• Tag 12 - Dingle

    8 Mei 2024, Ireland ⋅ ☁️ 12 °C

    National Geographic bezeichnete Dingle einst als einen der schönsten Orte der Welt. Und spätestens beim Anblick der endlosen Weiden, auf denen Schafe genüsslich grasen und den schroffen Küsten, gegen die sich die mächtigen Wellen des Atlantiks türmen, zweifelt niemand mehr daran. Denn die Halbinsel ist eine Perle Irlands, die auf einer Länge von etwa 50 Kilometern eine Vielzahl an Sehenswürdigkeiten beherbergt.

    Dingle Town ist das Herzstück der gleichnamigen Halbinsel. Bei den rund 1.800 Einwohner der Kleinstadt habe auch heute noch uralte Traditionen einen hohen Stellenwert. Sie zelebrieren Bräuche, wie es ihre Vorfahren vor Hunderten von Jahren bereits taten. Auch wird hier heute noch überwiegend Gälisch gesprochen. Dies lässt sich spätestens beim Anblick der Ortsschilder erkennen.

    Wer das traditionelle Irland kennenlernen möchte, ist in Dingle Town goldrichtig. Die Hauptstraße säumen Häuser in strahlend bunten Farben und prächtige Blumenarrangements schmücken die Eingänge. Hinter den blauen, roten, gelben und grünen Häuschen befinden sich Restaurants, Cafés, Pubs, Handwerks- und Souvenirläden. In den mit Livemusik beschallten Kneipen werden kühle Pints über die Theke geschoben und aus den Cafés strömt der Duft nach frischen Scones.

    Das schmucke Küstenstädtchen auf der Dingle Halbinsel wartet mit einer einmaligen Besonderheit auf: Ihrem wohl berühmtesten Einwohner. Fungi lautet sein Name und ihm zu Ehren errichteten die Einheimischen sogar eine Bronzestatue. Doch Fungi ist kein gewöhnlicher Einwohner, denn es handelt sich um einen Delfin.

    Seit mehr als 37 Jahren lebte der Meeressäuger vor der Küste der Kleinstadt. Die geschützte Bucht mit dem zauberhaften Hafen hatte er sich als sein Zuhause auserkoren, obgleich Fungie immer die Möglichkeit hatte, in das offene Meer hinauszuschwimmen. Doch er blieb in der Bucht und schien es sichtlich zu genießen, den Kontakt mit den Menschen zu suchen. Spielerisch schwamm er neben den Booten her und entzückte Touristen mit wilden Sprüngen aus dem Wasser. Er begleitete Kanu- und Kayakfahrer, die neben einem traumhaften Ausblick auf die Küstenlandschaft die Gesellschaft eines besonderen Meerestieres genossen. Fischer und Seefahrer holte er nach ihren Touren auf dem Meer ab und gab ihnen Geleitschutz auf dem Weg in den sicheren Hafen.
    Doch Fungie warf in all den Jahren viele Fragen auf. Warum suchte er sich Dingle als sein Zuhause aus? Weshalb blieb er über Jahrzehnte hier? Und wieso bevorzugte er es, als Einzelgänger zu leben? Damit schaffte er es sogar in das Guinnessbuch der Rekorde als „ältester Einzelgänger-Delfin der Welt.“ Im Laufe der Jahre hatte der Delfin immer wieder Besuch von Artgenossen. Einzelne Tiere oder auch ganze Delfinschulen suchten die Küsten vor der Halbinsel auf. Sie kamen und gingen – doch Fungie blieb seiner zum Zuhause auserkorenen Bucht treu.

    1983 soll Fungie das erste Mal in der Bucht vor Irland gesichtet worden sein. 37 Jahre lang blieb er – bis Oktober 2020. Seither gilt der berühmteste Einwohner Dingles als verschwunden. Suchtrupps machten sich auf, um dem Delfin vor der Küste ausfindig zu machen. Vom Wasser und vom Land aus gaben die Iren alles, um ihren Meeresbewohner zu finden. Bisher vergeblich. Seit Oktober 2020 blieb Fungie verschwunden.

    Was mit ihm geschah, weiß bisher niemand. Es wäre denkbar, dass er sich doch noch dazu entschloss, sich seinen Artgenossen anzuschließen und mit ihnen in das Meer hinausschwamm. Oder schlichtweg andere Gewässer aufsuchte. Möglich wäre aber auch, dass er sich friedlich zurückzog, um zu sterben. Denn Fungie dürfte etwa 45 Jahre alt sein. Und Delfine haben eine Lebenserwartung von 45 bis 50 Jahren.

    Was auch immer mit Fungie geschah, Irland trauert um seinen berühmtesten Einwohner. Und insbesondere das kleine Küstenstädtchen Dingle wird den Delfin auf ewig in dankbarer Erinnerung behalten.
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