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  • Day 10

    Alice Liddell und der Hutmacher

    September 22, 2023 in Wales

    Ob ihr es glaubt oder nicht, auch die Farbe Grau kann beeindruckend sein. Ein Großfeuer in Hamburg zerstörte 1842 zahlreiche Dächer. Das war jene Zeit als die Schieferproduktion in Nordwales bereits in vollen Zügen lief und jetzt so richtig lukrativ wurde. Man hatte mich bereits vorgewarnt. Wenn in Llechwedd die Sonne scheint wirst du vom Schiefer fast geblendet, in so vielen Farben kann er leuchten. Stattdessen geht er heute grau in grau in den Himmel über. Der Qualitätsschiefer wird unter Tage gewonnen. Selbst in den besonders guten Gesteinsadern fallen jedoch auf ein Kilo Schieferplatten 9 Kilo Abraum an. Die Halden türmen sich daher bis an die Vorgärten der Arbeiterhäuser. Und sie wachsen heute noch. Die Stadt aus Schiefer und die umliegenden Halden sind auch bei Regen einen Spaziergang wert. Zumal auch die Geschichte hier herein spielt denn im Mittelalter waren die Pässe in der Umgebung wichtige Zollschranken zwischen den Herrschaftsbereichen. Es wimmelt als auch nur so an Burgruinen. Auf den nicht mehr aktiven Teilen der Mine tummeln sich Zip-liner, Downhill Mountainbiker und sogar Trampolinspringer. Der Begriff Schotter zu Gold zu machen wird heute immer weiter entwickelt. Dabei braucht die Welt auch heute noch Unmengen des guten Schiefer. An Schicht im Schacht wie bei der Kohle ist hier noch lange nicht zu denken. Doch die Berge geben ihre Gipfel heute nicht mehr preis.

    Dann geht es eben weiter an die Küste. Warum braucht es schon Berge?
    Klimaschützer weisen ja stetig darauf hin welche Folgen ein Versiegen des Golfstromes haben kann. Die Walisen sind scheinbar einen Schritt voraus. Auf Meereshöhe haben sie ein Ski Zentrum gebaut. Besser man hat vorgesorgt. Dann müsste man nicht mehr in die Berge wenn Schnee liegt… Die Klippen rings um Llandudno sind steil genug und vielleicht liegt in der Strandpromenade tatsächlich ab und an Schnee. Um die Unter- und die Oberstadt zu verbinden gibt es sogar eine Straßenseilbahn. Von oben flaniere ich über gepflegten Golfrasen bis an die Küstenklippe. Unten tummeln sich die Leute auf der Seebrücke. Auch rundherum, der Rummel, die Puppenspielerbühne, die Hausfassaden - alles hier steht für den Inbegriff eines viktorianischen Seebades. Ohne Vorahnung stoße ich auf ein schönes Detail. Alice war hier! Das lebende Vorbild von ‚Alice im Wunderland‘ verbrachte ab 1861 regelmäßig ihre Sommerferien in dem Seebad. Wer will begibt sich hier auf eine wundersame Reise durch das Kartenhaus und findet jede Menge geschnitzte Figuren aus dem Roman am Straßenrand. Das macht neugierig auf mehr Kuriositäten.

    Auch wenn ich der Burgen und mittelalterlichen Städte langsam überdrüssig werde geht es gleich nebenan nach Cowny. Auf der Zugstrecke von London nach Holyhead bewiesen die viktorianischen Konstrukteure reichlich Eleganz und Sinn für historische Bausubstanz. Als wäre es ein Anbau vom Castle fungiert die anliegende Eisenbahnbrücke als echte Zugbrücke um den Kanal und den Yachthafen zu verbinden. Ein bisschen weiter entlang der Zugstrecke folgt der nächste Zungenbrecher. Wer steigt schon gerne in dem Ort „Die heilige Marie am Teich der weißen Hasel neben der Stromschnelle und der Kirche St Tysilio bei der roten Höhle“ aus. Na wenn dieser Name nicht ganz tief aus dem Kaninchenbau stammt weiß ich auch nicht. Heute ist der Ort Anlaufpunkt für Reisebusse aus ganz Europa. Verbirgt sich doch hinter dem Ortsnamen, kurz „Llanfair P.G.“ der wohl längste Ortsname in Europa.

    Abseits geht es auf der Insel der Druiden gemächlich zu. Bei etwas Wind und ganz ohne Regen lasse ich den Tag am Leuchtturm von Point Lynas ausklingen. Er gehört zu den nördlichsten Leuchttürmen von Wales. Zu Queen Victorias Zeiten war es üblich das Licht nicht in den Turm sondern ins Erdgeschoss zu bauen. Das Wärterhaus selbst gleicht einer Festung. Immerhin weht hier ziemlich oft eine Steife Brise. Die Zeit in Wales ist knapp bemessen und ein Highlight jagt das Nächste. Tief durch die Nacht fahre ich zurück auf das Festland. Es wird Zeit dass ich mir einen Rundblick über das Ausmaß des Kaninchenbaus verschaffe.
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