Satellite
Show on map
  • Day 4

    Sex in der Umkleide

    September 1, 2019 in Switzerland ⋅ ⛅ 19 °C

    Die Feier beginnt gegen neun Uhr abends und endet mit dem Frühstück um sechs oder sieben Uhr in der Früh. So will es der lokale Brauch. Und so lautet unser Plan. Meine Feier beginnt allerdings schon um 19:00 in Zimmer 314. Symeon und Michail haben zwei Flaschen Rum und Gin im Duty Free erworben und teilen das begehrte Gut gerne mit einem verzweifelten Trinker wie mir. Geili Sieche! „Vorglühen“ könnte man es nennen oder den verzweifelten Versuch, eine nüchterne Hochzeit ausgiebig und gebührend vorzufeiern. Und siehe da, die marokkanische Braut und der litauische Bräutigam machen ebenfalls kurz Halt in Zimmer 314. Macht Sinn. Drei übertrieben starke Drinks und zwei siebzigprozentige Shots aus litauischer Eigenproduktion später geht es auch schon los. Ich freu mich auf die Nacht. Sue auch. Für die erste volle Stunde sind wir allerdings die einzigen Gäste und als gegen Zehn die nächsten Gäste eintreffen, bin ich schon wieder nüchtern. Fuck.

    Einige Gäste sehen in uns zwei eine unheilige Allianz zwischen der bezaubernden Blake Lively - ihres Zeichens erfolgreiche Schauspielerin und Ehefrau vom lustigen Ryan Reynolds - und einem herausgeputzten Heisenberg - seines Zeichens Meth-Chefkoch und furchtbar schlechter Ehemann. Naja, berühmt sind sie beide. Irgendwie. Herausgeputzt wird heute Nacht neben mir auch die strahlende Braut. Ganze sechs(!) Outfits präsentiert die Schöne im Laufe der Nacht. Passend dazu wird auch das Sofa jeweils neu bezogen, zu welchem sie standesgemäss in einer ebenfalls zum jeweiligen Kleid passenden Sänfte getragen wird. Das gefällt der kleinen Sue natürlich - wie jedes Mädchen im Herzen immer noch ein wenig Prinzessin. Ich für meinen Teil hoffe ja, die zwei Turteltauben hatten schon vor der Ehe Sex. Denn in dieser von Outfits, Essen und Tanzen geprägten Hochzeitsnacht wird das bestimmt nichts. Wobei, vielleicht in der Umkleide bei einem der fünf Kleiderwechsel? Man weiss es nicht.

    Eine wirklich interessante Erfahrung so eine marokkanische Hochzeit. Immer kitschig und laut mit viel Gejohle, das ein wenig an das Gebrüll von Minaretten erinnert. Und so eine alkoholfreie Nacht bringt durchaus auch Vorteile. Neben der Halbierung der Kosten kommt es hier zu keinerlei Totalausfällen von „komischen Onkels und Tanten“, die es in jeder Familie gibt und die ab dem zweiten Glas Wein die eh schon schwache Contenance vollends verlieren und nicht selten wegen Nichtigkeiten unerwartet blutige Schlägereien mit dem Service-Personal anzetteln. Sowas gibt es hier nicht. Das einzig Aggressive das ich gegen vier Uhr morgens beobachte, ist ein offensichtlich genervter Sexjähriger, der einem offensichtlich unnötig nervigen Fünfjährigen mit geballten Fäusten ordentlich auf die Fresse gibt. Kinder eben. Apropos Fresse, was nach einer Nacht voller Wasser und Tee ebenfalls ausbleibt, sind die Kopfschmerzen sowie die staubtrockene und ätzende Fresse am nächsten Morgen. So gesehen eine gute Sache. Aber das mit der Zeit!? Die traditionelle Hochzeitstorte wird doch tatsächlich erst um viertel nach fucking Fünf angeschnitten. Eine Zeit, zu welcher die meisten Gäste - Zuckerschnute Sue gehört nicht dazu - das Interesse an Torte schon lange verloren haben. Für die gibt es als Alternative lecker Frühstückssuppe mit Einlage. Lustiges Volk.

    Wir schlafen für ein Mal bis weit in den Tag, sind ab 14:00 ohne Hangover ungewöhnlich schnell wieder auf den Beinen und auf der Suche nach Black-Soap, Argan-Öl und sonstigem Kosmetik-Ramsch. Also Sue. Mich zieht es relativ schnell in die Gegenrichtung zu Beach-Bar und Mojito. Diniert wird dann zur Freude Sues wieder zusammen und in Begleitung von London-Chics und Brautpaar und zu meiner Freude mit einem erstaunlich leckeren Weisswein aus der Region. Alles in allem also wieder ein Happy-End.
    Read more