson Mandela und Desmond Tutu in der Vilakazi Street und natürlich auch in die Armenviertel.

    Wir haben uns aber schlussendlich gegen eine Tour entschieden. Auch wenn dort zum Teil mittlerweile vom Tourismus profitiert wird, waren wir von der Idee, mit Kamera und Guide durch die aller ärmsten Viertel zu laufen, um uns diese Armut mal anzuschauen, nicht weiter zu begeistern. Nicht, weil wir die Augen davor verschließen wollen, sondern den Mehrwert für die Leute dort und uns nicht erkennen konnten. Die meisten Touren sind hochkommerziell und so undurchsichtig, dass einem nicht klar wird ob und welches Geld den Bewohnern zu Gute kommt. Zudem bleibt uns immer der Gedanke an einen Zoo im Kopf.
    Um Armut und üble Wohnverhältnisse zu sehen, reicht es durch andere Viertel in Johannesburg (oder Südafrika) zu fahren. Auf unserer „Post-Tour“ kamen wir dabei bereits an so vielen unglaublich üblen Ecken vorbei, dass wir einen Eindruck bekommen haben. Denn klar ist auch, wählt man eine solche Tour, will man nicht die mittlerweile gut situierten Viertel sehen…
    Lange Rede, kurzer Sinn, wir haben nach einigen hin und her überlegen Soweto bewusst ausgelassen.

    Schlussendlich müssen wir auch sagen, dass Johannesburg für uns kein Hauptziel auf der Reise durch das Land war und es ist eben leider auch immer noch so, dass hier (z.B. im Vergleich zu Kapstadt) noch die meisten Teile (nach unserem Empfinden) wenig gut und sicher zu besuchen sind. Von daher hatten wir eine kurze und für uns schön gestaltete Zeit mit lieben Leuten und nun heißt es für uns nur noch, den Mietwagen abgeben, alles für den nächsten Flug nach Asien zu packen und vorzubereiten und dann früh schlafen zu gehen.
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