• Termales - ein geheimnisvolles Dorf

    2024年12月24日, コロンビア ⋅ ☁️ 26 °C

    Mit Blick aus dem Taxifenster hängen wir unseren Gedanken und an Cali verlorenen Herzen nach. Was für eine Stadt. Hoffentlich werden wir irgendwann wiederkommen. Trotz Zwischenstopp bei einer Werkstatt, wo der Reifen des Taxis geflickt werden musste, sind wir gut in der Zeit und essen am Flughafen zur Abwechslung mal eine Gemüsebowl. Der Körper weis vor lauter unerwarteter Vitamine und Ballaststoffe gar nicht, wie ihm geschieht und ist hellauf entzückt.
    Ein kurzes Aufatmen, denn die nächsten Tage werden wieder von frittiertem Fisch und Kochbananen geprägt sein, runtergespült mit viel Saft. Aber das weiß der Körper zu dem Zeitpunkt noch nicht und erfreut sich an der Mahlzeit. Am Gate werden wir von einer sehr netten Mitarbeiterin begrüsst, welche unsere Namen auf der Passagierinnenliste (der Einfachheit halber wird folgend das generische Feminin verwendet) von Hand abstreicht. Es sind insgesamt 19 und dementsprechend sieht das Flugzeug aus. Nach keiner Stunde Flug über den Dschungel landen wir schon in Nuquí. Es ist vormittags, jeder hat ein Bier in der Hand und die Stimmung ist ausgelassen. Wir werden freudig begrüsst und schliessen die ersten Freundschaften, trotz der Irritation darüber, dass wir jeder an einem Saft nippen und damit eine wirkliche Kuriosität in den kleinen Ort darzustellen scheinen. Wir fühlen uns als drei Milchbrötchen zwischen den Afro-Kolumbianerinnen wie in einem anderen Land (also nochmal einem anderen als das Kolumbien, das wir bisher kennengelernt hatten). Rein ins Holzboot und mit atemberaubender Geschwindigkeit geht es die Küste entlang bis nach Termales, wo wir am Strand von dem ca. fünfjährigen Ique an die Hand genommen und zu unserer Unterkunft geführt werden. Empfangen werden wir von zwei Boxentürmen, die in monströser Lautstärke die davor sitzenden und Rum trinkenden Familienmitglieder beschallen. Die folgenden Tage verbringen wir gemeinsam mit Luisa, einer Psychologiestudentin, mit der wir uns auf Anhieb super verstehen. Das Dorfleben entschleunigt. Wir sitzen in warmen Quellen, die dem Ort seinen Namen gegeben haben, wandern durch den Dschungel zu einem mystischen Wasserfall und wagen uns mit dem Surfboard in die gewaltigen Wellen (zumindest der Verfasser des Eintrages, die Eltern und beste Freundinnen der anderen dürfen beruhigt sein). Außerdem versuchen wir mit den Bewohnerinnen des Dorfes in Kontakt zu kommen, was sich allerdings irgendwie schwierig gestaltet. Zunehmend beschleicht uns ein seltsames Gefühl, wenn vor wummernden Boxen sitzend und zu jeder Tageszeit Rum trinkend verhalten zurückgegrüßt wird. Es wird wenig getanzt, für Gespräche ist die Musik bei weitem zu laut. So sitzt man im Kreis, schaut niedergeschlagen in die Gegend, trinkt Rum und hört wegen der Musik seine eigenen Gedanken und Gefühle nicht mehr. Ob darin die Funktion liegt? Jedenfalls schwebt ein Schatten über dem Dorf, den man auch in den Augen der Gastgeberin sieht. Freundlich aber trüb. Dies gilt auch für die anderen Frauen aus dem Haus und den Vater oder Onkel, der auch mal morgens um 08:00 mit einem Rumglas in der Hand wie ein gebrochener Mann an uns vorbeischleicht und den restlichen Tag vor dem Haus sitzt.
    Für uns befremdlich ist auch der Umgang mit dem kleinen Ique, dem bei vermeintlichem Fehlverhalten oft mit dem „Pedro Moreno“ gedroht wird: eine kleine Peitsche, die laut der Großmutter sinngemäß die Funktion hat, das Böse herauszuholen, so dass nur das Gute bleibt („Pedro Moreno: Quita lo malo y pone lo bueno”). Einmal erleben wir auch, wie Ique die Härte von Pedro Moreno zu spüren bekommt und sein lautes Weinen hinterlässt uns mit einem schmerzhaften Gefühl in der Magengegend.
    Nach all dem Arbeitsstress und individuellen Lebensherausforderungen, im Innen- und Außenleben, sowie vieler ereignisreicher Tage auf der bisherigen Reise durchleben auch wir in diesem dies fördernden Umfeld eine Regression. Verbindende Gespräche und Viche (der lokale Schnaps) helfen der Regression in ihrer Konstruktivität und die eine oder andere Emotion findet ihren Zugang. Am letzten Tag machen wir einen Ausflug nach Coquí und sind von dem derartig anderen Vibe, nur einige Bootfahrminuten von Termales entfernt, beeindruckt. Freudig werden wir von Maria de Los Angeles auf der Straße begrüßt, die uns mit einem Eimer mit frischen Tunfischen in der Hand und einem Lächeln auf den Lippen fragt, ob sie uns einen Kaffee anbieten und helfen kann. Daraufhin werden wir von ihr lecker bekocht (mein kulinarisches Highlight der bisherigen Reise), von ihrer Schwester mit einem medizinischen Kräuterbad übergossen und von dem Nachbar mit einem Kanu durch die Mangrovenwälder gefahren. Beim Spaziergang durchs Dorf saugen wir die Lebensfreude und Offenheit der Menschen, so wie den dazu eingeladenen Viche in uns auf und haben sehr schöne Begegnungen. Auf unsere Frage, wie die unterschiedliche Stimmung in den Dörfern zustande komme und ob in Termales etwas passiert sei, bekommen wir nur eine kryptische Zustimmung und Handgesten des Mundverschließens. Auch unsere Gastgeberin erzählt uns nur, dass es eine Überschwemmung gab, der die Kirche und ein Haus, jedoch keine Menschen zum Opfer gefallen sind, so wie zwei davon unabhängige Todesfälle im Dorf. Das Geheimnis wird ein Rätsel bleiben und die Fantasie ist rege, trotzdem fühlen wir mehr Verständnis für die Situation und reisen unter gegenseitiger Zuneigungsbekundungen mit der Familie und einem Gefühl der Zuneigung zu Termales ab.

    Conny
    もっと詳しく