United Kingdom
Llanbedr

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Travelers at this place
    • Day 4

      Kohle zum Abgreifen

      September 16, 2023 in Wales ⋅ ☁️ 17 °C

      Mit dem Rucksack unterwegs zu sein hat den riesigen Vorteil dass ich ständig draußen sein kann und dennoch mobil bin wo ich den Tag beginnen möchte. Wenn es denn mal einen Sonnenaufgang gibt dann bin ich definitiv auch zur rechten Zeit am rechten Ort. In Großbritannien ist so etwas bekanntlich seltener als ein Regenbogen.

      Heute bin ich Frühaufsteher und befinde mich mitten in den Ausläufern der Brecon Beacons. Karge Hügelketten mit etwas Heide und viel arktischer Tundra auf gerade einmal 500m Höhe. Und dem ersten Regenbogen dieser Reise. Aber zuvor blicke ich über die weiten Täler unter mir in denen noch der Morgennebel hängt und unten im Tal sicherlich den typisch grauen englischen Alltag prägt. Daraus hervor erheben sich einige Tafelberge. Als die Sonne aufgeht taucht alles in ein goldgelbes Licht. Und sogar hier am Vermessungspunkt sind die Waliser stolz auf ihren roten Drachen. Er ist das Wahrzeichen von Wales weil er über den weißen Drachen der Sachsen gesiegt hat. Ein Funken Geschichte im Spiel der Königshäuser.

      Das war dann auch das Highlight des Tages denn nun setzt Regen ein, der Erste seit fünf Tagen. Ich finde das eine Gute Quote! Aber was mach dann heute wenn doch eigentlich wandern auf der Tagesordnung stand? Zurück nach Blaenavon und ab unter Tage. In den Kohlenflözen hundert Merer unter Tage ist es zwar auch noch nass, aber nicht mehr von oben… Meeressediment und dichter Wald haben im laufe der Zeit ein dickes Kohlenflöz mit bester Kokskohle gebildet die ab 1812 angezapft wurde um den Brennstoffbedarf der Schmelzöfen in der Eisenhütte zu decken. Später war sie von besonderem Interesse da diese Kokskohle besonders Raucharm brannte. Ein Vorteil im Krieg wenn die Schiffsverbände erst viel später am Horizont erkannt wurden. 1980 machte die Mine für immer dicht bis die UNESCO daher kam und ein Besucherbergwerk entstand.
      Ich war schon viel unter Tage. Jedoch noch nie in einem Kohlebergwerk. Zu Hause wird die Kohle im Tagebau gewonnen. Erst einmal müssen wir uns völlig blank machen. Alles muss abgegeben werden was aus Metall ist. Selbst batterienetriebene Autoschlüssel, Handies und Kameras sowieso. Die Engländer übertreiben gern ein bisschen bei der Sicherheit. Hier ist es wegen dem Methan das in der Kohle natürlicherweise gespeichert ist aber wohl angebracht. Im Förderkorb geht es nach unten. Das Bergwerk ist gut ausgebaut und nicht mit den engen Erzgängen in meiner Heimat zu vergleichen. Anders als heute wurde zu Beginn des Bergbaus mit Kerzenlicht gearbeitet. Bei Kohle ist das heute gleich in doppelter Hinsicht wenig zu empfehlen. Entsprechend gab es in der Geschichte sehr viele Grubenunglücke.
      Eine Besonderheit der englischen Kohlengruben liegt in dem reichlichen Einsatz von Arbeitspferden unter Tage. Dem Grubenbesitzer waren sie mehr wert als das Leben seiner Arbeiter. In den flachen Kohlenflözen war ihr Einsatz bis zuletzt leichter als der von großen Maschinen. Mit den ersten Arbeiteraufständen im 19. Jahrhundert wurden erste Sozialleistungen eingeführt wie zum Beispiel 14 Urlaubstage im Jahr. Das galt dann automatisch auch für die Pferde und eines nach dem anderen wurde mit dem Grubenkorb nach oben geholt und durfte sich 14 Tage auf der grünen Wiese satt fressen. Ich glaube jeder kann sich vorstellen wie viele Pferde im Anschluss daran nur unter schwersten Bedingungen wieder einzufangen waren um die nächsten 50 Wochen ohne Tageslicht in der Grube zu stehen.

      Die Geschichte der Kohle ist die Geschichte Englands. Der Zusammenhalt der Kumpel, die Männerclubs, das Feierabendbier und nicht zuletzt das karge wenig imposante Leben ohne viel Besitz in den eigenen vier Waenden haben in den Kohlerevieren ihren Ursprung. Letzteres, die Unterdrückung, haben vielleicht auch schon die Könige und Burgherren zuvor perfektioniert.

      Apropos Könige: Großbrittanien hatte in den letzten siebzig Jahren Adelsherrschaft nicht nur eine Queen. Hier in Wales gab es auch einen König! Samt selbst ernanntem Königreich. Die Pässe werden noch bis heute ausgegeben, es gibt eigenes Geld und das alles auf eine Ortschaft mit 1600 Einwohnern beschränkt. Willkomen in Hay-on-Wye dem Land der Bücher! England trumpft ja eigentlich an jeder Ecke mit derart Kuriositäten auf. Natuerlich zahlen die Einwohner ihre Steuern fleißig an den Palast in London. Aus einem Werbegag der 80er Jahre wurde bis heute aber eine lebendige Bewegung. Bei einem Spaziergang durch Hay-on-Wye finde ich mehr Bücherläden als Bistros und Cafes zusammen. Meter um Meter reihen sich Bücherrücken aneinander und ziehen Heerscharen von Bücherwürmern an. Verstaubte, zerlesene, kostbare und weniger kostbare Lektüre wird sogar im Freien unter Wellblechdächern angeboten weil der Platz in den Ladenstraßen gar nicht mehr ausreicht. Es gibt alles was man auf Papier drucken kann sogar ganze Läden die nur historische Karten im Großformat anbieten. Aber auch die kleinen Spilunken wo man schnell einmal über noch nicht einsortierte Bücherstapel stolpert. Am 1. April 1977 wurde Hay-on-Wye zum >unabhängigen Königreich< erklärt, was viel eher als Aprilscherz gemeint war. 2004 erhielt der Bücherfreund und ‚König‘ Richard Booth für seine Verdienste um den wirtschaftlichen Aufstieg von Hay-on-Way als Bücherstadt tatsächlich den Adelstitel MBE (Member of the Most Excellent Order of the British Empire).
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    Llanbedr

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