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  • Day 88–89

    Die Schönheit der Ambivalenz

    October 21, 2023 in Greece ⋅ ☀️ 23 °C

    Am Morgen werden wir von unserem Gastgeber mit Keksen und einer großen Thermoskanne Kaffee in Empfang genommen, bevor wir uns in Richtung Alexandroupoli (die letzte griechische Stadt vor der Türkei) begeben.

    Obwohl es seit Kroatien fast an der Tagesordnung liegt, stockt mir noch immer der Atem, wenn sich streunende Hunde in Rudeln bellend um unsere Füße ansiedeln und in der Regel noch einige Meter mit uns Schritt halten. Den Anschein wahrend möglichst unbeeindruckt davon zu sein, versuche ich mich durch die Menge zu manövrieren und bin erleichtert, dass wir zu dritt nebeneinander herfahrend doch recht imposant daher kommen.

    Uns stehen heute einige Höhenmeter bevor. Kaum ist der erste Berg in Sicht, macht sich bei Vincent allerdings ein Reifenschaden bemerkbar. Während sich die Beiden um das Rad kümmern, fahre ich vor ins nächste Dorf um dort mein Handy und alle Powerbanks, die wir besitzen, zu laden. Schwächelnde Akkus sind fast Dauerzustand. Zu selten bieten unsere freien Schlafplätze eine Möglichkeit diese zu laden. Allein um unserer Route folgen zu können, brauchen wir jedoch die Handys und lassen keine Gelegenheit aus, wenn sich eine Steckdose in Reichweite erahnen lässt.

    Die Route, die mich in das nächste Dorf führt ist steil und das Dorf wirkt, so fernab von allem, zunächst entsprechend verlassen. Umso mehr überrascht mich der ungewöhnlich große und leckere Cappuccino, den ich in einem kleinen belebten Café in dem sich die ganze Dorfgemeinschaft zu versammeln scheint, genieße. Es dauert nicht lang bis sich ein älterer Herr zu mir gesellt und mir freudig mitteilt, dass er Deutsch spricht. Das tut er und dabei blüht er ersichtlich auf. Es stellt sich heraus, dass er in den 90ern für vier Jahre als Sportlehrer in Köln Nippes gearbeitet hat. Verrückt! Er hätte mein Sportlehrer sein können. Vertieft in das Gespräch, schlagen hier gefühlt bereits nach kurzer Zeit Marine und Vincent auf und wir meistern den nächsten Aufstieg. Diesmal werden wir nicht nur von der Weite der Landschaft belohnt, sondern auch von einem Griechen der zunächst hupend mit dem Auto an uns vorbeifährt und einige Meter weiter begeistert aus seinem Auto springt. Keuchend bei ihm angelangt, drückt er uns zwei große Gläser Tahine in die Hand und wirkt sympathisch kindlich in seiner Euphorie über uns und unser Tun, während sein Sohn an seiner Seite noch gar nicht zu begreifen scheint, was hier gerade passiert :)

    Einige Kilometer weiter eröffnet sich vor uns eine karge, fast mondartige Landschaft. Die Baumstämme sind verkohlt, Asche liegt auf der Erde und der Brandgeruch noch immer in der Luft. Es ist bedrückend hier durchzufahren. Wir hatten im Sommer von den Bränden in Nordgriechenland gelesen. Aber so unfassbar viele Kilometer durch diese verbrannte Landschaft zu fahren, macht das Ausmaß erst begreifbar. Die Hinterlassenschaften haben eine mahnende Wirkkraft und sind dabei gleichzeitig so still und unaufdringlich schön. Die verbrannten Baumkronen der Olivenbäume erinnern an das, was sich hier zuvor an dichtem und facettenreichen Grün erstreckt haben muss. Nun wirken die verbrannten Blätter, raschelnd im Wind, je nach Lichteinfall fast golden und bekommen im Kontrast zu den schwarzen Baumstämmen etwas anmutiges. Mich berührt der Anblick.

    Während wir mit dem Wind im Rücken bergab ins Tal nach Alexandroupoli fahren, arbeitet es in mir. Irgendwie ging mir das zu schnell. Die verbrannte Landschaft hat bei mir Eindruck hinterlassen. In ihrer ambivalenten Wirkung reizt es mich, mich auf den Ort weiter einzulassen und hier Fotos zu machen. In Alexandropoli angekommen, bringe ich mein Anliegen in Kontakt mit Marine und Vincent. Ich entscheide mich in Alexandroupoli zu bleiben, um am Folgetag den Weg zurück (diesmal bergauf mit Gegenwind) in die verbrannte Landschaft zu finden.
    Ich bin froh um die Entscheidung und gleichzeitig bedauere ich von den beiden Abschied nehmen zu müssen. Wir verabreden uns für einen vagen Zeitraum in Istanbul,- eine schöne Aussicht! Wir feiern uns und unser Beisammensein mit einem Eis und während die Beiden weiterradeln, erkunde ich noch etwas die Stadt bevor ich mich etwas stadtauswärts in meiner Unterkunft einfinde und mir eine warme! Dusche gönne!
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