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  • Day 6

    Die Schöne und der Gerät

    January 22, 2018 in Uruguay ⋅ ☀️ 25 °C

    Bevor ich über unsere zweite Destination, Montevideo in Uruguay, berichten kann, muss ich noch kurz über den letzten und zugleich glorreichsten Abend in Buenos Aires sprechen. Sue hat es seit unserem Reisebeginn geschafft, auch ohne leuchtend rotes Gesicht, ein strahlendes Äusseres mit der Welt zu teilen. Wenn ihr mich fragt, Sue wird Tag für Tag schöner und ihr Dauer-Lächeln steht ihr ausgezeichnet. Aber wie Mama schon immer gesagt hat, "us jedem Lächli gits es Bächli", oder so ähnlich. Was war passiert?

    Nach unseren Sonntagsaktivitäten (ich glaube es war Sport, Frühstück, Walking-Tour, und was sonst noch immer, eigentlich völlig irrelevant), kommen wir erschöpft zurück in unser schnuckeliges Hostel, als Sue wie gewohnt als erstes zu ihrem iPad greift, um "extreeem wichtige" Dinge zu erledigen. Doch der Griff geht ins Leere. Kurzum, das iPad ist weg. Jede Ecke und Schublade, jeder Rucksack und Teppichvorleger wird zig mal und stundenlang durchwühlt, nur um schlussendlich betrübt festzustellen, das scheiss iPad ist tatsächlich weg. Konsterniert sinkt die schöne Sue aufs Bett und setzt einen "die Welt hasst mich"-Blick auf, bevor ihr wortlos eine kleine Träne über die Wange kullert. Echt jetzt? Noch keine Woche vergangen und schon minus 1 iPad?! Das kann ich so nicht akzeptieren. Klauen ist das Letzte. Zuviel für etwas verlangen, ok. Aber klauen? Geht gar nicht, da werde ich zum Biest.

    Ich lasse also die kollabierte Sue im Zimmer zurück und stampfe im für alle hörbaren deutschen Stechschritt gen Reception, die ist ein Stock tiefer, aktuell von einem etwa 13-jährigen Mädchen besetzt. Wie fange ich an? Zuerst der Gesichtsausdruck, ein Blick der signalisiert „sag die Wahrheit oder ich fackel die verdammte Hütte ab“. Dann die richtige Wortwahl, kurze Sätze, investigativ, jeder ist verdächtig, ich kann nichts ausschliessen. Womöglich hat das hier im Haus System. ich überlege kurz Maria Inés A., meine südamerikanische Anwältin und Verehrerin von Iberia Flug IB6841, einzuschalten. Ich denke sie hätte uns (bzw mich) gerne und ohne Entgelt in diesem heiklen Fall einer möglicherweise grossen Konspiration vertreten. Doch das kecke Mädchen hinter dem Tresen lässt sich offensichtlich nicht so schnell einschüchtern und startet ihre Ermittlungen mit einem leeren Blatt Papier, einem Stift und der Frage, wann wir der Gerät zuletzt gesehen haben. Ich bin für einen kurzen Moment beeindruckt. Das lasse ich mir aber nicht anmerken.

    Sie kenne alle Angestellten, Einsatzpläne und es gäbe Videoüberwachung im ganzen Haus. Mit diesen Informationen schien mir eine Aufklärung des Verbrechens durchaus möglich. Das strukturierte Vorgehen gefällt mir, für ein Lächeln reicht es trotzdem nicht. Ich behalte also meine „erzähl keinen Scheiss“-Fratze auf und beantworte ihre Fragen kurz und präzise. Obwohl ich ehrlich gesagt nicht die leiseste Ahnung habe, ob, wann, wie oder wo das iPad zuletzt gesehen wurde. Hauptsache wir können diesen Fall gemeinsam zügig lösen. Ein wenig wie Starsky and Hutch oder Sherlock Holmes und sein zweitrangiger Helfer, dessen Name mir aus lauter Unwichtigkeit für die Geschichte gerade nicht einfällt.

    Ich muss an Sue denken, wie sie gebrochen auf dem Bett liegt, eine weitere Träne vergiesst und trotzdem wunderschön aussieht. Das kann ich nicht zulassen, sie ist schliesslich auch immer für mich da, wenn ich mal wieder der Einzige bin, der sich über einen komplett belanglosen und von Unwichtigkeit nicht zu übertreffenden Quatsch enerviere. Was zwar selten(er), aber doch ab und zu (noch) vorkommt. Da höre ich auf einmal ihre Stimme meinen Namen sagen, ganz leise und weich, wie der zärtliche Hilfeschrei einer Elfe, die bereits geschwächt an der prallen Sonne zu verglühen droht. Ich halte das zuerst für eine Einbildung aufgrund der eben gehegten Gedanken. Doch ich höre meinen Namen erneut, diesmal etwas klarer. Da ich die Stimme eindeutig Sue zuordnen kann, verwerfe ich meine Theorie mit der angekokelten Elfe und strecke meinen Kopf aus der Tür in Richtung „Innenhof“.

    Ja und da steht sie, am Geländer einen Stock höher, die wunderschöne Sue mit einem etwas weinerlichen Gesichtsausdruck. „Ich has gfunde“ sagt sie kurz und knapp. Meine finstere Miene bleibt finster und mein Blick bleibt einen Moment bei Sue, um kurz darauf ins Leere zu schweifen. Echt jetzt?! Das ist alles? „Pasci, ich has gfunde ...“?? Das investigative Mädchen an der Reception fährt derweil mit ihren Ermittlungen fort und wirft mir die nächste Frage mit erwartungsvollem Blick entgegen. Ich verstehe kein verdammtes Wort mehr und fühle mich zurückversetzt nach Gaschurn, als mich meine halb- bis unwissenden Tennis-Gschpändli in eine ähnlich verkackte Situation brachten.

