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  • Day 112

    Buenos Aires II

    February 21, 2017 in Argentina ⋅ ⛅ 26 °C

    Unser letzter Stop in Südamerika ist erneut Buenos Aires. Für mich, ich bin mir grade nicht sicher, ob ich das schon geschrieben habe, wohl eine der schönsten Städte, die wir kennengelernt haben. Wenn nicht sogar die schönste…

    Wir haben uns nachdem wir aus Uruguay zurückgekehrt waren an die letzten beiden der vier Free-Walking-Tours der Stadt gewagt. Zum Einen haben wir das Bohème-Viertel Recoleta angeschaut und zum anderen das Künstler- und Tangoviertel La Boca besucht. Die Recoletta-Tour startete am Teatro Colon, dem prunkvollen Opernhaus der Stadt. Es dauerte zwei Jahrzehnte, bis es fertig gestellt wurde. Damit kann es locker mit der Hamburger Elbphilharmonie konkurrieren. Die Tour selbst war leider deutlich größer, als die ersten beiden Touren, so dass wir etwa bei der Hälfte beschlossen haben, uns abzusetzen und die Gegend auf eigene Faust zu erkunden. Einen Teil hatten wir ja schon bei der Friedhofstour kennengelernt. Recoleta entstand maßgeblich in seiner heutigen Form als in Buenos Aires Cholera- und Gelbfieberepidemien wüteten. Die Stadt war damals noch kleiner und viele der heutigen Viertel waren umliegende Ortschaften, so auch Recoleta. Die wohlhabenderen Bevölkerungsschichten flohen hierher, um den Erkrankungswellen zu entgehen. Ganz im typischen Stil der damaligen Oligarchen formten sie nun auch diesen Ort, indem sie mit Prunkbauten ihren sozialen Status darstellten. Auf diese Weise entstanden die zahlreichen Gebäude im Stil der Belle Epoque. Später wurde Recoleta zu einem Stadtteil von Buenos Aires und somit zu einem Vorzeigeviertel. Noch heute sind die Mieten hier deutlich höher als etwa in San Telmo oder Palermo.

    Noch spannender ist allerdings die Geschichte des Stadtteils La Boca, der noch heute zum größtedn Teil als No-Go-Area für Touristen ausgewiesen ist. La Boca beherbergte früher den großteil der vorwiegens italienischen Arbeitsmigranten. Sie lebten hier in Zimmern voller Stockbetten, die sie sich mit etwa 30 bis 40 anderen Personen teilen mussten. In den Hinterhöfen von La Boca entstand auch der Tango, der zunächst eine „schmutzige“ Arbeiterkunstform war und erst in Paris „schick“ gemacht und nach Argentinien als „hohe Kunst“ reimportiert wurde.
    Tango zeichnet sich durch eine intensive Beinarbeit aus, bei der die Partner gegenseitig ihre Beine mit grazilen Bewegungen umeinander schlingen. Ursprünglich sollen diese Schritte allerdings etwas anders gemeint gewesen sein. Tango wurde in La Boca hauptsächlich von Männern getanzt und das Umschlingen der Beine soll ein Versuch gewesen sein, sein Gegenüber zum Stürzen zu bringen.
    La Boca hat sich diese raue Identität bis heute bewahrt.
    Das Viertel beherbergt zahlreiche Künstler und ist bunt bemalt. Diese interessante Kombination hat zahlreiche potentielle Investoren angelockt, die La Boca „aufwerten“ wollten. Daraufhin haben die Einwohner aber recht schnell eingegriffen, um ihr Viertel zu schützen. Ein paar wenige Straßen in La Boca wurden infolgedessen für Besucher geöffnet, hier bieten allerdings nur Einheimische ihre Waren und Dienstleistungen an. Es werden dabei keine externen Investoren von den Bewohnern geduldet. Der Rest des Viertels bleibt Sperrzone für Fremde, mit dem Risiko bei Widerhandlungen ausgeraubt oder verprügelt zu werden. Ob das so nun stimmt oder ob es sich um eine Art bewusst gestreuten Mythos zum Schutze des Viertels handelt können wir nicht beurteilen. Vorstellbar ist beides. Die Bewohner von La Boca waren schon immer eigen, so haben sie zum Beispiel zweimal ihre Unabhängigkeit als Republik erklärt, wurden aber jedesmal wieder mit sanftem Druck der Regierung mit Unterstützung der Armee in die Stadt reintegriert.

