Satellite
Show on map
  • Day 10

    Arequipa I

    November 11, 2016 in Peru ⋅ 🌙 13 °C

    Nach unserem Abendessen in Nasca sind wir gegen halb 11 zum Busbahnhof gefahren. Dort wollten wir den Nachtbus nach Arequipa nehmen, der eine Stunde später ankommen soll. Wir sind ziemlich darauf bedacht, immer überpünklich loszufahren, da wir weder den Verkehr noch die Gegebenheiten vor Ort einschätzen können. So zum Beispiel gehört es in Peru inzwischen zum Standard, dass man bei Busreisen seinen Pass vorlegt, mit einer Kamera mehr oder minder direkt ins Gesicht gefilmt wird und mehr oder minder ungenau mit einem Metalldetektor untersucht wird. Hintergrund hierfür waren gehäufte Busüberfälle in der Vergangenheit, bei der ein Komplize im Bus saß und den Fahrer dann zum Anhalten in der Pampa zwang, wo andere Diebe auf den Bus warteten. Da unser Bus allerdings um eine Weile verspätet war, unterhielten wir uns mit einem belgischen Pärchen, dass unsere Begeisterung über die Kulturschätze ihres Landes nicht so recht teilen konnte und schauten den Hunden beim Herumstromern zu, die auf dem Busterminal zum Inventar zu gehören schienen. Ganz im Allgemeinen gibt es hier viele Straßenhunde und die meisten sind ungemein nett und an das hektische Leben in den Städten und Orten gewohnt. Nur einmal wurden wir von einem Hund lautstark vertrieben, der seinen Besitz verteidigen wollte. Bei ihm handelte es sich aber um einen Privathund. In dem Buch „Wolkenpfad“ von John Harrison, dass ich vor unserer Reise gelesen habe, berichtet er mehrfach davon, von Hunden angegriffen worden zu sein. Ich hoffe sehr, dass uns das nicht auch noch bevorsteht, bin aber bisher sehr zuversichtlich. Ich habe versucht etwas im Internet zu recherchieren, wie man mit aggressiven Hunden umgeht. Den besten Tipp fand ich, dass man immer ein Stück Fleisch oder eine Hundespielzeug zum Ablenken bei sich tragen sollte…

    Die Fahrt selbst war durchwachsen, aber besser als erwartet. Wir haben uns für die 10-stündige Tour extra wieder im VIP-Abteil eingemietet und verhältnismäßig gut geschlafen, obwohl ich immer mal wieder aufgewacht bin. Als wir dann in Arequipa angekommen sind, erwartete uns der größte Busterminal, den wir bisher gesehen hatten. Auf der einen Seite waren dutzende Kabinen von Busanbietern, die marktschreierisch die nächsten Ziele anprisen, auf der anderen Seite waren Verkaufsläden, die alle über das selbe Inventar verfügten (Wasser, Chips, Schokolade, Brötchen, Cola, …) und ebenfalls um Kunden warben.

    Unser Unterkunft lag 10 Gehminuten von Plaza de Armas entfernt im Stadtteil Vallecito und war ein ganz beschauliches, familiär gefühtes Hostel. Aufgemacht wurde uns von einem alten Mann, möglichweise dem Großvater der Familie. Er war sehr aufgeschlossen, aber eben auch ein wenig alt und so entwickelten sich in den nächsten Tagen oftmals komische Gesprächssituationen, die in einer Mischung aus Englisch, Deutsch und Spanisch bewältigt wurden. Er freute sich immer, wenn er seine rudimentären Deutschkenntnisse anbringen konnte, ähnlich wie es uns freut, wenn man hier mit uns Spanisch spricht. Sein Lieblingssatz war „Entschuldigen Sie mich“, wenn er den Raum verließ. Er sagte uns auch, dass wir ihn unbedingt googeln sollten, ohne uns zunächst seinen Namen zu verraten. Nachdem wir ihn herausbekommen haben, erfuhren wir, dass er als Physiker tätig war und Inca-Stätten untersucht hatte.

    Die ersten Stunden in Arequipa verschliefen wir. Am Nachmittag sind wir dann noch zum Plaza de Armas gegangen, der von schönen Balkonbauten und der Hauptkirche der Stadt, die aus Vulkangestein gebaut wurde, eingerahmt ist. Auf einem der Balkone tranken wir einen Kaffee (der wirklich entsetzlich geschmeckt hat) und schauten etwas dem Treiben zu. Der Platz ist, wie in Rom oder Vendig voll mit Tauben. Wir sahen zum Beispiel einen alten Mann, der von oben bis unten mit Tauben bedeckt war, während er sie füttete. Er saß auf einer Bank, die auch voll mit den Vögeln war. Nur seine Hutkrempe schien herauszuschauen. Eigentlich wollten wir an dem Tag noch in ein Museum gehen, nachdem wir aber so erledigt von der Busfahrt waren, entschieden wir uns nur für ein gutes Essen und einen Spaziergang kleinen Spaziergang durch die Straßen des Zentrums, mit all ihren Kolonialbauten, bevor wir nach Hause gingen.

