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  • Day 64

    Phnom Penh II

    May 12, 2017 in Cambodia ⋅ 🌙 29 °C

    In Phnom Penh angekommen, suchten wir uns ein Tuktuk, das uns einen fairen Preis anbot. Man kann im Großen und Ganzen davon ausgehen, dass die zuerst genannten Preise immer doppelt so hoch sind, wie ihr tatsächlicher Wert. Normalerweise handelt Silke bei uns. Mir ist das immer zu doof, denn auf der einen Seite denke ich, dass es schon vollkommen ok ist, wenn man uns hohe Preise abverlangt. Immerhin liegen sie trotzdem noch deutlich unter dem europäischen Niveau. Auf der anderen Seite, kann ich es ja nicht leiden, wenn mein Gegenüber das so plump verpackt. Wenn ich eine Karte in der Hand halte und dem Fahrer zeige, wo ich hin möchte und ihm auch zeige, wo wir sind und er dann immer noch versucht, mich davon zu überzeugen, dass die Strecke weiter ist, als es aussieht, dann neige ich dazu, offen genervt zu sein. Das ist natürlich unglücklich, immerhin verliert man dann sein Gesicht. Für mich aber nicht immer vermeidbar. Silke kann das wirklich besser. Sie setzt dann ihr Lehrerinnengesicht auf und sagt eines dieser „Neins“, bei dem man automatisch weiß, dass es nichts nützt weiter zu diskutieren.
    Nachdem ich also den ersten Tuktukfahrer vergrault hatte, fanden wir einen anderen, der unserem Preis zustimmte. Die Strecke war nicht weit. Vielleicht 20 Minuten zu Fuß mit einem schnellen Schritt, 30 Minuten mit Gepäck. Unser Fahrer fuhr die ganze Zeit im Schritttempo, so dass uns die Situation etwas komisch vorkam. Wir verfolgten die Route also auf unserer Karte. An irgendeinem Punkt fuhr er immer weiter gradeaus, obwohl wir rechts hätten abbiegen müssen. Das machte er etwa an 5 Kreuzungen, so dass ich ihn irgendwann anhalten ließ, um ihm die Route nochmal zu zeigen. Dabei fielen mir erst seine verquollenen Augen und die Bierfahne auf. Offenbar war er mindestens verkatert…
    Wir beratschlagten uns kurz, fuhren dann aber die letzten 2 Minuten mit ihm weiter, weil uns das entladen des Tuktuks auf der Hauptstraße noch gefährlicher erschien, als ihn einfach rechts in eine Seitenstraße abbiegen zu lassen, wo kein nennenswerter Verkehr war.
    Am Nachmittag wollten wir eigentlich eine Flussfahrt machen. Ein Gewitter machte uns da aber einen Strich durch die Rechnung. Wir sagten kurzfristig ab und liefen in einer regenfreien Phase zu den „Daughters of Cambodia“, einer Organisation, die sich dafür einsetzt, Prostiuierten eine handwerkliche Ausbildung zukommen zu lassen und die Produkte, hauptsächlich Nähereien und Schmuck, dann in ihrem Laden verkauft. Menschenhandel ist in Kambodscha auch heute noch ein reeles Problem. Ich habe im SWR einen schönen Beitrag dazu gefunden und empfehle den jedem, der eine halbe Stunde erübrigen kann:
    http://www.swr.de/swr2/programm/sendungen/wisse…

