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  • Day 100

    San Ignacio und Paraguay

    February 9, 2017 in Paraguay ⋅ ⛅ 21 °C

    Der Ort San Ignacio liegt ganz dicht bei Posadas, das wir auf dem Hinweg nach Iguazú besichtigt hatten. Mitten in der kleinen, eher unscheinbaren Ortschaft liegt San Ignacio Mini, die Ruine einer der Jesuitenreduktionen, über die ich ja bereits etwas geschrieben habe.

    Die Jesuiten sind ein katholischer Glaubensorden, dessen Mitglieder sich zur Armut, zum Eheverzicht und zur Gehorsamkeit verpflichten, ohne in einem Kloster zu leben. Ihre Ausbidung ist in mehrere Abschnitte unterteilt und wird nochmals erweitert, wenn sie sich für das Priesteramt entscheiden. Normalerweise ist es ihnen Verboten hohe Ämter zu bekleiden, außer auf Anordnung des Papstes. So war es es auch für einen gewissen Jorge Mario Bergoglio möglich zunächst Bischof und später zum Kardinal zu werden. Heute nennt er sich Franziskus und lebt im Vatikan.

    Er gilt wohl als der fortschrittlichste Papst, den in den letzten Jahrzehnten gegeben hat. So zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung, dennoch ist er kein Befreiungstheologe. Diese Denkrichtung des Katholizismus stammt aber ebenfalls aus Südamerika, hat basis-demokratische und ansatzweise sozialistische Standpunkte und stellte sich in der Vergangenheit offen gegen eine Vielzahl von Diktatoren, was nicht selten zu intensiver Verfolgung durch diese führte.

    Bei Franziskus gibt es sogar Ungereimtheiten in Bezug auf sein Verhältnis zur Militärjunta in Argentinien. Mitte der 1970er Jahre wurden zwei Priester, die unter Bergoglios Verwantwortung standen, von der Junta entführt, gefoltert und mehrere Monate angekettet und mit verbundenen Augen gefangen gehalten. Sie warfen ihn im Nachhinein vor sie nicht geschützt oder sogar denunziert zu haben. Anderen Aussagen zufolge soll es allerdings er gewesen sein, der ihre Freilassung erwirkt habe. Ich habe versucht mich etwas in das Thema reinzulesen und mir parallel „Llámame Francisco“ anzuschauen, bin aber nicht viel schlauer als vorher.

    Die Jesuiten haben schon immer einen starken missionarischen Ansatz vertreten und waren dabei nicht selten sehr erfinderisch. So wurden zum Beispiel traditionelle Kirchenlieder in Guaraní gesungen. Auf diese Weise entstanden hier ganz neue einzigartige Chorstücke.

    Auch von Ennio Morricone gibt es ein „Ave Maria“ in Guarani. Es wurde für den Film „The Mission“ von 1986 geschrieben, in dem ein unheimlich junger Robert De Niro mitspielt:
    https://en.wikipedia.org/wiki/The_Mission_(1986…
    https://www.youtube.com/watch?v=VSWWLTqNRoU

    San Ignacio Mini ist nicht mehr vollständig erhalten. Die meisten Teile der Anlage sind verfallen, nachdem die Reduktionen aufgegeben wurden. Misiones liegt schon in der Regenwaldzone, so dass sich die Vegetation alles, was nicht geflegt wird, in kürzester Zeit zurückholt. Die Ruinen sind heute ein Traum für Vögel, die ihre Nester hier anlegen und für kleine Geckos, die sich auf den Steinen sonnen und in den Ritzen zwischen ihnen verstecken können.

    Der Aufbau der Missionen ist immer sehr ähnlich, so auch in Paraguay, das wir zwei Tage später besuchten. Wir wurden hierzu mit einem Taxi auf eine Fähre gebracht, dessen Fahrer uns in Paraguay herumfahren sollte. Das ganze war also nicht so recht eine richtige Tour. Mehr ein koordinierter Transport zu den wichtigsten Stätten und zum Mittagessen. Wir teilten uns das Taxi mit einem britischen Bankangestellten, der sich zwei Jahre Auszeit genommen hatte und unheimlich aufgeschlossen und liebenswürdig war.

