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  • Day 85

    Das Township

    November 28, 2018 in South Africa ⋅ 🌬 17 °C

    Das Walmer Township in dem ich arbeite, offizieller Name hier Gqebera, ist das einzige stadtinterne Township, dass man in Port Elizabeth finden kann. Laut einer Einwohnerzählung leben hier angeblich ca. 30.000 Menschen, die Dunkelziffer wird jedoch deutlich höher geschätzt. Es liegt neben dem Flughafen und hat eine ganz besondere Bedeutung in der Geschichte der Stadt. 1898 kam es im Zuge der Apartheit zu einer Stadträumung, bei der bisher überwiegend „schwarze“ Wohnviertel nach außerhalb der Stadt verlegt wurden, um neuen Wohnraum für die weiße Bevölkerung zu schaffen. Im Walmer Township gab es jedoch starke Gegenproteste und die Einwohner weigerten sich zu gehen. Unterstützt wurden sie dabei von einigen weißen Familien aus dem anliegenden Suburb (unsere Wohngegend). Die vorerst nobel erscheinende Geste hatte jedoch mehr praktische und eigennützige Gründe, da man es als vorteilhaft erachtete, wenn die Angestellten möglichst nah am eigenen Stadtviertel wohnten, da die Pünktlichkeit und Verfügbarkeit wesentlich besser waren. Dennoch war dies einer der Mitgründe, warum das Walmer Township, oder einfach nur „Walmer Location“ von den Bewohnern gennant, bis heute existiert.
    An der Situation von damals hat sich meiner Einschätzung nach, jedoch noch nicht viel geändert. Die Entwicklung/Tendenz sieht zwar besser aus, aber eine Verbessung des Lebensstandarts im Township hat gerade erst begonnen. Ein Beispiel dafür ist, dass es sich die südafrikanische Regierung zum Ziel gesetzt hat, jedem Einwohner ein richtiges kleines Steinhaus zu bauen. Mein Arbeitsplatz liegt relativ am Eingang des Townships, wo die meisten Wellblechhütten gegen solche Häuser ersetzt wurden, weshalb ich lange Zeit dachte, unser Township wäre eine Art edles oder besonders wohlhabendes Township im Vergleich zu den anderen, die man aus den Nachrichten kennt. Das war eine Fehleinschätzung. Nach einer Township-Tour in der zweiten oder dritten Woche mit unserem Mentor Jonas, in welcher wir tiefer in die Location fuhren, sah ich viele Blechhütten eng aneinander gereiht und verfallende Steinhäusschen, deren Bewohner zwar die vom Staat versprochene Unterkunft erhalten hatten, aber nicht über die Mittel verfügten, diese in Schuss zu halten, geschweige denn selbst reparieren zu können. Kleine Anmerkung: laut Jonas ist so ein Steinhaus etwa 5000 Rand wert, was umgerechnet ca 300 Euro entspricht. Daran zeigt sich schon, dass die subventionierten Häuser ohnehin nicht wirklich das Beste sein können. Ein anderer Grund für eine Verbesserung ist, dass sich immer mehr Organissationen für das Township einsetzen, vorzugweise NGOs, wobei Masifunde soweit ich es einschätzen kann, eine der Größten ist.
    Besonders das Viertel Airport Valley hat es schwer getroffen. Es ist der ärmste Teil des Townships und liegt direkt neben dem Flughafen, weshalb es der Stadtverwaltung immer ein Dorn im Auge war, aber bis heute nicht geräumt werden konnte. Die Bewohner sind auch sehr stolz auf ihre Geschichte und das es ihnen bis heute gelungen ist, sich erfolgreich gegen Räumungsversuche zu wehren. Zudem leben hier mittlerweile bei weitem nicht nur noch Südafrikaner, sondern auch Somalier, Leute aus Simbabwe, Nigeria und und und. Dabei ist der Rassismus, zu dem es eventuell auch noch einen eigenen Blogeintrag gibt, unter den Afrikanern angeblich schlimmer, als zwischen der schwarzen und der weißen Bevölkerung. Gewalt gegen Ausländer anderer afrikanischer Länder ist nich unüblich und es kommt schnell zu Eifersucht und Gewalttaten. Insgesamt herrscht ein großes Problem im Township mit Gewalt, Alkohol- und Drogenmissbrauch, Teenagerschwangerschaften, Überfällen und vielen anderen teilweise sehr heftigen Problemfeldern.