    Am nächsten Tag dann begannen wir mit dem richtigen Sightseeing. Phnom Penh selbst bietet wenige historische Stätten, bietet allerdings, ich erzählte ja bereits von den Roten Khmer, viel Erinnerungskultur. Wir besuchten zunächst die Killingfields, eine größere Freifläche, etwas außerhalb. Hier wurden die angeblichen Feinde der Khmer Rouge hingerichtet und verscharrt. Dies betraf Junge, Alte, Männer, Frauen und auch Kinder. Um Kugeln zu sparen, wurden die Menschen mit spitzen und stumpfen Alltagsgegenständen, wie Holzstäben, Messern oder Hacken vor großen ausgehobenen Löchern getötet. Die Toten wurden im Anschluss daran übereinander gelegt mit DDT, einem Pestizid, besprüht und dann mit Erde bedeckt. Besondes schockierend ist ein Baum auf dem Gelände, gegen den Säuglinge geschlagen wurden, um sie zu töten. Während der Tötungen spielte die ganze Zeit Musik, um die Schreie zu überdecken. Diese Musik und das Laufen eines Generators waren die letzten Dinge, die die Getöteten hören mussten.
    Heute erinnert wenig an die Gebäude, die einst auf dem Feld standen. Nach der Vertreibung der roten Khmer, wurde so ziemlich alles als Baustoff genutzt, was die Bvölkerung in die Finger kriegen konnte. Ein gut gemachter Audioguide führt einen über das Gelände und berichtet auch von Einzelschicksalen der Opfer und Täter. Man wird gewarnt auf den Wegen zu bleiben. Die Wege sind etwas erhöht angelegt, damit die Erde nicht festgetreten wird. Sie offenbart, grade in der Regenzeit, immer wieder Kleidungsfetzen und Knochenstücke, die scheinbar aus ihr herauswachsen. Unter anderem hierauf wird der Name „Killing Fields“ zurückgeführt.
    Der letzte Halt ist die große Erinnerungsstupa, die eine große Zahl an gebeinen enthält und sowohl als Mahnmal als auch als Ort der Erinnerung und des Gedenkens dient.

    Unsere nächste Station war die Tuol-Sleng-Genozid-Gedänkstätte in Phnom Penh, die auch unter dem Namen Gefängnis S-21 bekannt war. Sie diente dem Machtapparat um Pol Pot als Gefangenenlager und Folterzentrum. Es wird angenommen, dass hier etwa 20.000 Menschen inhaftiert waren. Es wird angenommen, dass nur etwa 200 Personen die Haft dort überlebt haben. Der Rest verstarb entweder im Gefängnis oder auf den Killing Fields. Hierzu muss allerdigs gesagt werden, dass dies die höchste Schätzung ist. Einige Quellen gehen von unter 20 Überlebenden aus.
    Sowohl Tuol Sleng als auch die Killing Fields bei Phnom Penh sind exemplarisch zu verstehen. Solche Orte gab es vielfach im Land.
    Beim Besuch des Gefängnisses wurde uns nocheinmal die Perfidität und die Dummheit des Pol-Pot-Regimes vor Augen geführt. Die Wachen des Gefängnisses waren allesamt jünger als 20 Jahre, manche von ihnen grade 10 Jahre alt. Nicht wenige von ihnen wurden selbst irgendwann zu Gefangenen. Ihnen wurden einfache aber strenge Regeln auferlegt, die bei Nichtbefolgen im besten Falle Gewalt und im schlimmsten Falle den Tod nach sich zogen. Hier bewachten und folterten also junge Menschen, die jung, unerfahren, oft schlecht gebildet und einfach zu manipulieren waren.
    Als ein besonders spannendes Beispiel empfand ich hier ein Schlüsselbrett, das eigentlich nur eine Holzleiste mit eingeschlagenen Nägeln war. An diesen Nägeln hingen die Schlüssel für die Fußfesseln. Die Zahlen von 1-7 sind in einer kindlichen Handschrift geschrieben, danach änderte sich die Schrift. Die Genozidforscher nehmen an, dass die zunächst für das Beschriften zuständige Wache nicht weiter zählen konnte.
    Über die Folterungen und Inhaftierungen wurde peinlich genau Buch geführt, was mich ein wenig an die Akribie der Nazis erinnert hat. Auch die Geständnisse waren genauestens festgehalten. Aber auch sie offenbaren die Dummheit und den Verfolgungswahn des Regimes. So wurden unter anderem einige Ausländer hier festgehalten, unter ihnen der Segler Kerry Hamill. Er und seine Freunde wurden verdächtigt, Spione im Auftrag des Feindes zu sein. Hamill und seine beiden Begleiter überlebten nicht. Hamill machte sich aber während seiner Folter über seine Peiniger lustig. Sie wollten Namen hören und er wusste, dass er solange gefoltert werden würde, bis sie welche bekommen würden. So gab er an, dass sein Führungsoffziert ein gewisser Colonel Sanders sei. Colonel Sanders ist im Westen allerdings nicht dafür bekannt, Geheimagenten zu führen. Stattdessen dient er als Markengesicht einer größeren Fastfoodkette, die frittierte Hähnchenteile in Eimern verkauft. Er nannte noch weitere Namen, die Referenzen zu den Beatles oder anderen popkulturell bekannten Personen enthielten.

