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  • Day 29

    Hanoi IV

    April 7, 2017 in Vietnam ⋅ ⛅ 24 °C

    Zum Ende unseres Vietnamaufenthaltes verbrachten wir nochmal zwei Tage in Hanoi. Den ersten Tag nutzten wir zum Ausschlafen und sind erst gegen Mittag los gegangen. Ich machte in einem Restaurant den Fehler, mir gedämpfte Tapiokaknödel zu bestellen, die etwa die Konstistenz von frischen Schnecken hatten. Ich aß nicht auf, sondern kaufte mir im Anschluss ein paar Chips. Das war bisher das erste Essen in Asien, dass mir nicht geschmeckt hat. Die Quote ist deutlich besser als in Südamerika.

    Eigentlich wollten wir gemeinsam in den botanischen Garten, ich fühlte mich aber irgendwie dröge, so als würde ich krank werden und ging zum Hotel zurück. Mein Tag war recht eintönig. Ich schaute Netflix, zerlegte mein Taschenmesser, um es zu reingen, nähte meine Hose und fing mit dem ersten Buch aus der Expanse-Serie von James A. Corey an.

    Silke kam irgendwann zurück, erzählte das der Botanische Garten seinen Namen nicht verdiene. Wir entspannten noch ein wenig und gingen dann essen. Der Tag war also etwas vertan für mich. Ich bin auch nicht krank geworden. Ich glaube einfach, dass mich das erste Mal so etwas wie Reisemüdigkeit gepackt hatte. Nicht wirklich tragisch. Gehört wohl dazu, wenn man seine Wohnung für so einen langen Zeitraum aufgibt und nur aus Koffern lebt.

    Den letzten Tag in Hanoi nutzten wir produktiver. Gleich am Morgen gingen wir zur Post, um Karten aufzugeben und danach zum Ho Chi Minh Mausoleum. Ich wäre gerne rein gegangen, hatte mich aber, während ich seine Biografie gelesen hatte, dagegen entschieden. Er war ein interessanter und offenbar ganz anständiger Charakter. Vietnam hat seine Unabhängigkeit von der franzöischen Kolonialherrschaft maßgeblich ihm zu verdanken, da er in der Lage war, verfeindete Lager des Widerstandes zu vereinen und so eine breite Front gegen die Franzosen aufzubauen. Zuvor war er unter verschiedensten Identitäten durch Europa und die Welt gereist. Er kombinierte sozialistische Ideen mit konfuzianischen Werten. Er ähnelte damit also ein wenig den Befreiungstheologen Südamerikas, die selbiges mit den christlichen Moralvorstellungen machten. Auch betonte er immer wieder, dass er keine Unterdrückung der Bevölkerung wolle. So hatte er vollkommen, trotz eines politischen Bündnisses, komplett andere Ansichten als etwa Mao Tse Tung, für den es nur logisch war, dass jemand der kein Revolutionär war, beseitigt werden müsse.

    Allerdings, soviel muss gesagt werden, ist er auch nicht immer dann gegen diese eingeschritten, wenn sie geschehen ist. Bei der Landreform in den 50er Jahren, bei der Tausende von Bauern ermordet worden, weil man sie -nicht selten grundlos- zu Großgrundsbesitzern erklärte hatte, schritt er erst nach zwei Jahren effektiv ein. Warum genau lässt sich nicht zweifelsfrei ergründen. Offenbar fehlte ihm schon zu dem Zeitpunkt ein Teil seiner Durchsetzungsmacht, so dass er taktieren musste, was er durchgehen ließ und wo er Einspruch erhob. Immerhin war er da schon Mitte 60 und viele Ämter waren mit Personen besetzt, die ihm kritisch gegenüberstanden, zumal er sich im sino-sowjetischen Konflikt sehr zurückhielt und immer wieder auf Einigkeit behaarte.
    Allgemein waren seine letzten Lebensjahre von dem Widerspruch zwischen dem Symbol, das er für die Bevölkerung darstellte und seiner tatsächlichen Macht, die zuletzt kaum noch vorhanden war, geprägt.
    Während von deutschen Studenten aus Protest gegen den Vietnamkrieg also „Ho, Ho, Ho Chi Minh“ gerufen wurde, war er schon längst nur noch ein symbolischer Vertreter seines Landes. Dies ging soweit, dass man hinter seinem Rücken seine Einbalsamierung plante, obwohl er in seinem Testament festgelegt hatte, dass er verbrannt und seine Asche über Nord-, Zentral- und Südvietnam verteilt werden solle.
    Ich verzichtete also darauf, mich seine „Mumie“ anzuschauen. Silke war das von Vornherein nicht so wichtig gewesen. Den Tag verbrachten wir also im Ho Chi Minh Museum und dem Präsidentenpalast, wo wir uns sein Haus anschauen konnten, das er im Garten hat aufstellen lassen.
    Es war klein und auf Pfählen errichtet. Es hatte lediglich zwei Zimmer und eine Art Terasse unterhalb der Pfahlkonstruktion. Nur bei Luftangriffen schlief er nicht hier. Seine, wohl recht autentische, Devise war es, dass kein Beamter das Geld des Volkes verschwenden solle.
    Aus diesem Grunde hatte er sich auch eine große Trauerfeier testamentarisch verbeten, die natürlich trotzdem abgehalten wurde.

    Gerne hätten wir uns auch noch einen Teil des Gartens angeschaut, in dem er Gäste empfangen und Frühsport gemacht hat. Wir hatten allerdings übersehen, dass man sich nur in eine Richtung bewegen durfte und wurden von netten vietnamesichen Beamten daran gehindert, wieder zurückzugehen. Wenn man mich fragt, hätte man bei denen mit dem Geldsparen anfangen und sie für etwas sinnvolleres einsetzen können, aber sei‘s drum...

    Schon am nächten Tag sollten wir unser nächstes Ziel, Laos, erreichen.
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