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  • Day 9

    Hochwasser unterm Sternenzelt

    September 21, 2023 in Wales ⋅ ☁️ 13 °C

    Nun sitze ich also hier auf einer Passhöhe und beobachte den Sternenhimmel. Während es den ganzen Tag wie aus Gießkannen regnete hat jetzt der Himmel aufgeklart. Es ist kalt im Hochland. Die Wiesen sind nass, die Bäche sind angeschwollen und immer wieder kreuzen Schafe den Weg weil es da trockener ist als im „Sumpf“. Bis zur nächsten großen Ortschaft sind es vielleicht nur 20km. In das breite Elan Valley kommt jedoch kein Licht über die Bergketten herüber weshalb die Landschaft hier zum Dark Sky reserve erklärt wurde.

    Warum ist das wichtig? Ein dunkler Nachthimmel ist nicht nur für den Sternenhimmel relevant, sondern auch für unsere Tier und Pflanzenwelt. Nur wenn es für bestimmte Pflanzen dunkel genug ist produzieren sie Nektar und können von Insekten bestäubt werden. Nachtjäger wie Eulen können mit unseren Strassenlaternen ebenso wenig anfangen.

    Am nächsten Morgen hat es sich bereits wieder zugezogen. Dafür höre ich unweit ein dumpfes rauschen. Dem will ich nachgehen und verlasse mein Nachtlager recht früh in der Morgendämmerung. Kurz darauf wird die Straße noch enger. Hier passt gerade mal ein Auto durch wenn es die Spiegel einklappt. Links und rechts ragen hohe Steinmauern auf. Ein Turm, dahinter ein See. Und während der Tag immer weiter anbricht ahne ich auch wo das rauschen herkommt. Ich muss mich nur überwinden auf der anderen Seite über die Mauer zu schauen. Dort stürzen sich tausende Liter in der Sekunde einen Staudamm hinunter. Und ich obendrauf. Der Regen hat im Tal für reichlich Hochwasser gesorgt. Die Stauseen wurden bereits zu Zeiten Queen Victorias angelegt. Die Ingenieure gaben sich alle Mühe diese Meisterleistung so schön wie irgend möglich in die Natur einfließen zu lassen. Während hier Trinkwasser für das englische Birmingham gewonnen wird. Erzeugen die drei Staudämme heute auch Strom. Die Schafe ringsum sind sozusagen für die Landschaftspflege zuständig.

    Auf dem Weg aus dem Elan Valley heraus fahre ich durch Llandrindod Wells. Zu den Tagen Queen Victorias war es einer der exklusivsten Kurorte. Für die feine Gesellschaft mit Ballhaus, hübschen Backsteinvillen und mit viel Platz für den schon damals leidenschaftlich betriebenen Volkssport. Das Fahrradfahren. Ob Ein, Zwei, oder Dreisitzer, Dreirad, Damenrad oder Triple Tandem. Hier ist alles gefahren was sich damals konstruieren lies. Der Hausmeister lässt mich nur durchs Schaufenster blicken. Denn eigentlich hat die Ausstellung im nationalen Radfahrmuseum in der Nebensaison geschlossen. Schade und zugleich ein Grund hierher wieder zu kommen.

    Auf dem Weg quer durch Wales geht es weiter gen Norden. Die Zahl an Fachwerkhäusern nimmt merklich zu während die Wegweiser immer spartanischer werden und immer stärker zu verwittern scheinen. Ich fahre dem Sonnenuntergang entgegen und denke bei mir „Das Spektakel kann ich jetzt nicht einfach so hinnehmen als wäre es ein Sonnenuntergang wie jeder andere. Nach so vielen Passstraßen will ich heute wenigstens noch einen Gipfel besteigen!“ Der Bryn-Y-Fan ist kein besonders schwerer Gipfel. Also laufe ich beschwingt los und mit jedem Meter an Höhe blicke ich weiter über das lang gezogene Tal. Mit jedem Schaf das ich am Wegesrand hinter mir lasse taucht die Abendsonne die umliegenden Berge in ein stärker und stärker goldenes Licht. Ich genieße die Ruhe und die gewisse Verbundenheit mit dem Berg als ich oben am Vermessungsstein stehe. Wer weiß welche Farben morgen den Tag prägen werden.
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