• Falsche Schlangen auf teurem Pflaster

    June 9, 2018 in Costa Rica ⋅ ⛅ 22 °C

    Also unsere "one boat four buses"-Tour war ein voller Erfolg. Irgendwie gingen die Fahrpläne auf und wir erreichten unser angestrebtes Ziel in knapp fünfzehn Stunden. Hab ich toll gemacht. Sue auch. Ok, in erster Linie Sue. Aber ich hab ganz toll mitgemacht. Da uns die Buchungen ausgehen, wurde es Zeit, erneut ein wenig in die Zukunft zu schauen. Das nächste grössere Ziel ist bzw. war Nicaragua. Wir beobachten die aktuelle Situation im Land seit einige Tagen wenn nicht Wochen. Ok, in erster Linie Sue. Aber ich hab sie das jeweils ganz toll machen lassen. Das Land versinkt zur Zeit in Chaos und Gewalt und Reisen ist aufgrund unzähliger Strassenblokaden an vielen Stellen nicht mehr oder sehr eingeschränkt möglich. Treibstoff und Nahrung sind an vielen Orten bereits knapp, was die Stimmung und Ordnung weiter Bach ab treibt. Wir haben uns daher und sicherlich zur Freude vereinzelter Verwandter dazu entschieden, Nicaragua per Flugzeug zu überspringen und stattdessen ins nunmehr nur noch zweitgefährlichste Land Zentralamerikas, El Salvador, zu reisen. Das stand zwar bisher auf keiner Liste, gewann aber bei der Suche nach dem günstigsten Flug aus Costa Rica. Mit Abstand. Spannend. Ich freu mich!

    So, wo sind wir hier eigentlich? Genau, La Fortuna. Unser Hostel liegt etwas ausserhalb und entpuppt sich als ein komplettes und fast neues Haus mit zwei Schlafzimmern, wobei das andere Zimmer nicht besetzt ist. Wir geniessen also ein Haus für uns inklusive nahrhaftem Frühstück für sagenhafte achtzehn Stutz pro Nacht. Geil. Der morgendliche Überfall vom angsteinflössenden Haushund Bebé Junior macht ebenfalls Stimmung. Was ein Tier! Nach der morgendlichen Buchungsrunde steht dann auch unser Tagesplan und ich verstehe nun auch, wieso Costa Rica bei vielen Reisenden total unpopulär ist. Mein Gott ist das alles teuer hier. Taxi- und Eintrittspreise wie in Zürich. Uns ist eindeutig nach Entspannung und La Fortuna bekannt für seine Hotsprings. Zuoberst auf der Liste steht der fünf Sterne Palast "The Springs", in welchem schon die bescheuerte Kardashian abgestiegen ist und die mindestens so beknackte Costa Ricanische Version vom Bachelor gedreht wurde. Scheint also genau unser Niveau zu haben und dank einem Promo-Combo-Offering und etwas Verhandlungsgeschick, kriegen wir einen Zweitagespass für die Hotsprings und ein Etepetete-Dinner (mit richtigem Brot!!) für läppische achtzig Dollar. Nicht billig, aber günstig. Das rede ich mir seither zumindest ein. Scheisse ist das alles teuer hier.

    Schon nach wenigen Minuten beurteilen wir die paar Dollarios als kleinen Preis für unser maximiertes Wohlbefinden. Die Anlage ist ein Traum und wir da, wo wir hingehören. Man bekommt eigentlich alles, was man sich wünschen kann. Vorausgesetzt, man hat eine Zimmernummer und genügend Kleingeld. Da uns schon Ersteres fehlt, konzentrieren wir uns vornehmlich aufs Baden und ergötzen uns lediglich an den ganzen Drinks, Fingerfood-Platten und Sushi-Kreationen. Die meist amerikanisch-stämmige Schickeria zeigt sich erwartungsgemäss verschwenderisch. Auf einer Sushi-Platte, die es mir besonders angetan hat, bleibt doch tatsächlich jedes dritte Stück liegen. Es droht also akuter Food-Waste, was meinen Dad auf die neben der Platte stehende Palme bringen würde. Völlig zurecht! Das kann und will ich nicht zulassen. Darauf angesprochen, will mich Sue in der Folge allerdings nicht mehr loslassen. Man isst doch nicht die Reste anderer! Man? MAN?!! Hatten wir das nicht schon? Der vollgefressene Geldadel ist weitergezogen und in wenigen Minuten wird einer der äusserst aufmerksamen Kellner die in meinen Augen glitzernden Sushi-Häppchen in einer Tonne entsorgen. Was tun?

    Ich erinnere mich erneut an das Buch, das ich nicht gelesen habe. Wie würde ein Navi Seal auf eine solch bedrohliche Situation reagieren? Tja, wie gesagt, ich habe das Buch nicht gelesen. Von daher, scheiss egal. Ich steige aus dem Pool, laufe lässig tropfend zu besagtem Tisch und greife mir beherzt das glitzerndste Stück. Ich drehe mich um, laufe weniger lässig jedoch unaufgeregt zurück zum Pool und fange erst kurz vor dem Sprung ins warme Nass an zu kauen. Sue kann kaum fassen, was eben passiert ist, was zu einer Mischung aus lautstarkem Lachanfall und leicht aufgesetzter Verabscheuung führt. Gänzlich unberührt davon, geniesse ich das vorzügliche Stück Sushi, das Lust auf mehr macht. Mehr gibt es aber nicht, der Kellner ist dann doch schneller. Schade. Denn das darauf folgende Etepetete-Dinner entwickelt sich gastronomisch nicht ganz zu dem Highlight, das wir uns erhofft hatten. Gut war es trotzdem. Und mein Dinner-Highlight war sowieso der von Sue um zirka neun Uhr erspähte Schmetterling. Die zugegebenermassen grosse Motte dürfte sich über das Kompliment gefreut haben. Während sie unentwegt versuchte, dem als Lampe getarnten Mond zu folgen.

    Das letzte Highlight ist sicher die erste Schlangensichtung nach fast fünf Monaten reisen. Endlich. Beim Hiken am Fusse des Vulkans Arenal zeigten sich uns gleich zwei Schlangen. Eine ungiftige "False Fer-de-Lance (falsche Lanzenotter)" - wie Dr. Ramon, der Bauspengler der vorgibt Zahnarzt zu sein - und eine hochgiftige "Yellow Eyelash-Viper (gelbe Lanzenotter)" mit ihren lustigen langen Wimpern. Süss war sie. Moment, das wirklich allerletzte Highlight war natürlich die Schätzung meines Alters durch ein amerikanisches Pärchen Anfang fünfzig, mit denen wir ein paar Stunden (buchstäblich) über Gott und die Welt philosophiert haben. Zwischen drei- und fünfundzwanzig! Obwohl ich beim Baden kein Cap auf hatte! Ich bin wohl der nächste Benjamin Button. Oder hab ich einfach nur pubertären Quatsch von mir gegeben? Egal ... Nun geht es nach Monteverde. Ist nicht weit.
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