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  • Day 296

    Berufswunsch: Influencer

    November 8, 2018 on the Philippines ⋅ ⛅ 31 °C

    Nach einem herzlichen Abschied von Vanessa und Thorsten boarden wir kurz nach Mitternacht eine Maschine nach Cebu. Ich lasse mich wie befürchtet in einen Mittelsitz fallen und platze fast. Teils vor Wut, teils aus Platzmangel. Ein Mittelsitz wie man ihn sich an einem ganz düsteren Tag mit schlechter Grundstimmung vorstellt. Also so, wie ich mir jeden Mittelsitz vorstelle. Neben mir am Fenster ein etwa zweihundert Kilogramm breiter Asiate, der wirklich streng riecht. Ein beissender Geruch. Der Herr ist bestimmt ein toller Mensch, den ich keinesfalls für irgendwelche Äusserlichkeiten verurteilen möchte. Das war ich vor einigen Jahren mit deutlich mehr Masse ja auch. Oder auch nicht, aber das hatte wohl mehr mit meinem egozentrischen Karrieredenken und der „I bi dee, I bi dee“-Attitüde zu tun, als mit unangenehmem Geruch. Nicht, dass ich dieses Gebaren seither abgelegt hätte, ich biete einfach weniger Angriffsfläche. Physisch. Aber egal. Mr Sumo scheint dann doch kein so toller Mensch zu sein, denn neben der Geruchsattacke erwidert der Stinker auch mein ach so freundliches Hallihallo nicht. Die ignorante Sau.

    In dem Moment denke ich mir schon diverse Strafen für die am Elend schuldige Sue aus, während ich ihren zögerlichen Annäherungsversuchen gekonnt ausweiche. Ich ignorante Sau. Aber eigentlich ist es ja meine Schuld. Wieso lasse ich sie auch wieder Flüge buchen?! Ich Idiot. Als die Flugzeugtüre ins Schloss fällt, ein Hoffnungsschimmer. Die Reihe schräg gegenüber ist komplett frei. Über den Lautsprecher faselt Madame zwar was von Umsitzen verboten, aber da sitze ich schon längst am Fenster. Zum Glück für Sue. Immerhin hat sie den Wechsel in einem kurzen Gespräch mit einer Stewardess noch rechtlich abgesichert. Das rechne ich ihr zwar nicht hoch an, aber es reicht als Wiedergutmachung. Für den Moment.

    Wie schon in Singapur, landen wir auch im philippinischen Cebu um vier Uhr in der Früh. So ist das eben, wenn man aufgrund wachsender Armut ausschliesslich auf Flüge zu „günstigen Randzeiten“ setzt. Aber wie schon beim lieben Thorsten, lässt uns auch das liebe Hostel in dieser Herrgottsfrühe bereits ins riesige Zimmer mit bequemem Bett, was uns nochmals ein paar Stunden Schlaf ermöglicht und das Hostel zu einem Top-Kandidaten für die letzten zwei Nächte auf den Philippinen macht, für welche wir noch keine Unterkunft gebucht haben. Kaum ausgeschlafen, buchen wir trotzdem was anderes. Der Wasserhahn im Bad ist kacke.

    Nachdem uns im eher kühlen Australien die Sonne dank des freudigen Besuchs eines Freundes bekanntlich a u s dem Arsch schien, lassen wir uns diese im eher heissen Cebu zur Abwechslung a u f den Arsch scheinen. Höchste Zeit, wieder an der Tan-Line zu arbeiten. Wir wollen ja zu Weihnachten schön braun sein, damit dann Freunde und Familie all unsere Hochglanzfotos und -videos vom zuckersüssen Leben auf Reisen auch schön liken. Gelb vor Neid - oder einfach blass - und mit dem Wunsch, irgendwann auch so etwas tolles zu erleben. Die Realität, dass wir uns in der wunderbar festlichen (Vor-)Weihnachtszeit eigentlich nichts sehnlicher wünschen, als einfach mit Freunden und Familie zusammen zu sein und wir uns lediglich bräunen, um nicht das eigene Gelb sichtbar zu tragen, zeigen die ganzen Socialmedia- und Pinguin-Posts natürlich nicht. Wäre ja total uncool. Tja, so ist das eben mit dem modernen „Influencer“-Leben. Nie war es einfacher, eine übertrieben schöne Fassade aufzubauen, um anderen und vor allem sich selber etwas vorzumachen. Ganz professionell. Traurig. Aber wahr. Irgendwie.
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