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  • Tournon

    June 14, 2006 in France ⋅ ☁️ 30 °C

    Früh am Mittwoch, 14. Juni, sind wir aus den Federn. In der Nacht hat sich der Wasserspiegel um ca. 30 cm gesenkt, unsere Fender sind fast wirkungslos, sie ploppen hinauf und herunter. Als wir beim Frühstück sitzen, kommt ein Schubverband auf und hält sich an keine Fahrtanweisungen, er rauscht dicht an uns vorbei, obwohl wir außerhalb des Fahrwassers liegen, und der Kaffee schwappt über. Wir beide hechten zur Backbord-Seite, um zu verhindern, dass wir mit den Relingsstützen unter den Steg geraten.
    Trotz dieses heftigen Starts gibt sich der Rhône heute versöhnlich, zeigt sich von seiner guten Seite. Der Wind fächelt angenehm, die Sonne knallt und der Skipper und ich haben unausgesprochen dasselbe Ziel: Schnell weg von hier und die guten Bedingungen ausnutzen. Schon um zehn Uhr sind wir startklar und brechen auf.
    Mit Spannung meinerseits steuern wir Schleuse 2 an, schlappe 6,70m Hub, kaum Wind. Das Schleusen geht wie geschmiert. Hier ist der Fluss, die Landschaft und das Wetter so, wie man es sich wünscht. Olga trabt munter voran.
    Im Schleusenkanal vor der nächsten Schleuse werden wir von einem großen Frachter überholt. Wir sind zu langsam, bis wir ankommen, ist die Schleuse schon geschlossen, wir müssen warten. Machen am Wartesteg fest. Dieses Warten vor der Schleuse bleibt ein elender Nervenkitzel, die Ampel zeigt rot. Sie zeigt rot-grün, das heißt, er schleust wieder aufwärts. Ein Schiff fährt aus, wir warten auf grün, nichts tut sich, ein weiteres Schiff fährt aus, die Ampel bleibt rot-grün, erst bei grün darf man einfahren. Da sehen wir von hinten einen Frachter anrauschen, der hat natürlich Vorfahrt. Nach einer dreiviertel Stunde Wartezeit dürfen wir endlich einfahren und alles funktioniert bestens. 14,50 Meter geht es in die Tiefe. Kein Wind, kein Treibholz.
    Mittlerweile haben wir Flusskilometer 70 erreicht, und laut Flussführer wartet hier ein Sportboothafen auf uns – aber: Pustekuchen. Kein Hafen, nicht mal einen Anleger gibt es hier. Wir schauen uns vergeblich die Augen aus. Also weiter. Auch im nächsten Städtchen keine Möglichkeit zum Anlegen. Wir sind inzwischen schon sechs Stunden unterwegs. Es hilft nichts, wir müssen weiter.
    Eine weitere Schleuse wartet auf uns, als wir ankommen ist rot. Wir machen am Steg fest. Rot-grün, Hoffnung keimt auf. Das Tor öffnet sich, ein Frachter fährt aus. Aber kein Grün. Nach einer Weile erscheint ein Schubverband von gigantischen Ausmaßen, er fährt in die Schleuse ein und wir mutmaßen schon: Da ist kein Platz mehr für uns. Die Ampel zeigt grün. Zentimeter für Zentimeter schiebt der Schlepper die Kähne hinein. Endlich sind sie drinnen. Die Ampel zeigt weiter grün. Ich werfe die Leinen los: »Es ist grün, fahr zu!« (Obwohl ich nicht kommandoberechtigt bin). Wir fahren los, als wir vor das Tor kommen, schaltet die Ampel auf Rot. Wir fahren einen Kreis und legen erneut an. Warten. Der Käpt’n kocht Kaffee. Warten. Rot. Warten. Warten. Offensichtlich wartet der Schleusenwärter auf einen Frachter, der aufwärts schleusen will. Das braucht Nerven. Es ist mittlerweile 18.30 Uhr, wir sind seit mehr als acht Stunden unterwegs, es ist heiß, unsere Getränke sind alle. Rot-grün endlich und als der Frachter heraus ist leuchtet das ersehnte Grün nach einer Stunde Wartezeit. Wir fahren ein. Hinter uns zwei weitere Sportboote.
    Der Flussführer warnt vor einem Felsen in der Flussmitte. Leider stimmen die Kilometerangaben nicht. Wir haben nur noch ein Ziel: Endlich einen Hafen für eine ruhige Nacht. Ich am Steuer, die rechte Fahrwasser-Begrenzung ist durch rot-weiße Baken gekennzeichnet. Ich glaubte, mich daran zu orientieren, links tauchen felsige Hänge auf, der Skipper fragt, ob in dieser Engstelle wohl die Strömung stärker sei, wir schauen auf die Bake, ich steuere weiter, auf einmal Rrrrumps Rrrratsch, Rrrumpel und wieder Rrrrrumps! Da bin ich wohl zu nah ans Ufer geraten, Olga schrappt über Felsen hinweg, es ist zum Fürchten.
    »Was soll ich machen? Soll ich rückwärts fahren?« Ohne große Worte nimmt mir der Käpt’n das Steuer aus der Hand und fährt Olga frei. Ist der Propeller abgebrochen? Ein Ruder? Haben wir gar ein Leck? Es riecht nach Öl. Ist etwa die Hydraulik-Leitung gerissen? – Nichts weiter ist passiert. Olga ist frei und fährt weiter, vorbei am »Table du Roi«, dem berüchtigten Felsen im Fahrwasser – er ist allerdings durch eine Bake gekennzeichnet.
    Endlich erreichen wir Tournon (km 91), hier soll es einen Hafen geben. Es gibt ihn tatsächlich, er ist durch eine schmale Einfahrt zu erreichen, und freundliche Engländer helfen uns beim Manövrieren und erlauben uns, längsseits ihres Bootes im Päckchen zu liegen. Wir sind zehn Stunden gefahren und haben immerhin 50 Kilometer geschafft: der erste Hunderter des Rhône ist in Sicht und er hat sich heute von seiner schönsten Seite präsentiert. Vielleicht können wir Freunde werden.
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