    So liess man mich dereinst im Glauben, wir hätten die gebuchten Hallenplätze ab halb zwei für 2 Stunden für uns, auf eine andere (weit weniger talentierte) Tennis-Gang los, die gerade ein kleines Turnier austrug. Natürlich räumten die Loser aufgrund meiner eindrücklichen physischen und verbalen Dominanz den Platz innerhalb von zwei Minuten. Allerdings nur um eine Minute später mit einem furchtbar schmerzlichen Sieger-Grinsen zurückzukehren, nachdem meine eben erwähnten heiss geliebten aber zu diesem Zeitpunkt komplett verhassten Companions durch die Halle riefen, dass wir die Plätze wohl erst ab halb drei für uns hätten. Echt jetzt?! Ach lasst mich doch in Ruhe mit diesem Scheiss!

    Anstelle einer Antwort bringe ich also nur ein leises und von einer priese Peinlichkeit berührtes „she found it“ über die Lippen. Little Inspector Barnaby hinter der Theke scheint nicht zu verstehen und wiederholt ihre letzte Frage, die ich immer noch nicht verstehe(n will). „She found it, I‘m sorry“ sage ich etwas bestimmter, worauf Mini-Sherlock einen Jauchzer von sich gibt. „Awesome, oh, that‘s great!“ ... keine Ahnung was daran "great" sein soll, hatte ich doch eben das gesamte Personal des kollektiven und konspirativen Diebstahls beschuldigt und innerlich gedroht, den ganzen Scheiss hier niederzubrennen. Ausserdem standen wir doch so kurz davor, den Fall dank Einsatzplänen der Putzequipe und Überwachungsvideos gemeinsam zu lösen.

    Naja, ich lasse das offensichtlich verwirrte Mädchen zurück und belohne Sue beim betreten des Zimmers mit einem ungewollt (oder vielleicht teilweise gewollten) bösen Blick. Sie reagiert mit entschuldigender Miene und einer zärtlichen Umarmung, bevor sie auf ihrem iPad ein weiteres Mal versucht, Candy Crush Level 983 zu schaffen. Verdammt wichtiges Zeugs eben. Dank einer weiteren Umarmung verziehen sich die Wolken schnell und ich verstehe langsam, worüber sich das kriminalistisch versierte Mädchen gefreut hat.

    Schnitt, Montevideo. Die Fähre ist nicht gesunken und wir sind heil in der Hauptstadt Uruguays angekommen. Ab Minute 1 gab es eigentlich nur ein Ziel. Meer. Also für "Beautiful Sue", ich war eher auf der „faul im Park liegen“-Schiene. Aber wie schon im Film "Vincent will Meer" (https://de.m.wikipedia.org/wiki/Vincent_will_Meer), ist Widerstand zwecklos. Sue will Meer. Da hilft auch der Hinweis nicht, dass es sich eigentlich um einen Fluss handelt, was denn auch die furchtbar braune Kloake erklärt, die uns schon in Buenos Aires ziemlich gestunken hat. Sue ist das egal, Hauptsache nasse Füsse. Ich bleibe trocken. Vorerst. Ist schliesslich mein Geburtstag heute (danke nochmals für all die lieben Nachrichten aus der Ferne!). Zusammenfassend kann gesagt werden, die beiden südamerikanischen Metropolen sind wirklich schön, aber Sue findet dann doch, Lugano habe die schönere Promenade und Wasserfarbe. Ich stimme ihr zu.

    Aber hey, aus Uruguay kommt der Wein der Weine: Don Pascual! Und so war es denn gegen Abend vorbei mit der Trockenheit. Zum Rotwein gabs ein Filet de Lomo, eine Schüssel Grünzeugs und später noch eine dicke Montecristo. Hätte der Abend anders ausgesehen, wenn dies kein Geburtstag gewesen wäre? Wohl eher nicht. Und habe ich eigentlich schon erwähnt, wie verdammt lecker Wein und Fleisch hier sind? Und wenn das medium-rare bestellte Filet de Lomo vor dem Servieren doch mal geschätzte 42h auf dem Grill vergessen gehen sollte - so sah es wirklich aus -, wird es auch anstandslos, komplett und umgehend ersetzt. Die Kruste die ich vor der äusserst bestimmten aber nicht minder freundlichen Reklamation abgeknabbert habe, war allerdings sehr geil und das abschliessend offerierte Glas Champagner liess das ausgetrocknete und stellenweise verkohlte Stück Fleisch zu einem gefühlten Gewinn werden.

    Und jetzt noch das Sahnehäubchen vom Sonntag. Wer in Uruguay mit einer ausländischen Kreditkarte bezahlt, bekommt tatsächlich einen 18% Discount auf seine Rechnung! Kein Witz! Ich hatte davon gelesen, war aber nicht sicher, ob das wirklich stimmt. Laut Free-Walking-Tour-Guide Gonza steckt dahinter ein nationales Programm zur Förderung des Tourismus. Siehe da, das Geburi-Dinner entwickelte sich also definitiv zum Highlight des Tages. Geiles Land. Uruguay first und Uruguay for president! Macht doch Sinn, dass die reichen Touris weniger bezahlen als die vergleichsweise armen Locals, die sich ab und zu ein Essen auswärts gönnen.

    Nun geht es für einen Tag zurück nach Buenos Aires, bevor es dann am Mittwoch mit dem Flieger (LA7744, hab dich auch lieb, Mam) nach Ushuaia geht und vielleicht endlich etwas ruhiger wird ...

    Unser erstes kleines Drohnen-Video gibt's hier: https://youtu.be/omLrhyBvy6M
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