    In der ersten Reduktion wurden wir auch durch eine Expertin herumgeführt, so konnten wir uns ihren Aufbau nochmals verdeutlichen. Zumeist bestand eine Reduktion aus mehreren Gebäudetrakten, in denen die Guaraní lebten. Sie waren so angelegt, dass es ihnen möglichst schwer gemacht werden sollte heimlich polygam zu leben, was bis vor ihrer Christianisierung ein fester Teil ihrer Kultur gewesen war.
    Zudem verfügte jede Reduktion über Werkstätten, wo handwerkliche Fertigkeiten vermittelt und Produkte hergestellt wurden und einen Hauptplatz, auf dem das soziale Leben stattfand.

    Und natürlich durften die großen Kirchenanlagen nicht fehlen. Die Bauweise war recht fortschrittlich. So gab es zum Beispiel ein Abwassersystem für die Toiletten und Belüftungssysteme für die Räume in denen gekocht wurde.

    Unsere Führerin sprach sogar ein wenig Deutsch. Sie war auch, im Gegensatz zu allen anderen Paraguayianern, die wir bisher kennengelernt hatten, strohblond. Offenbar war ihre Familie deutscher Abstammung. Das ist ein wenig prekär und wir fragten nicht weiter nach ihrem Stammbaum, denn Paraguay galt als Naziparadies nach dem zweiten Weltkrieg. Bereits zuvor waren hier deutsche Siedler, die in recht isolierten Gemeinden lebten. Viele von ihnen engagierten sich während des 3. Reiches auch in einer Art Auslandsorganisation der NSDAP.

    Einer dieser Orte, den wir uns auch im Vorbeifahren anschauen konnten, war Hohenau. Bekanntester Gast des Städtchens war der KZ-Arzt Josef Mengele, der hier mehr oder minder offen lebte. Er hatte die paraguayanische Staatsbürgerschaft angenommen, um sich vor einer Auslieferung zu schützen. Er floh von hier aus weiter nach Brasilien, aus Angst, dass der Mossad ihn genau wie Eichmann aufspüren und nach Israel bringen würde.

    Silke hat einen spannenden alten SPIEGEL-Artikel aus den 60er-Jahren dazu im Internet gefunden:
    http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-46174853.…

    An einem anderen Tag schauten wir uns auch noch die Reduktionen rund um San Ignacio an. Natürlich sah man immer das selbe, aber es war gemütlich in den grünen Wäldern zwischen den Ruinen spazieren zu gehen. Immer mal wieder sah man dann doch etwas neues. So zum Beispiel fanden wir auch hier die riesigen Spinnen, die wir in Iguazú gesehen hatten. Außerdem noch gewaltige Käfer, die sich wohl auch häuteten, denn wir sahen einen Baum voll mit aufgeplatzen Käferpanzern, aus denen der Käfer selbst offenbar verschwunden war.

    Auch in einem kleinen Nationalpark liefen wir an diesem Tag herum. Hier gibt es ein Haus, in dem etwas Meißner Porzellan und ein paar Nazi-Münzen gefunden wurden. Irgendwie wurde daraus über die Jahre eine absurde Geschichte, denn angeblich habe sich in dieser Hütte Martin Bormann versteckt, der Deutschland nie verlassen hatte. Man hat ihn zweifelsfrei an den Restens seins Leichnams identifizieren können. Die Geschichte wurde nie anständig aus der Welt geräumt, so dass jeder der Anwohner im Ort noch heute davon überzeugt ist, dass es sich bei der verfallenen Hütte um das „Casa de Bormann“ gehandelt habe:
    http://cicero.ccknackmuss.de/wp-content/uploads…
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