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  • Day 88–89

    Nationalpark Nestos

    October 21, 2023 in Greece ⋅ ⛅ 23 °C

    In der Früh brechen wir auf und es dauert nicht lang bis uns nach einigen Hügeln hunderte von Wattebällchen, die an Schneebälle erinnern, vor die Räder purzeln. Die weite, einsame Landschaft ist durch Baumwoll- und Weizenfelder geprägt. Vereinzelt sind Feldarbeiter zu sehen, die in ihren riesigen Maschienen, mit denen sie die Baumwolle ernten, wie winzige Playmobilfiguren wirken.

    Kaum haben wir den Watteteppich hinter uns gelassen, erreichen wir den Nestos Nationalpark und damit einen Rastplatz für eine Vielfalt an Vogel- und Pflanzenarten, die sich im und um die großen Salz- und Süßwasserseen ansiedeln. Edel und stolz wirken die Flamingos, die sich hier im Gewässer in ihren rosafarbenen Federkleidern in geselliger Runde zusammenfinden und mit unbekümmerter Selbstverständlichkeit auf einem Bein herumstehen (bei dem Anblick muss ich spontan an meine wackeligen Balanceakte beim Yoga denken, wenn ich in den "Baum" zu kommen versuche.) Die Schildkröten, die in aller Ruhe die Straße überqueren, ziehen sich überraschend rasant in ihren Panzer zurück, als ich dabei etwas nachhelfen mag um sie nicht im nächsten Moment von einen der Gerätschaften geplättet zu sehen.
    Kurzum: ein Ort, der dazu einlädt sich Zeit zum Beobachten zu nehmen. Ich fühle mich hin und hergerissen. Einerseits mag ich meinem Impuls nachgehen hier zu verweilen und andererseits mag ich mit Marine und Vincent im Tritt bleiben und mich weiterhin an unserem Beisammensein erfreuen. Marine und Vincent hinken hinsichtlich ihrer Reise ihrem Zeitplan etwas hinterher und sorgen sich etwas vor der Kälte, die sie in den Bergen in Georgien (die nächste Etappe für die Beiden nach der Türkei) erwartet, wenn sie nicht vor Wintereinbruch dort eintreffen. So genießen wir die Schönheit der vielen Vögel, die über uns hinwegschweben und treten dabei eifrig in die Pedale. Immer wieder überkommt mich ein Gefühl von Freiheit wenn ich mit dem Rad Geschwindigkeit aufnehme, mir die Jacke um den Körper flattert und ich den Fahrtwind im Gesicht spüre, sodass auch ich mich ab und an wie eine weitere, noch nicht gesichtete Vogelart fühle.

    Wie eine Fata Morgana taucht aus dem Nichts kommend, inmitten der Gewässer, eine orthodoxe Kirche auf, die wir uns dann doch nicht entgehen lassen wollen. Wir machen einen kleinen, lohenswerten Abstecher und plaudern etwas mit dem Priester bevor wir die noch rund 70 km, die heute noch vor uns liegen, angehen.

    In einem kleinen Fischerhafen legen wir unsere Mittagspause ein. Ich bin amüsiert und begeistert von dem kleinen, solarbetriebenen Ofen, den Vincent auf seinen Gepäckträger mit sich führt. Beim Picknick werden die Kartoffeln ordentlich in der raketenartigen Form aufgereiht, sodass sie bei unserer Weiterreise gar werden und unser Abendessen später bereichern werden.

    Um 18:30 Uhr wird es bereits dunkel, sodass wir uns nach einem Schlafplatz umschauen. In einem kleinen Dorf, in dem gerade mal eine Hand voll Häuser stehen, kommen wir ins Gespräch mit einem Herrn, der uns nicht nur sein Gartengrundstück als Zeltplatz, sondern obendrein eine Dusche anbietet. Schon ein paar Tage müssen wir mit Katzenwäsche auskommen, sodass bereits der Gedanke an eine Dusche mein Herz höher schlagen lässt. Zwar hatte ich mir nicht ausgemalt, dass die Dusche kalt ist, dafür fühlen wir uns danach umso frischer und ein gutes Stück wacher um unser Abendessen zu uns zu nehmen. Als Appetizer gab es bereits Granatäpfel, die wir vom Baum gepflückt hatten.

    Glücklicherweise hat der Wind etwas nachgelassen und es ist weniger kalt als die Nächte zuvor. Noch ein kurzes Telefonat mit Oli rundet den schönen Tag ab und ich schlafe beseelt ein.
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