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  • Day 37

    Shimla, Teil 2 (28.03. - 31.03.)

    March 31, 2016 in India ⋅ ⛅ 17 °C

    Wir fuhren also nach Kufri und waren im Vorfeld schon skeptisch, was den Plan dort anging. Mit Pferden den Berg rauf? Das indische Verständnis von Tierschutz im Hinterkopf hatten wir schon eine Vorstellung, wie das wohl aussehen würde. Und diese Vorstellung entpuppte sich als ziemlich treffend.
    Ohne Möglichkeit, eine Tränke zu erreichen, standen dort rund 100 Pferde, die aussahen, als seien sie wochenlang nicht gestriegelt worden, dicht gedrängt an eine Mauer gebunden. Das Angebot eines Halters, für nur 380 Rupien pro Nase mit einem der Tiere den Berg zu erklimmen, lehnten wir zwei dankend ab und sagten, dass wir zu Fuß gehen würden. "By walk? No possible.", meinte der. Wir fragten, warum, und er behauptete, dass der Weg ja so matschig und steil sei. Wir erwiderten, dass wir solche Wege von Zuhause gewohnt seien und stiefelten los.
    Die ersten Meter waren tatsächlich matschig. Aber wenn dutzende Pferde nirgendwo anders als hinter sich auf den Weg kacken können, ist das ja auch zu erwarten.
    Auf dem Weg nach oben kamen immer wieder Reiter an uns vorbei. Einerseits indische Touristen (Shimla wird fast ausschließlich von Indern bereist) zu Pferd, die kaum schneller waren als wir. Andererseits die... Besitzer? Halter? Treiber? der Pferde, die diese in einem Höllentempo den steinigen und steilen Weg heruntergaloppieren ließen oder sie den Weg hinauf führten und dabei nicht mit Schlägen und Tritten sparten, selbst wenn kein Fehlverhalten des Pferdes zu erkennen war.
    Nach etwas mehr als einer Stunde kamen wir oben an und wurden mit einer grandiosen Aussicht belohnt. An einem klaren Tag kann man hier wohl bis zur chinesischen Grenze schauen. Wir genossen die Aussicht für einige Zeit und machten uns dann an den unzähligen Fressbuden, die wohl auch von den Pferden versorgt werden, denn Autos kommen da nicht hoch, vorbei auf den Rückweg und wunderten uns noch über die Fotografen, die die hinter sich stehenden Yaks, mit denen man sich im Cowboy-Stil ablichten lassen sollte, als Pferde anpriesen. "Yak wie Hose" war Lisas Kommentar.
    Kurz vorher wurde Lisa noch eine Banane von einem Affen geklaut. Wir mussten schon vorher den Fotorucksack einmal gegen einen Affen verteidigen, der darin Essen vermutete. Jetzt hatte er sich Verstärkung mitgebracht... Und eine bessere Strategie. Der eine Affe pirschte sich wieder von vorne an uns heran und war sich wohl auch sehr bewusst, dass wir ihn genau beobachteten. Lisa hielt ihre halb gegessene Banane hinter meinen Rücken, um sie zu verstecken. Unbemerkt schlich sich aber dann ein zweiter von hinten an, schnappte die Banane und war Sekunden später in einer Baumkrone verschwunden. Der Lockvogel spurtete hinterher, doch außer der Schale bekam er wohl nichts vom Diebesgut.
    Auf dem Weg nach unten wurden uns noch ein paar Mal Gäule angeboten und als wir darauf keine Lust mehr hatten, benutzten wir Trampelpfade abseits des Hauptweges in der Hoffnung, dass diese uns auch zum Ziel bringen würden. Schlagartig wurde es still. Das Hufgetrappel und die Kommandos der Treiber verschwanden hinter kleinen Hügeln und plötzlich fühlte man sich viel tiefer in der Natur. Nach ein paar Metern wich die Ruhe jedoch einem Geräusch, dass ich in der Intensität noch nicht gehört hatte: Unmengen von Bienen erfüllten mit ihrem Summen die Luft über uns und wir setzten uns um den Ausblick durch die Bäume und die frische Luft, die in Indien selten ist, zu genießen.
    Nach drei Stunden kamen wir wieder unten an, wurden von einer Horde unerfahrener Reiter noch fast platt getrampelt und fuhren mit Satwinder wieder zurück nach Shimla.