    Darum gibt es auch einige Regeln, wie man sich im Township zu verhalten hat: zum Einen darf man nie ohne Begleitung weiter ins Township hingehen, als den Arbeitsweg selbst und es gibt viele Gebiete, in denen seit Jahren keine Weißen mehr herumgelaufen sind und überhaupt erst seit Masifunde regelmäßig Leute für seine Projektarbeit ins Township schickt und regelmäßig jedes jahr neue Freiwillige hierhin kommen, war es für die Leute normal, Bewohner aus dem Suburb etc zu treffen. Außerdem sollte man niemals Wertsachen offen mit sich herumtragen, da es sogenannes Grab-and-Run gibt, wo einem das Handy oder was auch immer einfach aus dem Nichts aus der Hand gerissen wir und der Betroffene erst gar nicht realisiert, was passiert ist, ist der Dieb schon längst über alle Berge. Oder man wird direkt überfallen, da gibt es beispielsweise eine Abkürzung zu unserer Arbeit, die ein paar von uns zu Anfang mehrmals genutzt hatten, bis wir darauf hingewisen wurden, dass es ein No-Go wäre, hier entlang zu laufen, da die Überfallgefahr auf den circa 200m bei gefühlt 95% liegt. Es soll wohl Kids geben, die aus den anliegenden Büschen springen und einen mit Messern und manchmal sogar Handfeuerwaffen bedrohen. Aber genug davon, zur Kriminalität habe ich ja bereits etwas geschrieben. Jedenfalls nehme ich meine Kopfhörer fast immer ab, wenn ich das Township betrete und überprüfe meistens nochmal, ob alle Reisßverschlüsse an meinem Rucksack zu sind und nicht wertvolle Sachen offen zu sehen ist.
    Das größte Problem des Townships liegt jedoch in der Bildung der Bevölkerung. Zwar gibt es eine Grund- und weiterführende Schule (Hier Primary und High School), aber nach einer in den letzen Jahren, glaube ich, aufgeführten Statistik schaffen es im Schnitt von 100 Schülern, die die Schule besuchten nur etwa 56 in die zwölfte Klasse, 13 von ihnen bestanden die Abschlussprüfungen und nur von zweien war das Ergebnis gut genug, um sich an den südafrikanischen Universitäten zu bewerben. Dieser schlechte Schnitt ist der Hauptgrund, warum schon in der Primary School viele Kids es aufgeben, die Schule zu besuchen oder für Prüfungen anständig zu lernen, da die meisten davon ausgehen, es ohnehin nicht zu schaffen, die Final Exams zu bestehen, wenn sie denn bis dahin kommen. Hinzu kommen teilweise extreme familiäre Belastungen, häusliche Gewalt, viele Waisen, die bei Verwandten aufwachsen, Kataststophen und und und.
    Fazit: Insgesamt schätze ich, dass Walmer Township eigentlich gute Chancen hat, in Zukunft zu wachen und seinen Bewohern einen besseren Lebensstandart bieten zu können, da Regierung und und Nicht-Regierungs-Organisationen sich immer mehr für die Leute einsetzten. Davor gilt es jedoch, einige Probleme zu lösen und vor allem die große Bildungslücke zu schließen, damit mehr Kids es auf die Uni schaffen, um später im Township neue soziale Strukturen aufzubauen und eine neue Generation Kinder frei von Gewalt großzuziehen.
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