• Valence

    June 15, 2006 in France ⋅ 🌙 29 °C

    Der Rhône will keine Freunde, das hat er nicht nötig, er ist ja so cool! Der nette Tag gestern war wohl ein Ausrutscher. Heute Morgen verabschiedeten wir uns von den netten Engländern auf der »Spring Fever«, verholten unser Boot an den Steg, und gingen erst mal einkaufen. Jetzt erst entdecken wir das nette Städtchen Tournon. Nach den gestrigen Erfolgen zuversichtlich geworden, legen wir kurz vor Mittag trotz frischem Wind ab. Bald wird der Rhône wieder breit und der Wind schaukelt die Wasser zu Wellen auf, man fühlt sich wie auf dem Meer. Nach einigen Kilometern beginnt der nächste Schleusenkanal. Schleusen bei so viel Wind? Vor dem Wehr im Rhône-Arm lockt ein kleines Dorf mit schönen Anlegestegen. Nachdem der Käpt’n mir versichert hat, dass es keine Probleme mit dem Wind beim Schleusen geben wird, fahren wir mutig in den Schleusenkanal ein.
    Immer noch Wellengang. Bald erscheint die Schleuse, jetzt nur noch feste hoffen: grün und kein Wind, grün und kein Wind! Tatsächlich gibt der Schleusenwärter grün, als er uns sichtet und wir dürfen ohne Wartemanöver in die Schleuse Nr. 5 einfahren. Diese Schleuse ist leicht schräg zur Fahrtrichtung angelegt, so dass der Wind nicht so hindurch pfeifen kann, die Ausfahrt bereitet kein Problem. Unser Plan ist, Valence links liegen zu lassen und noch weitere 10 Kilometer zu fahren.
    Nun aber! Der Wind steigert sich wieder zu Stürmchen-Stärke; die Hügel und Felsen an den Ufern verstärken ihn noch. Die Wellen werden immer heftiger, hie und da schlagen sogar Brecher auf das Vordeck. Unter der Brücke von Valence wird es besonders schlimm, Olga gerät heftig ins Stampfen, das Schlauchboot auf dem Vordeck fliegt ca. 30 cm hoch; das Kreuz auf dem die Masten gelagert sind geht in die Knie, die Masten krachen herunter. Wo ist die Marina von Valence? Noch weitere zwei Kilometer kämpfen wir uns durch den tobenden Fluss, dann erscheint die Einfahrt endlich am linken Ufer. Der Käpt’n selbst übernimmt das Ruder. Bei dem pfeifenden Gegenwind muss er über den Fluss hinübersteuern, der Wind packt Olga und will sie herumdrehen, zwischen zwei Baken müssen wir hindurch, hilflos lege ich wenigstens meine Rettungsweste an. Ich befürchte, der Wind könnte uns gegen die Bake drücken. Aber der Käpt’n hat sein Boot im Griff und gekonnt lenkt er es in die Hafeneinfahrt hinein, dort ist es spürbar ruhiger. Ein hilfreicher Mensch kommt herbei und übernimmt eine Leine und im Nu liegt Olga in einer Box fest vertäut und wir – ich! – atme/n auf.
    Nach einer Erholungspause räumen wir auf, die Masten werden ordentlich vertäut und gesichert, das Schlauchboot ebenso, aber bei solchem Wind wollen wir nicht fahren. Die Aussichten für die nächsten Tage sind leider nicht erfreulicher.
    Als wir aus der Capitainerie kommen, spricht uns ein Ehepaar an, Deutsche. Er kennt sich aus, liegt schon seit fünf Jahren mit seiner Motoryacht hier. Wir kommen ins Gespräch, die beiden laden uns zur Stadtbesichtigung mit ihrem Auto ein. Er empfiehlt, Olga hier zu lassen, alle südlicheren Häfen seien wesentlich teurer. Es wird ein außergewöhnlicher Abend für uns »Eremiten«: Ein Abend in Gesellschaft, Episoden werden ausgetauscht, gelacht, geschwätzt, ganz nett, und ganz zum Schluss die Schiffe gegenseitig besichtigt.
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