• Orikum, Albanien

    October 22, 2023 in Albania ⋅ ☀️ 24 °C

    Irgendwann musste es aber wieder weitergehen!
    Natürlich nicht ohne die Wachen neu einzuteilen.
    Meine Wenigkeit als Wachführer und Stef als Beiwache bildeten die Dreier-Wache.
    Nach reiflichen Wettercheck und Besprechung mit der Crew entschieden wir spätnachmittags abzulegen. Die Königsetappe an Albanien und Montenegro vorbei nach Dubrovnik stand bevor.
    Nicht nur die Distanz von gut 200sm machte es aus, auch die Tatsache dass das Internet über albanisches Netz richtig teuer ist. Somit war kein Wetterupdate möglich!
    Die diversen Wetterberichte versprachen unisono kräftigen Südwind, Regenschauer und vereinzelt Gewitter. Das sollte doch machbar sein, dachten wir.
    Um ein Toni Polster Zitat zu bemühen...
    Ich sag einmal so: der kräftige Südwind erreichte 9 bis 10 Windstärken, der Regen wurde schwer und die Sicht reichte teilweise nur drei Bootslängen.
    Von Italien kommend zog doch noch eine beachtliche Gewitterfront über die Südadria, die uns an der Halbinsel Karaburun dann richtig fett erwischte.
    Von Anbeginn war sowieso nur das Vorsegel gesetzt, dieses wurde aufgrund des zunehmenden Windes sukzessive immer kleiner. Zum Schluss war es nur mehr so groß wie ein Geschirrtuch. Das Meer kochte, die Seen stiegen 6-7m hoch, zum Glück ohne nennenswerte Brecher. Einmal stieg eine ordentliche Welle - ein sogenannter Kaventsmann - von hinten ein, aber Michi hat bestens reagiert und so blieb das Ereignis schadlos.
    Angegurtet waren sowieso alle und an schlafen hat natürlich niemand gedacht. Jasmin und Gerhard verbrachten deren Ruhezeit in der Kabine, ich glaube nicht dass sie schlafen konnten.
    Meine Entscheidung ist bald gefallen. Die Halbinsel Karaburun zu runden, und in der tief einschneidenden Bucht von Vlora bei Orikum zu ankern.
    Das entpuppte sich schwieriger als angenommen! Der Sturm gegenan und der Regen wurde so stark, dass wir oft gerade mal mit 3kn Fahrt vorankamen bei einer Sicht von gerade mal drei Bootslängen.
    Endlich angekommen ließ ich den Anker auf etwa 8m fallen und wir konnten aufatmen, uns mal trockenlegen, unter Deck die diversen durch den immensen Seegang verstreuten Gegenstände wieder verstauen.
    Begrüßt wurden wir dann noch von einem heftigen Blitz, welcher grade mal 15m neben unserem Boot ins Wasser eingeschlagen hatte. Da stehen einem im wahrsten Sinne des Wortes die Haare zu Berge!
    Noch ein Gute-Nacht-Bierchen und dann Gute Nacht, und hoffentlich kein Besuch von der Küstenwache, denn wir hatten ja nicht einklariert...
    Im Einschlafen legte ich mir noch eine Geschichte fest die ich im Fall des Falles erzählen würde.

    "Skipper! Wach auf! Schnell... die Küstenwache!" Jasmin stand an meiner Kabinentüre und weckte mich nach vielleicht grade mal drei Stunden Schlaf unsanft mit diesen Worten!
    Das sind die Momente bei denen ich in Sekundenbruchteilen hellwach bin und auf der Stelle funktioniere...
    Raus aus dem Bett, schnell rein in eine Hose, das Handfunkgerät im vorbeilaufen geschnappt, den Niedergang hinauf und da sah ich, was auf uns zufuhr!
    Eine Militärfregatte steuerte langsam auf uns zu, immer wieder per Außenlautsprecher auffordernd, uns zu melden.
    Per Funk kam ich dem Ansinnen nach. Der Verbindungsoffizier erklärte mir in ausgezeichnet verständlichen Englisch dass wir hier in einem militärischen Sperrgebiet ankern. Ich erzählte dann meine vorbereitete Geschichte: dass wir Schutz gesucht hatten vor den schweren Gewittern der Nacht, und dass uns auch ein Schaden an unserem Autopilot gezwungen hat hier zu ankern. Nach dem Motto: Not kennt kein Gebot! Mein albanischer Gesprächspartner hörte sich das geduldig an und fragte ob wir Hilfe brauchen. Das verneinend empfahl er uns höflich aber doch bestimmt sobald wie möglich den Ankerplatz zu verlassen. Die Fregatte richtete Kurs aus der Bucht und entschwand langsam aus der Sicht.
    Erst da hatte ich endlich die Möglichkeit unseren Ankerplatz genauer zu inspizieren. Und der Schock war groß! Nicht nur dass im westlichen Scheitel der Bucht ein militärischer Stützpunkt mit drei oder vier Schiffen, darunter ein U-Boot lag, sah ich auch gut 300m Richtung offener See einige gelbe Sperrgebietstonnen. All das war weder auf der Seekarte eingezeichnet, noch war es aufgrund der schlechten Sicht beim Einlaufen zu erkennen. Jetzt wusste ich wieder warum ich dieses Land immer meiden wollte, zumindest von See aus!
    Schlechte Seekarten, schlechte Befeuerung, keine Hafen- und Buchtenführer, das macht es schwer hier.

    Wir checkten unsere Steuerung, die tatsächlich etwas Mucken gemacht hatte letzte Nacht. Ein paar Fender waren verrutscht und beeinträchtigten den Steuerquadranten, das war zum Glück schnell behoben, dann brachten wir den Anker ans Licht und verließen die Bucht.
    Der nächste Schock dauerte nicht lange! Beim Auslaufen durch die Bucht registrierte ich gut ein halbes Dutzend Fischzuchtanlagen. Mit Ausnahme Einer die ich auch deutlich gesehen hatte waren in der Nacht alle unbeleuchtet! Hunderte Bojen, Netze, Leinen, Fütterungsrohre etc. hätten uns richtig Schwierigkeiten bereiten können! Wir hatten aber nicht eine Einzige gesehen, auch nicht mit dem Feldstecher. Dass wir da ohne Schaden anzurichten durchgekommen waren grenzt echt an ein Wunder!
    Wenn ich heut dran denke bereitet mir das jedesmal Gänsehaut.

    Die Sonne strahlte über der Karaburun und je weiter wir auf die offene Adria kamen umso besser wurde wieder der Südwind. Bald hatten wir wieder beide Segel gesetzt und die "Ostbahn" pflügte sich ihren Weg nordwärts. Irgendwann am frühen Abend war es dann mit dem Wind leider wieder Schluss und der Motor musste wieder für Vortrieb sorgen...
    So ging es dann durch eine unglaublich strahlend sternenklare Nacht Dubrovnik entgegen, immer wieder durch grün fluoreszierend schimmernden Plankton, hie und da begleitet von Atemgeräuschen der Delfine, die immer wieder um unser Boot spielten.
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