• Rockfall

    July 13 in the United States ⋅ ☁️ 24 °C

    Obwohl ich schon um 6 Uhr meine Etappe starte, ist das Camp schon halb geleert. Manche stehen hier echt verdammt früh auf und starten ohne Frühstück - das ist mir tatsächlich noch nicht passiert. Heute habe ich aber die Haferflocken über Nacht eingeweicht und werde den Kaffee an Morgen kalt trinken - spart Gas und Zeit und ist bei den sommerlichen Temperaturen gar nicht so schlimm, wie es sich anhört…

    Die ersten 1,5 Stunden geht es gleich mal einen Pass hoch, so dass ich zu Beginn schon ordentlich eingelaufen bin - zunächst ohne Aussicht im Wald, nahe dem Pass wieder mit atemberaubenden Panoramen. Oben will ich eigentlich eine wohlverdiente Riegel-Pause machen - aber die Moskitos haben auch Hunger und ich spute mich, damit ich weiterkomme.
    Ein neues Hiker-Gesicht taucht hinter mir auf: „No Snow“ aus Spanien - wir werden uns heute noch öfters über den Weg laufen. Zunächst gehe ich aber den Abschnitt alleine weiter, denn er stellt sich mutig den Moskitos.

    Steil, ausgesetzt und wild wird es nun. Der Abgrund neben einem würde keinen Fehler verzeihen. Dazu ist der Weg stellenweise ausgewaschen, so dass man sich an einigen Stellen gut konzentrieren muss. Plötzlich höre ich ein poltern über mir und ein paar grössere Steine rauschen keine 2 Meter vor mir ins Tal. Ich schaue perplex nach oben um etwaigen weiteren Steinen ausweichen zu können - zum Glück kommt nichts nach. Aber das Adrenalin sprudelt. Wäre ich zwei Sekunden schneller gewesen, hättet ihr diesem Text nicht lesen können…

    Es im wird ein langer und heisser Tag und es folgt noch ein weiterer anstrengender Pass auf über 2.300m in praller Sonne, bevor ein laaaanger Abstieg beginnt.

    Der Steinschlag geht mir allerdings nicht mehr aus den Kopf und ich sinniere vor mich hin, was passiert wäre wenn - und wie wohl meine Familie davon erfahren hätte, welche Sorgen sie sich gemacht haben müsste - die Ungewissheit - eine Suchaktion starten - dann die schreckliche Nachricht - Formalitäten - Überführung usw.

    Mir kommen Zweifel…

    Den zweiten Teil des Tages kämpfen wir gegen die Sonne, die Hitze und die lange Etappe. Wir sind nun im North Cascades National Park und müssen uns zu einem bestimmten Camp durchschlagen. Mit letzter Kraft und schmerzenden Füssen komme ich dort an. Natürlich habe ich mir ohne die Zehensocken eine Blase gelaufen.
    Nach dem Abendessen falle ich schließlich in einen unruhigen Schlaf…

    🥾 38 km
    ↗️ 1.247 m
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