    La Boca zählt daher definitiv zu den Vierteln, die man gesehen haben sollte, wenn man Buenos Aires besucht. Allerdings sollte man nicht auf zu viel Alternatives hoffen. In dem kleinen für Fremde offenen Areal tummeln sich die Touristen und ein Souvenirshop reiht sich an den nächsten. Zudem wird man ständig angesprochen, ob man nicht gestellte Tanzfotos mit ihrendwelchen klassisch gekleideten Tänzern machen möchte…

    Nachts konnten wir das Viertel übrigens einmal aus dem Taxi sehen. Hier liegt nämlich auch der Hafen und unsere Rückkehr aus Uruguay war am späten Abend. Es war tatsächlich voll mit Polizei, wobei uns der Taxifahrer erklärte, dass es sich um die Bundespolizei handle, die eigentlich nichts mit Streifendienst zu tun habe.

    Wir haben uns für die letzten Tage ein besseres Hotel als sonst genommen. Es lag direkt an der Avenida de Mayo, gegenüber von Palacia Barolo. Von unserer Dachterasse aus, hatten wir einen herrlichen Blick auf seinen zentralen Turm, indem ein Leuchtsignal verbaut ist. Der Palast hat eine sehr mythische Geschichte. Gebaut wurde er von dem Architekten Mario Palanti im Auftrag von Luis Barolo. Barolo war begeisterter Fan von Dante Alighieris „Göttlicher Kommödie“. Er beauftragte den Architekten damit ein Gebäude zu erschaffen, dass größer war als alle anderen Häuser der Stadt und das voller Symbole mit Bezug auf Dantes Werk stecken sollte. Entstanden sind daraufhin 22 Stockwerke, deren Maße dem Versmaß der in Strophen aufgebauten Erzählung entsprechen. Die verschiedenen Stockwerke symbolisieren die verschiedenen Stufen, durch die Dante auf der Suche nach Erlösung gehen muss: Hölle, Fegefeuer und Paradies. Palanti hat dabei darauf geachtet, dass keine Fahrstühle installiert werden, die direkt von der Hölle in das Paradies fahren. Jeder Besucher muss im Fegefeuer umsteigen. Die Turmspitze mit dem Leuchtsignal, das bis nach Montevideo reicht, ist die Krönung des Bauwerkes. In der uruguayanischen Hauptstadt steht das Schwestergebäude, der Palacio Salvo, der ebenfalls über einen Leuchturm verfügt. Ursprünlich war geplant, dass sich beide Lichtstrahlen berühren sollten, die Erdkrümmung machte diesem Vorhaben wohl aber einen Strich durch die Rechnung. Wir haben an einer sehr spannenden Führung durch das Gebäude teilgenommen, bei der wir durch die verschiedenen Etagen geführt und mit den zahlreichen Anspielungen auf die Erzählung Dantes vertraut gemacht wurden.
    Es gibt zu dem Gebäude übrigens einen sehr spannendes Mythos. Barolo wollte mit dem Bau des Hauses einen Teil der europäischen, insbesondere der italienischen, Kultur retten, die er von den Nachwirkungen des Ersten Weltkriegs bedroht sah. Dazu gehörte auch eine eigens aus Italien importierte Statue von Dante auf dem Rücken eines großen Vogels. Sie wurde jedoch noch im Hafen von Buenos Aires gestohlen und tauchte erst Jahrzehnte später wieder im zerstörten Zustand auf. Barolo beging daraufhin Selbstmord. Es ist nicht so richtig klar, wieso diese Statue in Italien angefertigt werden musste, obwohl man dies auch ohne Weiteres in Buenos Aires hätte bewerkstelligen können. Der Mythos ist nun, dass vermutet wird, dass sich Dantes Gebeine in der Statue befunden haben könnten. Mit ihrem Verschwinden wäre dann das gesamte Lebenswerk Barolos auf einen Schlag zu Nichte gemacht worden.

    Wir aßen oft in einem Lokal direkt bei uns um die Ecke, dass ein sogenanntes Kilobuffet anbot. Die Idee war, dass man sich soviel nehmen konnte, wie man wollte und dann nach Gewicht bezahlen konnte. Ein kleines Highlight für uns, denn das argentinische Essen war weniger reichhaltig als es das in Peru gewesen war. Das machten wir auch am Abend nach unserem Besuch des Palacio Barolo, kurz bevor wir den Abend mit einem etwas merkwürdigen Konzert mit interessanter Lightshow ausklingen ließen, das auf unserer Dachterasse abgehalten wurde.
    Die Musik war sehr sphärisch und nicht unser Fall, spannend war aber, dass gigantische Bilder und Videos auf die umliegenden Gebäude projiziert wurden und dort die Musik rhythmisch begleiteten.

    Alles in allem war die Zeit in Buenos Aires wohl eines der Highlights in Argentinien, nur der letzte Tag war etwas hetkisch, als wir fürchteten, dass wir wegen einer Großdemonstration nicht mehr rechtzeitig zum Flughafen kommen würden. Da ich diesen Beitrag ja aber erst zwei Wochen nach unserer Rückkehr anfertige, scheint ja alles gut geklappt zu haben :-)
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