    Gegessen haben wir in einem Kartoffel-Laden, dessen Konzept es war peruanische Kartoffeln mit bestimmten Belägen anzubieten. Lange wurde Peru als Ursprungsland der Kartoffel gehandelt. So heißt sie im finnischen auch „Peruna“. Inzwischen geht man aber davon aus, dass sie aus dem gesamten Andenhochland stammt. Arequipa liegt im Übrigen auch schon etwa 2300 Meter hoch, was sich bei mir bereits in einer leicht geringeren Belastbarkeit bemerkbar gemacht hat.

    Am nächsten Morgen wollten wir eigentlich wieder an einer Free-Walking-Tour teilnehmen. Die war dann aber so furchtbar aufgemacht, dass wir uns nach dem ersten Punkt der Tour heimlich absetzten und in das alte Kloster gingen, dass eine Hauptattraktion von Arequipa ist. Das Kloster ist wirklich eine Stadt für sich, mit bunten Wänden und vielen Orangenbäumen, die auf kleinen ummauerten Plätzen wuchsen. Auch schöne Gärten waren innerhalb der Mauern angelegt. Am beeindruckensten war allerdings ein zerstörter Abschnitt des Klosters, der an ein großes Erdbeben erinnert. Im Verhältnis zur Stärke des Bebens war dieser Abschnitt ungemein klein und dennoch hat er uns daran erinnert, dass wir uns derzeit in einer der seismisch aktivsten Zonen der Erde befinden. Im letzten Monat hat es hier 18 detektierte Beben gegeben, von denen fast alle keine Zerstörung verursacht haben.

    Nach dem Kloster gingen wir noch in das Museum, in dem die Mumie von Juanita verwart wird. Juanita war ein Menschenopfer der Inca, die dafür bekannt waren, inbesondere Kinder zu Opfern. Um Arequipa herum befinden sich mehrere Vulkane, die mit Hilfe dieser Opfer beschwichtigt werden sollten. Die Kinder ließen sich dabei, so zumindest wird es vermutet, freiwillig opfern, da sie ihr Leben lang auf diese Rolle vorbereitet waren. Für sie und ihre Familien war dies eine große Ehre, da das geopferte Kind seinen Platz bei den Göttern einnehmen sollte. Juanita wurde zufällig auf der Spitze von Mount Ampato gefunden. Im Gegensatz zu den Nasca mumifizierten die Inca ihre Toten allerdings nicht. Allein die Kälte hat dafür gesorgt, dass Juanita und noch andere gefundene Kinder so gut erhalten sind. Gefunden wurde sie übrigens nachdem die Eisschicht durch das Ausbrechen des Vulkanes Sabancaya, der ganz in der Nähe liegt, geschmolzen war. Die Führung, bei der uns zunächst einige Relikte aus der Incazeit vorgestellt wurden, etwa silberne und goldene Artefakte und wollene Kleidungsstücke endete bei der Präsentation des Leichnams. Natürlich ist Juanita nicht ihr richtiger Name. Er wurde ihr von den Forschern, die sie entdeckten gegeben. Heute liegt sie in einem speziellen mehrwandigen und durchsichtigen Gefrierschrank in besagtem Museum und starrt in einem abgedunkelten Raum in die Ferne. Eisblumen haben sich an den Scheiben gebildet und auch ihr Körper ist stellenweise von einer Frostschicht überzogen.

    Ich bin mir, immer wenn ich Museen oder Ausgrabungsstätten besichtige, immer nicht ganz sich, ob diese Form der „Ausstellung“ im Sinne der Verstorbenen gewesen wäre. Immerhin war ihnen niemals bewusst, dass ihr Körper jemals ein eine solche Lage kommen könnte. Ich frage mich dann oftmals, inwieweit das Konzept der Menschenwürde hier anwendbar sein kann und vielleicht sogar muss. Dazu habe ich, nachdem wir Juanita besucht haben, einen schönen Beitrag von der HU-Berlin gefunden. Er ist recht lang, die Lektüre lohnt aber:
    http://www2.rz.hu-berlin.de/nilus/net-publicati…

    Auf dem Nachhauseweg machten wir noch eine witzige Entdeckung. In Arequipa spielen die Müllwagen laut „Für Elise“ und wohl auch andere Lieder, während sie durch die Straßen fahren. Ich habe im Netz ein Video gefunden, bei dem man das ganz gut hören kann:
    https://mosereien.wordpress.com/2016/08/24/elise/

    Den Abend verbrachten wir entspannt im Hostel, da wir am nächsten Morgen schon früh zu unserer zweitägigen Tour in den Colca Canyon abgeholt werden sollten...
    Read more