• Birsta & Borgsjö - viel Abenteuer...

    November 7 in Sweden ⋅ ☁️ 6 °C

    Nach einer ruhigen, einsamen Nacht wache ich ziemlich früh auf. Grund dafür ist das Auto, das mit laufendem Motor auf dem Weg steht. Ein Mann steigt aus und sieht kritisch zu mir herüber. Aber er kommt nicht näher und fährt, nachdem er einen Hänger vom Gelände der Segelschule gegenüber geholt hat, wieder weg. Mir ist es egal, ich versuche erfolglos, online auf die Buchungsseite des Stellplatzes zuzugreifen, beeile mich dann aber doch mit dem wegfahren.
    Gestern Abend hatte ich beschlossen, nochmal nach Birsta zu fahren, um mir eine schwedische SIM-Karte zu kaufen. Beim Telia-Shop klappt das recht schnell, ist allerdings teurer als geplant. Dafür habe ich jetzt für einen Monat unbegrenztes Datenvolumen. Ein bißchen bummel ich noch durch das Einlaufszentrum (dieses Jahr sind schienbar Klamotten mit viel Straß und Pailletten modern). Bevor es weiter nach Westen, Richtung Östersund geht, fülle ich noch Lebensmittel, Diesel und ein paar Kilometer weiter auch Gas auf. Viel Gas habe ich zwar bisher nicht verbraucht, aber da es hier nicht so viele Gastanken gibt, muß ich die Chance nutzen. Ein Glück gibt's eine recht gute Ausschilderung, denn so versteckt zwischen Küste und Wald käme man sonst nicht auf die Idee, daß man ausgerechnet hier LPG bekommt. Im Übrigen hat der Camper dringend eine Wäsche nötig. Bei den Witterungsverhältnissen nutzt das zwar nicht wirklich viel, aber der Dreck ist inzwischen zu schlimm - ich kann keinen Türgriff anfassen, ohne schwarze Finger zu bekommen; die Gurte vom Gastank lassen sich vor lauter Sand kaum noch öffnen. "GoWash" ist eine Kette von Selbstwasch-Anlagen, die sehr oft einen LKW-Waschplatz haben. 20€ später ist der Camper zwar nicht komplett sauber, aber wieder als "weiß" erkennbar. Dann endlich geht's weiter: ein Stück die E4, dann weiter auf der E14.

    Auf dem Campingplatz in Borgsjö komme ich erst spät am Nachmittag an. Es ist schon dunkel und da die Bewertungen recht durchwachsen waren, will ich erst eine Runde über den Platz drehen, bevor ich mich im Restaurant der Raststätte, wo auch die Rezeption sein soll, anmelde. Daß das ein Fehler ist, merke ich 10 Minuten später... Auf dem schmalen Weg zwischen den Camping-Hütten will ich nicht drehen und entscheide mich, um die Hütten herum über die Wiese zu fahren. 8m vor dem Weg muß ich etwas den Lenker einschlagen und im selben Moment sitze ich auch schon fest. Der Boden ist ein eklig, schwerer, aber durchweichter Lehmboden, der sich sofort in sämtlichen Profilrillen festsetzt und die Reifen in Slicks verwandelt. Ich versuche es mit den Anfahrhilfen, aber auch das nutzt nichts. Nach ein paar Versuchen kommt jemand aus dem einzigen Wohnwagen. Johann (wie ich später lerne) ist eigentlich LKW-Fahrer aus Östersund, wohnt hier "erstmal permanent" (was auch immer das genau bedeutet), ist etwas speziell, aber sehr hilfsbereit. Er versucht, mich mit seinem Volvo herauszuziehen, aber das Auto ist zu schwach. Es hilft nichts: von der Abendgesellschaft im Restaurant (die mir auch noch erzählen, daß der Platz geschlossen ist) und der Tankstelle (die behauptet, der Platz sei offen) ist keine Hilfe zu bekommen: also aktiviere ich den Schutzbrief. Es dauert, ich werde von der Rückversicherung mehrfach angerufen, um "für die Bergung absolut notwendige Fragen" wie die nach der Dauer meines Urlaubes oder des genauen Monats der Erstzulassung zu beantworten, aber nach knapp 3 Stunden kommt der Abschlepper und zieht mich sehr umsichtig heraus. Die beiden Männer vom Abschleppdienst warten sogar, bis ich ein paar Meter auf den Parkplatz gefahren bin, um zu sehen, ob die Kupplung nur stinkt oder doch einen Schaden davongetragen hat. Es sieht gut aus.

    Die Wartezeit hatte ich übrigens gut genutzt: Johann hatte mir dankenswerterweise den Türcode für das Service-Haus gegeben. Kurze Besichtigung zeigt: Eine heiße Dusche ist gesichert und sogar Wäsche waschen ist möglich. Außerdem hatte ich gesehen, daß eine der großen Parkbuchten, aus denen der Rastplatz besteht, ziemlich dicht an die hintere Campinghütte heranreicht. Das ist in mehrfacher Hinsicht praktisch: ich bin außer Sichtweise von Tankstelle und Restaurant, stehe auf festem Grund und mein Stromkabel reicht an die Außensteckdose der Hütte. Ich bin einfach mal so frech und habe somit alles, was ich brauche: Strom, Toilette, Dusche, einen stabilen und sicheren Stellplatz. Was will man mehr. Trotzdem war es ein Abenteuer, das ich nicht unbedingt wiederholen muß. Und es zeigt mir noch etwas: Die Reifen gelten zwar als "echte" Winterreifen, haben das Schneeflocken-Symbol, sind aber nicht wirklich gut. Begeistert war ich von Anfang an nicht (ich hätte gerne wieder All Terrain-Reifen gehabt), aber es waren die einzigen, die ich im Sommer in Uelzen schnell genug bekommen konnte. Schon in Finnland hatte ich einmal Probleme auf regennasser, bitumen-geflickter Strasse und jetzt das hier. Ich glaube, meinen Ausflug Richtung Flatruet trotz Schnee-Vorhersage sollte ich mir sehr gut überlegen....

    Erstmal bin ich froh, daß alles gut verlaufen ist. Den Matsch habe ich zwar gefühlt überall - obwohl ich mir zwischendurch die Regensachen angezogen habe, um einigermaßen geschützt zu sein - aber das sehe ich mir morgen in Ruhe an. Ich mache mir noch schnell eine Erbsensuppe zum Abendessen, wärme mich unter der Dusche auf und schlafe bald ein.
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