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  • Day 68

    Smalltalk mit Gott

    November 11, 2018 in South Africa ⋅ ⛅ 21 °C

    Diesen Sonntag waren wir das erste Mal in einem südafrikanischen Gottesdienst. Eingeladen wurden wir von unserer Kollegin und Freundin Noni, welche selbst Mitglied in der freien (ich glaube katholischen aber auf jeden Fall christlichen) Kirche ist. Grund der Einladung war ein spezielles Jugendevent, dass von Donnerstag bis Montag gefeiert wurde. Bei dem Kirchengebäude handelte es sich um einen kleinen betonierten Raum mitten im Township. Der Boden bestand aus einem grau-weiß-Mix mit einem großen roten Kreuz entlang des Mitttelgangs. Im Raum waren Stühle und Bänke für die Leute verteilt, und Wände waren mit weißen und roten Vorhängen geschmückt worden. Am Kopfende des Mittelgangs war eine kleine Freifläche, welche immer wieder für Tänze benutzt wurde und dahinter, etwas nach links (vom Eingang aus) verrückt, die Kanzel mit einer Bank dainter, wo die hochrangigen Gemeindemitglieder saßen. Kaum hatten wir den Raum betreten, wo ich mich zu den anderen setzten wollte, wurde ich darauf hingewiesen, dass ich als Junge getrennt von den anderen auf der Männerbank am rechten Ende des Raumes sitzen sollte. Ich fand den Sitzplatz zuanfang nicht besonders toll, da ich wie auf dem Präsentierteller für alle Gemeindemitgleder (schätzungsweise 60-70 Leute) saß. Die Mädels dagegen saßen wie alle anderen Frauen, auf den Bänken im Raum, bevor sie dann auf eine eigene Bank mir gegenüber gesetzt wurde. Dafür stellte ich fest, dass ich einen sehr guten Blick auf das Geschehen an der Kanzel und davor hatte, was jedoch keinesfalls so ruhig und kühl wie in Deutschland blieb. Bevor ich mit dem Gottesdienst anfange zuerst noch eine kleine Bemerkung zu der traditionellen Kleidung der Mitglieder. Der Dresscode schrieb für die Männer Buisnesslook mit schwarzem Jacket und Hose nach Wahl vor, während die Frauen weiße Kleider und Mützen trugen, was einen im ersten Augenblick an Krankenschwesteruniformen während des zweiten Weltkriegs (siehe Film Pearl Harbor) erinnern ließ. Dazu ein rote Krempe.
    Der Gottesdienst begann mit einem Tanz, der uns Begrüßen sollte. Die Musik war hauptsächlich Acapella und die einzigen Instrumente waren kleine Kissen, auf die man schlug und deren dumpfes Klopfen den Takt vorgab, so wie verschiedene Rasseln.
    Im Anschluss wurde aus der Bibel vorgelesen – leider auf Xhosa. Zum Glück hatte mein Sitznachbar auf seinem Tablet eine Xhosa – Englisch-Übersetzung der Bibel, damit ich mitlesen konnte. Die Predigt handelte unteranderem von dem Buch Exodus, soviel ich verstehen konnte. Danach wurde wieder getanzt und dann ein paar Kinder getauft. Es gab ein Abendmahl, wobei der Traubensaft aus Shotgläsern getrunken wurde und dann eine Predigt. Zu diesem Zeitpunkt waren wir bereits um die zwei Stunden im Gottesdienst und es wurde spürbar wärmer und begann zu müffeln. Kleiner Reminder: bei uns fängt bald der Sommer an :). Jedenfalls wurde es ab diesem Zeitpunkt richtig merkwürdig, denn die Predigt war kein normaler ruhig gesprochener Text passend zum Thema, sondern nach nur wenigen Minuten sprach der Pastor nicht mehr normal, sondern schrie die Menge förmlich an. Das Rumgebrülle sollte uns wohl einschüchtern, während er uns die Wahrheit über die Welt vermittelte oder so, zumindest war das mein Eindruck, denn alle waren mucksmäusschen still, während der Pastor extatisch am rumschreien war. Dabei fuchtelte er noch mit den Armen herum, was die ganze Situation noch skuriler und meiner Meinung nach etwas lächerlich machte.
    Aber damit nicht genug, danach wurden die Mitglieder in Gruppen auf die kleine Fläche vorne gebeten und sollten die Augen schließen, während vier hochrangige Mitglieder herumliefen, sie anbrüllten, Jesus dankten und ihre Köpfe packten und schüttelten, als würden sie versuchen, ihnen den Glauben einzuprügeln. Aber die Gehirnwäsche funktionierte! Einige Mitglieder brachen in Tränen aus , während andere es nicht wagten eine Miene zu verziehen. Nach etwa vier Stunden Gottesdienst kam Noni zu uns, um uns nach draußen zu begleiten, dort gab es noch etwas zu essen, bevor wir wieder Nachhause fuhren. Insgesamt würde ich sagen, war die Kirche eine der krassesten und merkwürdigsten Erfahrungen war, die ich hier nicht wieder brauche. Der Gottesdienst im Ganzen dauerte übrigens 11 Stunden...
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