Neuseeland
Julius Summit

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    • Tag 108

      Alpine Pralinen

      6. März in Neuseeland ⋅ ☀️ 6 °C

      7 Uhr am nächsten Morgen in der Speargrass Hut: Es war die erste Nacht mit deutlichem Bodenfrost und es ist klirrend kalt. Wir sind nicht mehr allein sondern inzwischen zu acht, 6 Wanderer sind gestern im Laufe des Tages noch zu uns gestoßen.

      Wer am Abend seine Wasserflaschen nicht mehr aufgefüllt hat, bekommt jetzt keins mehr. Das Wasser im Wassertank vor der Hütte ist gefroren. Zum Glück hat Danny schon am Abend vorgesorgt und die „Gefahr“ erkannt. Er kocht heißen Kaffee und reicht mir die Tasse. Ich nehme einen Schluck und beiße in einen Energieriegel. Möge er mir Kraft und vor allem Motivation geben für die heutige Etappe. Unser Ziel: Die Angelus Hütte auf 1.650 Metern Höhe. Sie liegt direkt am Angelus See, von wo aus man eine spektakuläre Aussicht auf die umgebenden Berge hat. Aufgrund ihrer Lage ist sie die beliebteste Hütte Neuseelands und damit fast immer ausgebucht. Auch wir haben online keinen Platz mehr in der Hütte bekommen, sondern nur noch auf dem Campingplatz davor. Er ist nicht mehr als ein gefrorenes Stückchen Wiese voller Schottersteine. Etwas mulmig ist mir schon bei dem Gedanken, gleich durch den Schnee steil nach oben zu steigen. Doch heute gibt es nur schlechte Kleidung, kein schlechtes Wetter - und damit keine Ausrede. Die Sonne strahlt in ihrer vollen Kraft und der Himmel ist stahlblau. Kein einziges Wölkchen ist zu sehen.

      08:15 Uhr ist es soweit: Wir verabschieden uns von den anderen Wanderern, wünschen uns Glück und alles Gute (Hals- und Beinbruch wünsche ich lieber nicht auf Englisch, ich glaube, das könnte falsch aufgefasst werden). Wir laufen zuerst noch geschützt durch ein schattiges Stück Wald. Ich friere, die Kälte kriecht überall hin. Kurze Zeit später müssen wir den Speargrass Creek, einen kleinen Fluss, mehrmals überqueren. Danny versucht es mit Über-die-Steine-hüpfen. Das geht zwei Mal gut, dann rutscht er aus, knallt aufs Schienbein und landet mit einem Fuß im Wasser. Ich bin erschrocken, er lacht. Damit mir nicht das gleiche passiert, ziehe ich seine Crocks an und stapfe durch den Fluss. Eiskalt umspült er meine Füße, es fühlt sich an wie tausend Nadelstiche. Am anderen Ufer ziehe ich wieder die Wollsocken und Wanderschuhe an. So geht das bestimmt noch 10 Mal. Das An- und Ausziehen nervt ungemein und ist zeitaufwendig, aber es ist die sicherste Variante der Flussüberquerung.

      Endlich sind wir aus dem schattigen und kalten Wald raus und laufen in der Sonne weiter nach oben. Langsam werde ich warm und spüre auch meine Füße wieder. Je höher wir steigen, desto tiefer versinken wir im Schnee. Weich und magisch glitzernd liegt er wie Puderzucker auf den umliegenden Bergen. Was für eine Traumkulisse! Danny formt Schneebälle und wirft sie durch die Luft. Ich fotografiere derweil die kleinen Eiszapfen, die sich an den Grasbüscheln gebildet haben.

      Nach 4 Stunden kommt endlich ein Wegweiser: 30 Minuten bis zur Angelus Hütte. Noch ist nichts von ihr zu sehen, nur ein weiterer steiler Anstieg. Schritt für Schritt kämpfe ich mich im tiefen Schnee nach oben. Was ich dann sehe, ist ein echtes alpines Pralinenstück: Wir schauen hinunter auf den Angelus See, in dessen Wasseroberfläche sich die schneebedeckten Berge spiegeln. Und direkt am Seeufer liegt sie: die Angelus Hütte. Wir genießen den Anblick, den Ausblick, den Fernblick. Es ist so wunderschön hier - der perfekte Platz für ein kleines Picknick. Aus gefrorenem Schnee schmilzt Danny Wasser und kocht uns einen heißen Tee. Dazu essen wir ein bisschen Obst und einen Riegel. Dann geht’s zurück. Zelten fällt aus, es ist nachts mit -5 Grad einfach zu kalt.

      Für weitere spektakuläre Ausblicke laufen wir über den sogenannten Robert Ridge Track auf einer Kammroute zurück Richtung St. Arnaud. Über verschneite, scharfkantige Steine geht’s immer weiter nach oben und zwischendurch steil runter. Die Gefahr, auszurutschen, ist groß.
      Wir kommen nur sehr langsam voran. Außerdem herrscht zu meiner Überraschung reger Gegenverkehr. Na klar, die 28 Wanderer, die die Angelus Hütte gebucht haben, müssen ja irgendwo herkommen. Im Schneckentempo erreichen wir irgendwann den Julius Summit, der auf 1794 Höhenmetern liegt. Ab da läuft es sich etwas „besser“. Zumindest gibt es so etwas wie einen Trampelpfad aus Geröll, der direkt an den Schneewehen oben auf dem Kamm entlangführt.

      Gegen 17:20 Uhr erreichen wir die Bushline Hütte auf 1.300m Höhe. Von dort aus sind es noch ca. 3 Stunden bis St. Arnaud. Vielleicht würden wir das noch schaffen, aber uns reicht‘s mit den Abenteuern für heute. Wenn’s am schönsten ist, soll man doch aufhören. Und es war schön heute, wunderschön. Wir hatten die besten Aussichten bei bestem Wetter.

      Wir beschließen also, in der schon recht vollen Hütte (16 Personen) zu bleiben und erst am nächsten Morgen weiterzulaufen. Alex, eine Deutsche aus Würzburg, hat Mirabellen-Schnaps dabei und schenkt uns zwei kleine Becher davon ein. Wir stoßen an, auf die Etappe, auf uns, auf das Leben.
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