Satellite
Show on map
  • Die Spur der Steine

    June 13, 2021 in Germany ⋅ ⛅ 16 °C

    Die deutsche Literatur ist sehr oft von Autoren geprägt die in Berlin veröffentlicht haben jedoch hier im Umland gelebt und gearbeitet haben. Theodor Fontane, Berthold Brecht, Hans Fallada sind nur einige große Namen der Literatur die hier an irgendeinem See ihr Haus hatten, Freunde einluden und in der ein oder anderen philosophisch anmutenden Diskussion ihre Kraft schöpften. Wenn nicht ein Schicksalsschlag in der Kindheit, dann der Krieg oder die Vertreibung. Sie alle haben hiernach gemein einen Ort aufgesucht der dem damaligen Schönheitsidyll von Landschaft entsprach. Hiernach nannte man die Region kurzum Schweiz da die Vorstellung der Schweiz jeher der Vollkommenheit entsprach. Somit entstand die Sächsische Schweiz, die Märkische Schweiz oder die Mecklenburger Schweiz um nur einige zu nennen.
    Im sonst so windumtosten Osten tauchen bei Bukow plötzlich steile Berge mit hundert Metern auf. Die Gletscher-Endmoräne hat hier sehr schöne Zungenseen in Berg und Tal eingebettet. In der Nacht bot mir eine Schutzhütte zur Vogelbeobachtung Zuflucht vor der Mückeninvasion. Gefühlt bin ich aber schon lange vor dem letzten Hahn wach. In der Morgenluft sind nur die Mücken noch zeitiger aktiv - immer noch, oder schon wieder. Die Morgensonne scheint gleisend durch die Baumstämme. Ich entdecke einen Ameisenhügel gleich neben meiner Schutzhütte. Bevor die fleißigen Arbeiter womöglich mein Müsli finden mache ich mich lieber auf den Weg. Regel Nummer eins - Iss niemals dort wo du schläfst sonst lockst du Tiere an. Das beherzige ich seit Kanada vortrefflich. Während ich auch einiges andere mittlerweile an Erfahrung rund ums draußen sein gesammelt habe treffe ich einen Kilometer weiter auf einen blutigen Anfänger. Er erzählt wie er aus Berlin kommt und nur für das Wochenende endlich mal ausprobieren will wie es sich draußen schläft und wie es ist in der Natur zu sein. Mit über Fünfzig das Erste Mal. Besser spät als nie versuche ich ihn zu ermuntern und erzähle ein wenig beim Frühstück. Währenddessen hat er ohne Zelt in einer Schutzhütte am See geschlafen. Der Schlafsack ist patsch nass vom Morgennebel, der Kopf und alles was raus guckte von Mücken zerstochen und der Rücken tut weh. Ich hoffe einfach dass er aus meiner Erfahrung lernt und nicht alles ins Korn schmeißt worüber ich mich heute amüsieren kann. Für heute will er jedoch erstmal wieder nach Hause nach Berlin - ihm reicht es. Während in Buckow wieder noch nicht einmal der Bäcker auf hat treffe ich einige weitere Berliner die die Morgenstille nutzen. Oft sprechen sie über den Stress den die Großstadt mit sich bringt und das sie gleich hier vor den Toren eine wahre Kur für sich finden. Das finde ich toll. Die Menschen suchen nicht nur Erholung sondern versuchen die gleiche Kraft zu schöpfen wie einst die großen Schriftsteller.
    Im Märkisch-Oderland und je weiter man davon nach Norden fährt umso mehr dominiert der Feldstein als Baumaterial. Straßen die schon hundert Jahre nicht mehr repariert werden mussten, Häuser die auch in zweihundert Jahren maximal ein neues Dach brauchen doch die Fassade wird immer so Farbenfroh bleiben. Gefühlt hat man hier alles aus Feldstein gebaut und heute weitgehend unter Denkmalschutz gestellt. Das kam da die eiszeitlichen Gletscher aus Norwegen, Schweden, Aland bis nach St. Petersburg ihr Eis bis in die Uckermark vortrieben und verschiedenstes Geröll mit sich führten. Hauptsächlich prägen Glimmer und Quarz die Fassaden in allen Farben von grau, rosé bis rot über orange. Die Landstraßen lassen kaum ein vorankommen zu. Ein anderer Radwanderer schaut gerade krampfhaft aus seiner Karte wann denn mal wieder die nächste vernünftige Straße kommt. Da wo ich her komme mache ich ihm wenig Hoffnung doch das war gerade das was er nicht hören wollte.
    Unterdessen erreiche ich die nächste asphaltierte Landstraße. Als wöllte ich alles aufholen geht es frisch erholt im Sausewind voran. Am nächsten Anstieg fährt sogar eine Gruppe Rennradfahrer mit mir um die Wette den Berg hoch. Ein Transporter überholte mich auf gerader Strecke und zeigt mir 'Daumen hoch' aus dem Fenster. Ich freu mich. Keine 500m weiter an einem Parkplatzhält er an und stellt sich an die Straße. Ich denke mir nichts dabei bis ich seine Beifahrerin an der gegenüberliegenden Straßenseite ausmache und sie mich mit dem Handy filmt während er mir in die Hände klatscht. "Klasse! Die nächsten Kilometer werden ein bisschen anstrengender, aber du machst das super!" *welch Lorbeeren...womit ich das wohl bezweckt habe?* "Danke, so schlimm wird es nicht werden" erwidere ich und fahre weiter meinen Tritt mit 20-22 Km/h bergauf. Na jedenfalls kann man jetzt meinen dass die schneller oben waren aber denkst du! Rennräder! Mit der Zeit überholt mich eins nach dem anderen in kleinen Grüppchen. Mal mehr Mal weniger schnaufend. Und zum Schluss kommt der Transporter wieder. jetzt weiß ich auch warum die unten gewartet haben. 'Daumen hoch' das heißt so viel wie, alles in Ordnung, mir geht es gut. Und dann fährt die Gruppe lange Zeit auf Kaffeefahrt wie auf dem letzten Loch pfeifend gemütlich vor mir her. 20 km/h vielleicht jedoch immer in Sichtweite bergauf. Ich denke mir 'dann hättet ihr mich auch mitnehmen können!' Ich verliere sie kurz aus den Augen doch nach zwei Kurven am Ende des Anstiegs treffe ich das Auto am Seitenrand wieder. Einer hat eine Rad Panne und die Gruppe macht eine Pinkelpause zehn Meter vor einem Stoppschild was das imaginäre Ende des Anstieges war. Jetzt aber! Sozusagen habe ich meinem Fahrrad die Sporen gegeben und als grünen Sprinter die Ehre erwiesen gegen die Rennradfahrer als Erster über die Stopp- bzw. Ziellinie zu fahren. ;)
    Read more