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  • Day 87

    70. Etappe-San Gimignano-Monteriggioni

    September 25, 2023 in Italy ⋅ ☀️ 14 °C

    Gestern Abend war das Abendessen mit Liebe von den hospitaleros, den Ehrenamtlichen, die hier wochenweise für Pilger da sind, gekocht worden. Kein Vergleich zum bezahlten Abendessen von gestern. Es gab Bruschetta mit Olivenöl und Rosmarin, Caprese, Pasta mit Hackfleisch und Zucchini, Backofenkartoffeln, Kuchen. Es ist schön mit den Pilgern zusammen zu essen, eine Pilgerfamilie. Die Frau hat aber sehr viel gesprochen und ich wurde komatös müde nach dem Essen, so dass ich mehrmals am Tisch eingeschlafen bin, dann kann ich auch dem Kontext nicht mehr folgen.
    Am nächsten Morgen frühstückten wir alle um sieben und gingen gemütlich los. Das Dorf war noch völlig unbelebt und ich machte noch einige Fotos. Auf dem Weg traf ich den Norweger und wir liefen eine Weile gemeinsam hintereinander. Der Weg ging auf und ab durch Wald und neben großen Wiesen. Eins fehlte: keine Mücken, keine Fliegen, keine Bremsen. Es kamen mir das erste Mal Gedanken über meine Zukunft, aber anders als sonst, aus einer anderen Perspektive. Ich weiß, ich möchte saisonal arbeiten, im Tourismusbereich, aber mich interessieren auch so viele andere Dinge, die ich, wenn die Zeit reif ist, sehr gut kombinieren und erweitern kann. Aber eins war neu: was ist es, was den gemeinsamen Nenner hat und wieso gefällt mir das? Das eine ist die Selbstdarstellung, also Dinge, die ich über mich oder meine Kreativität anderen zeigen kann, wie zb ein Schauspieler oder ein Fotograf. Das andere ist die inhaltliche Vermittlung, wenn man anderen etwas zeigt, wie ein Reiseleiter, das Dritte ist die Dienstleistung für andere, wie eine organisierte Reise für andere oder ein Event. Deswegen finde ich die Rolle eines Guides so interessant und vielseitig, weil es alle drei Kriterien erfüllen muss und kann.
    Kurze Zeit später wurden mein Gedankengut von außen unterbrochen. Ich sah den Norweger mit einem Fotografen und einem anderen Wanderer. Der Fotograf schoss zunächst ohne mich zu fragen ein Frontalbild und erzählte, er arbeite für ein bekanntes amerikanisches Magazin, das einen Bericht über den Via Francigena herausbringt. Er würde von uns paar Fotos machen, während wir laufen. Es gefiel mir nicht, ich wollte weiter nachdenken ohne Paparazzi. Ein paar Kilometer später zweigten auch die Wege und der Norweger ging links und ich rechts, der Fotograf nahm den linken Weg, so dass ich wieder allein war. Auf dem Weg gab es erst nach 18km eine Bar und ich bestellte einen Cappuccino und sah Tuc Kekse, die ich sehr mag für 1€. Sie wollte für beides 3€. Ich sah eine Tafel mit dem Preis für einen Cappuccino, 1,50€. Niemals habe ich mehr bezahlt und wir waren nicht in Florenz auf der Piazza! Die Frau meinte noch etwas von Latte und ich sagte ihr, Frau, ich bin seit drei Monaten in Italien und ich weiß was ein Cappuccino kostet! Sie gab mir murrend 50 Cent zurück. War ich aber stinkig! Im absolut untouristischen Dorf Pilger abziehen, unmöglich!
    Der Weg war wirklich ruhig und ich genoss meinen vorletzten Tag. Unterhalb der Burg aß ich dann groß zu Mittag. Ich hatte sehr dünnes Rindfleisch mit Gorgonzola, mit dem Brot habe ich sozusagen noch Fondue gegessen und sehr leckeres Grillgemüse.
    Die Festung oben ist ein Mini-Dorf mit zwei kurzen Straßen, Wohnhäusern und vielen Touristen-shops, Bars und Restaurants. Ich wollte nach der Dusche zum Besichtigen gehen, wollte aber Mal auf die Bankkonten gucken und hatte Probleme bei der Anmeldung. Danach ging ich an der Wehrmauer entlang und beschloss, einen regionalen Wein zu trinken in der Weinanbau-Region. Hier traf ich den Fotografen und wir tranken einen sehr leckeren Weißwein zusammen, eine Mischung aus Riesling und Weißburgunder. Er war mir dann nicht mehr unsympathisch. Am Ende saßen wir zu fünft zum Abendessen an einem Tisch, mit den neuen Indern, die ich unterwegs traf und dem Priester, den ich vor zwei Tagen im schönen Hostel vor Gambassi Terme kennengelernt hatte. Wir lachten viel und tranken den dort produzierten Hauswein, ich hatte selbstgemachte Nudeln mit Wildschwein und Walnüssen. Die Inder haben uns alle eingeladen, was wirklich sehr großzügig war. Wir haben uns auf morgen früh verabredet, alle gehen nach Siena, meiner letzten Etappe.
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