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  • Day 7

    Die blauen Steine

    September 19, 2023 in Wales ⋅ 🌬 18 °C

    Regen prasselt auf das Dach und weckt mich. Es ist gerade einmal halb fünf. Die erste Woche war zu schön um wahr zu sein. Jetzt hat mich das englische Wetter endgültig heimgesucht. Von Südwest kam über Nacht ein Sturm auf und faucht durch alle Ritzen und Bäume. Das ist die einzige Richtung zum offenen Atlantik. Überall sonst im Westen und Norden liegt dann Irland vorgelagert. Jedoch hier in Pembroke erwischt es mich mit voller Härte. Der Verkehrsbericht im Radio verkündet dass sogar die Autofähren für heute ihren Betrieb einstellen. Der Wind soll über den Tag noch anschwellen.

    Das Ale von gestern war sein Geld doch nicht wert. Aber es gibt Dinge die weiß ich erst dass man sie lassen sollte wenn ich mitten drin stecke und es schon zu spät ist wie es so schön heißt. Der Lehre nicht genug steuere ich als Erstes Garn Fawr an. Der Regen prasselt wagerecht in mein Gesicht und beißt auf der Haut wie das sonst nur Eiskristalle vermögen. Die See sieht jetzt nicht mehr ruhig, aber auch nicht sooo bedrohlich aus. Vielleicht bringt das die Distanz auf 200m Höhe mit sich. Der Leuchtturm nebenan versinkt jedenfalls bald im Regendunst und hat heute alle Hände voll zu tun, auch tagsüber. Und ich kann einmal erfahren wie es ist wenn man mit schlechtem Schuhwerk nur mal spazieren gehen will während der Wind mich regelrecht von den Beinen holt.

    An solchen Tagen gibt es zwei kritische Punkte. Den wenn ich schon in der ersten Stunde baden gehe und weiß dass es ziemlich schwer wird den Rest des Tages trocken zu überstehen. Und als Zweites, was kann man an verregneten Tagen in Wales eigentlich noch alles unternehmen außer Castles anschauen oder einem Museum gehen?

    Meine Recherche bringt mich nach Gors Fawr. Ich bin jetzt ohnehin schon nass, dann kann ich auch weiter draußen bleiben. Hauptsache warm! Oder zumindest raus aus dem eisigen Wind entlang der Küstenlinie. Und es ist ja erst Mitte September. Also noch recht annehmlich. Ein kurzer Weg führt zu einem Steinkreis. Davon gibt es hier unzählige. Doch irgendwie wollen vier Steine nicht in das restliche Muster passen. Bestimmt stand irgendwo in der Nähe noch ein Megalith und gab dem ganzen eine Bedeutung. So fehlt sie auf den ersten Blick und hätte ich mich nicht belesen auch auf den zweiten darüber hinaus. Ich stehe in mitten einem weitläufigen Tal. Die umliegenden Hügel der Preseli Mountains schirmen den Wind etwas ab und die Zeit brachte vor tausenden Jahren blauen Dolorit zu Tage. Das ist jener Stein den die Kelten von genau hier bis hin nach Stonehenge verbrachten. 217km nach Osten! Und in dem Moment ist der Landweg einleuchtender als über die See denn keiner der Orte, weder Stonehenge noch der Steinbruch liegen in der Nähe schiffbarer Flüsse. Diese Leistung bei Wind und Wetter ist für mich genau so viel wert wie das Errichten der Steine selbst.

    Solche Schwerstarbeit soll ja am leichtesten mit etwas Musik von der Hand gehen. Aber wehe einer singt schief! Nun wissen wir derart nichts aus der Steinzeit. Wir wissen heute aber dass in der nächstgelegenen Stadt Cardigan bereits seit dem 12Jh ein Barden- und Sängerwettstreit stattfindet. Ursprünglich zur Versöhnung benachbarter Herrenhäuser. Kultur hat auch damals bereits Berge versetzt und Brücken gebaut. Dann kam das finstere Mittelalter auch über England. Bereits im 18. Jahrhundert wurde der Wettstreit wieder aufgelebt und seither alljährlich ausgetragen. Der Gewinner erhält seit 800 Jahren, kurios wie England nun einmal ist, einen Stuhl.
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