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  • Day 14

    Catedral de Santiago de C. | 25 km

    May 15, 2023 in Spain ⋅ ⛅ 18 °C

    Und nun stehe ich hier, ungläubig, vor einer spanischen Kathedrale in Santiago. Am Ende meiner Reise steht doch tatsächlich eine Kirche. Was für eine Ironie. Ob das als Heide trotzdem etwas mit mir macht? Klar. Erst einmal ist es das Ziel, auf das ich die letzten 12 Tage zugesteuert bin. Ich habe täglich die runterzählenden Kilometerstände gesehen, wie lange es noch bis zu dem 0 Kilometer Punkt ist. Die Kathedrale ist der Nullpunkt der Reise. Für ganz viele Reisende, nicht nur vom Camino Portugues. Und das ist auch der nächste Punkt, der etwas mit mir macht: Die Menschen zu sehen, zu beobachten, wie sie auf dem großen Platz ankommen. Sie schauen ehrfürchtig zu dieser riesigen Kathedrale auf, nehmen die Rucksäcke ab und lassen das Ganze auf sich wirken. Der Moment muss natürlich festgehalten werden, daher machen viele direkt ein Selfie oder lassen sich fotografieren. Einige legen sich auf die sonnengewärmten Steinplatten auf dem großen Platz vor der Kathedrale, schauen in den Himmel, lassen sich die Sonne ins Gesicht scheinen oder beobachten die anderen. Manche sind aufgeregt und jubeln, andere wiederum sehr ruhig und nachdenklich. Ich gehörte eher zur letzteren Gruppe. Das musste ich alles erstmal wirken lassen.

    Den Einlauf zur Kathedrale habe ich mit Alex geteilt, ein Erlebnis, das auf eine spezielle Art und Weise verbindet. Ob es ein kleiner Anflug von Glückseligkeit war? Das kann sein. Es ist schwer zu beschreiben. Einerseits ist man „angekommen“, weil es das Ziel der Reise ist, andererseits ist es der Anfang eines neuen Lebensweges. Ein Teilabschnitt des Lebens, der einen in seiner Entwicklung einen neuen spannenden Pfad aufzeigt, die Gedanken neu sortiert und einen für bestimmte Dinge im Leben sensibilisiert.

    Der Wandertag an sich, mit seinen 25 km, war nochmal wirklich schön. Die Wege haben Spaß gemacht, es war grün, es war gar nicht so viel los wie an den Tagen zuvor, die Vögel zwitscherten. Es gab einige Tiere wie Katzen, Hunde, Ziegen und Ponys die gestreichelt werden wollten. Also ganz nach meinem Geschmack. Alex und mein Weg überkreuzten sich bereits nach einer Stunde am Morgen und so wanderten wir zusammen. Da ich die zwei Tage zuvor eher alleine gelaufen bin, freute ich mich über etwas Unterhaltung und Gesellschaft.

    Wir trafen einige alte Bekannte wieder. Witzig wie sich die Wege von den gleichen Menschen doch immer wieder überschneiden. Soll dann wohl so sein. Selbst Theo mit dem ich meinen Camino gestartet habe, war auf einmal wieder da. Richtig schön. Zudem traf ich die wohl zutraulichsten Ziegen, das kleinste und gleichzeitig breiteste Pony und einige Amseln, durch die ich ständig den Ohrwurm „Amsel, Drossel, Fink und Star“ hatte. Der löste wenigstens den Ohrwurm von Oliver ab, den er mir morgens mitgegeben hatte (eisgekühlter Bommerlunder). Meistens, wenn ich auf diesem Weg über wichtige Sachen nachdenken wollte, um sie zu durchdringen oder mich für etwas zu entscheiden, schob mein Kopf die selbstaugewählten Gedanken weg und packte anstelle dessen Ohrwürmer oder absurde Erinnerungen aus der Kindheit auf die Tagesordnung. Irgendwann lässt man es einfach geschehen, da es ansonsten viel zu anstrengend wird.

    Die Kilometer flogen an diesem letzten Tag viel zu schnell an einem vorbei. Alex und ich ärgerten uns fast, wenn wir schon wieder 2 Kilometer weniger übrig hatten. „Nicht so schnell“ sagten wir uns immer wieder, dabei waren wir gemächlich unterwegs. Wir legten 8,5 km vor dem Ziel eine Mittagspause ein. Im „O Camiño“ von Pilgern für Pilger gab es ein letztes Mal ein Pilgermenü. Galizische Suppe vorweg, dann Fisch mit Gemüse und als Dessert Flan. Dazu wieder ein Radler. Warum auch jetzt auf eine neue Strategie setzen. Never change a running system.
    Alex entdeckte im Restaurant 2 Pilgerkostüme, die wir uns zum Schluss natürlich einmal überwerfen mussten. Steht uns ausgezeichnet.

    Danach ging es wieder auf die Bahn für die letzten 8,5 Kilometer. Ich glaube so schnell sind so viele Kilometer noch nie vergangen. Wir sahen irgendwann die Skyline von Santiago und in der Stadt angelangt, sah man die Türme der Kathedrale, auf die wir zulaufen mussten. Tja und da waren wir. Nach 280 km zu Fuß über Stock und Stein, an Weinreben vorbei, durch Wälder, über Landstraßen, an Gemüsefeldern vorbei, am Meer entlang und durch kleine alte Dörfer, standen wir am Ziel.

    Wir holten uns unsere Compostela, die Urkunde bzw. das schriftliche Beweisstück, dass wir den Weg gegangen sind. Mit Name, Distanz sowie Start- und Zielort. Das war super organisiert und ging innerhalb von 10 Minuten. Danach gab es natürlich erst einmal Erfrischungsgetränke mit Platz in der Sonne.
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