    Den Nachmittag verbrachten wir in der Stadt, die wie keine andere indische Stadt ist, in der wir bisher waren. Shimla war früher die Sommerresidenz der englischen Herrscher und wurde auch von diesen erbaut. Viele Gebäude sehen typisch britisch aus und die Straßen laden, auch wenn sie durch die Hanglage teils sehr steil sind, zum Flanieren ein. Der Stadtkern ist Fußgängerzone, es drängen sich also keine Motorräder, Roller oder Tuktuks an einem vorbei, es gibt keine der typischen Straßenläden, weswegen man auch nicht ständig angequatscht wird, Müll wird größtenteils richtig entsorgt, niemand ist gestresst, weil die anderen Leute ja auch größtenteils Urlauber sind, keine Kuh hat bisher den Weg den Berg hoch geschafft und es gibt auch nur wenige streunende Hunde.
    Gepaart mit den überaus angenehmen Temperaturen und der tollen Luft hatten wir genug Gründe, den Trip nach Amritsar auszulassen und einen weiteren Tag hier zu verbringen. Dadurch konnten wir unsere Bahnfahrt auch von zwei auf fünf Stunden ausdehnen und nach dem Sightseeing-Marathon der letzten Wochen brauchten wir ein bisschen Entspannung.
    Wir verbrachten also den Nachmittag und den nächsten Tag auf einer Aussichtsplattform mitten in der Stadt. Dort konnten wir lesen, die auf den Dächern kämpfenden Affen beobachten und einfach die Aussicht genießen. Auf den am weitesten entfernten Bergen sah man sogar Schnee.

    Vollständig wiederhergestellt und tiefenentspannt ging es heute morgen dann weiter. Da die Fahrt nach Delhi zu lang ist, wenn man den ersten Teil mit dem Zug zurücklegt, werden wir heute eine Nacht in Chandigarh verbringen. Hierhin gekommen sind wir, wie schon erwähnt, mit dem Toy Train. Davon gibt es mehrere in Indien und eigentlich wollten wir ja den in Darjeeling nehmen, weil das wohl die eindrucksvollste Fahrt ist. Da Darjeeling jedoch so weit ab vom Schuss ist (Varanasi ist unser östlichste Ziel und noch rund 700km davon entfernt), werden wir nicht nur für eine Zugfahrt dorthin tingeln. Stattdessen haben wir die "Himalayan Queen" genommen. Das ist ein Zug auf einer Schmalspurstrecke, die seit über einhundert Jahren befahren wird und rund 1500 Höhenmeter überwindet. Die Fahrt ist 96km lang und man braucht etwa fünf Stunden. Die erste Diesellok, die hier eingesetzt wurde, kam übrigens aus Kirchen von der Firma Jung und fährt immer noch auf einer anderen Strecke zwischen Mumbai und Pune.
    Eigentlich muss man, wie fast bei jeder Bahnfahrt in Indien, vorher ein Ticket reservieren und findet seinen Namen dann außen auf dem Zug zusammen mit einer genauen Sitzplatzangabe angeschlagen. Hier gibt es aber einen so genannten General Couch, für den man, wenn man früh genug ist, für 50 Rupien eine Fahrkarte bekommt. Lisa ging also schon zum Zug und reservierte uns einen Sitzplatz, während ich mich in die Schlange stellte und das Ticket löste. Zum Glück waren wir eineinhalb Stunden vor Abfahrt da, denn eine halbe Stunde später war das Abteil rappelvoll, etwas weniger als die Hälfte der Leute musste stehen.
    Um halb elf ging es dann los. Außer vier anderen Europäern, die nach einer Stunde ausstiegen, waren wir die einzigen Nicht-Inder. Verständlicherweise konzentrierte sich die Aufmerksamkeit dann auf uns und während der ersten Stunden der Reise mussten wir alle möglichen Fragen beantworten. Wo kommt ihr her? Wie lange seid ihr hier? Was habt ihr alles schon gesehen? Was macht ihr beruflich? Soweit Standard. Dann aber: Wie viel verdient ihr im Jahr? Mit welchem Erfahrungslevel wurdet ihr eingestellt? Wie viel verdient ein Kellner? Was kostet ein Restaurantbesuch? Reichen 15 Tage, um deutsch zu lernen? Wie läuft das mit der Einbürgerung? Müsst ihr für Medikamente bezahlen? Und so weiter. Wir trafen außerdem einen Mann, der bei einer Firma arbeitet, die die Walzen für ihre Alufolienproduktion bei der Firma Achenbach aus Kreuztal bezieht. So klein ist die Welt.
    Trotz der vielen Fragen und des Fensterplatzes, der leider nicht in Fahrtrichtung zeigte, war die Aussicht überragend. Durch rund 100 Tunnel und über unzählige, teils mehrstöckige Brücken ging es bei bestem Wetter ins Tal. Auch wenn uns nach ein paar Stunden der Hintern weh tat und einem die Mitreisenden manchmal halb auf dem Schoß saßen, war das eine unvergessliche Fahrt :)

    Bilder 1&2: Aussicht bei der Wanderung in Kufri
    Bild 3: Fußgängerzone im Sonnenuntergang
    Bild 4: Aussicht von da, wo wir gesessen haben
    Bild 5: Die Himalayan Queen auf einer Brücke
    Bild 6: Wie gesagt, es war voll. Und rechts ging's 20 Meter steil abwärts.
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