    Am Eingang des Gefängnisses, das vor den Roten Khmer eine Schule gewesen ist, steht ein Schild, das darauf hinweist, in der Gedenkstätte nicht Pokemon Go zu spielen. Ich habe dazu sogar einen Artikel gefunden: http://www.sandiegouniontribune.com/hoy-san-die…

    Das einzige Foto, dass wir dort gemacht haben, war von diesem Schild. Wir haben hier und auch auf den Killing Fields ansonsten auf Aufnahmen verzichtet. Wir hielten das für nicht angebracht.

    Die Wikipediaartikel liefern hier allerdings einen kleinen Einblick:
    https://de.wikipedia.org/wiki/Tuol-Sleng-Genozi…
    https://de.wikipedia.org/wiki/Killing_Fields
    Besser noch ist die offizielle Homepage der Gedenkstätten (grade im Update):
    http://www.killingfieldsmuseum.com/

    Nach den Touren waren wir ziemlich erledigt. Ab einem gewissen Punkt schaltet man emotional einfach ab. Man merkt, dass man voll mit Eindrücken und Informationen ist und läuft dann wie auf Autopilot. Wir waren noch auf dem Russischen Markt, um ein paar Souvenirs zu kaufen. Das war nach dem langen Tag eine nette Zerstreuung. Der Markt ist zwar nicht vergleichbar mit dem, was Vietnam oder Thailand zu bieten haben, ist aber wirklich solide und vermutlich die beste Wahl in Phnom Penh, wenn man eine große Auswahl und ein paar „Touristenprodukte“ haben möchte.

    Am nächsten Tag besuchsten wir noch das Nationalmuseum und machten einige Besorgungen. Durch das Museum sind wir mehr oder minder nur so durchgerauscht. Es zeigt viele alte Handwerksarbeiten und Statuen von der Bronzezeit über die Vor-Angkor-Periode bis in die späte Angkor-Zeit. Nachdem wir den Nachtmittag etwas entspannt hatten, holten wir unsere Flussfahrt nach. Es war sehr spannend zu sehen, dass auf der einen Flusseite immer mehr Hochhäuser entstehen, während die Menschen auf der Gegenüberliegenden Seite in improvisierten Hütten wohnten und mit großen Netzen Fische fingen.

    Wir endeten mit der Fahrt sprichwörtlich dort, wo wir angefangen hatten, nämlich auf dem Mekong.

    Im Anschluss gingen wir Sushi essen. Der Besuch im Restaurant war ganz witzig, denn sie hatten keinen Fisch. Für mich nicht so wild, aber sie hatte auch nur noch eine Avocado. Die Personen die nach uns kamen, mussten 3 Bestellanläufe machen, bis sie irgendwas zu essen gefunden hatten. Aber genauso wie wir, waren sie wohl zu faul, um in ein anderes Restaurant zu gehen und die Kellner waren sehr nett.

    Für mich war der Restaurantbesuch sehr stellvertretend für unseren Kambodschaaufenthalt. Denn oft läuft es hier nicht so rund. Dafür sind alle sehr bemüht, es einem gemütlich zu machen.
    Schon morgen früh sitzen wir hoffentlich im Flugzeug nach Hause. Das Check-In-System findet unsere Flugdaten nicht und wir sind gespannt, ob wir es bis übermorgen nach Deutschland schaffen.
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