United States
Harvester Square

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Travelers at this place
    • Day 62

      Xmas in St. Charles

      December 24, 2022 in the United States ⋅ ☀️ -6 °C

      Am Weihnachtstag hilft Joe in der Küche beim Kochen und ich packe die restlichen Geschenke ein. Smokey (die Katze) will helfen, setzt sich aber immer wieder aufs Geschenkpapier und frisst schließlich ein paar verpackte Geschenke an. Als ich ihn hochhebe und knuddele beißt er mich aus Protest kurz in die Wange. Also setze ich ihn vor seinem Futternapf ab (er frisst übrigens nur, wenn er dabei gestreichelt wird).

      Nachmittags kommt Kayes Familie zu Besuch. Mit fünfzehn Leuten sitzen wir am Esstisch und lauschen einem Weihnachtsgedicht. Jeder von uns hat ein Päckchen in der Hand und je nachdem ob „rechts“ oder „links“ in den Versen gelesen wird, müssen wir es an unseren rechten bzw. linken Tischnachbarn weitergeben. Als Weihnachtsessen gibt es Ente mit Mac’n’Cheese (überbackene Käsenudeln) und dazu verschiedene Casseroles (eine Art Auflauf). Es gibt Baileys und Bier und den Mezcal, den Tino und Aneira uns geschenkt haben.
      „Ich fürchte, ich bin gleich ein bisschen betrunken“, sage ich, während ich Kayes Mutter einschenke.
      „Man ist nicht betrunken solange man denkt, man wäre es“, erwidert sie und stößt mit mir an.

      Abends schauen wir beim Kaminfeuer Weihnachtsfilme. Hier in Amerika ist die Geschichte von einem Jungen namens Ralphie ein weihnachtliches Must-See. Der Junge wünscht sich von ganzem Herzen ein Spielzeuggewehr, aber alle, inklusive Santa, prophezeien ihm, dass er sich damit ein Auge ausschießen wird. Am Ende bekommt er seinen Herzenswunsch erfüllt, aber ob er sich nun wirklich das Auge ausgeschossen hat, bleibt offen.

      In den USA findet die Bescherung nicht am heiligen Abend statt, sondern erst am ersten Weihnachtstag. In Pyjamas sitzen wir unterm Baum und packen unsere Geschenke abwechselnd aus. Vic ist sauer auf Smokey, denn er hat zwei Minuten vor Bescherungsbeginn mit der Lok gespielt, die um den Weihnachtsbaum herum fährt und nun funktioniert sie nicht mehr und lässt sich auch auf die Schnelle nicht reparieren. Wir sind erstaunt, wie viele Geschenke es gibt. Das Meiste davon sind Schokolade oder Tee, zumindest kann man das über das Jahr hinweg abbauen. Auch wir wurden von Santa bedacht. Zwar hat er extra Kleinigkeiten ausgewählt, aber unsere Koffer sind kurz vorm Bersten (bzw. ist meiner ja in Costa Rica bereits geplatzt). Daher leihen Vic und Kaye uns einen kleinen Reisehandkoffer extra für die Geschenke.

      Kaye fragt ob ich ihr nicht heute in der Küche helfen möchte, das Essen für Vics Familie vorzubereiten. Jeder, der mich kennt, weiß, dass ich mich zwar ernähren kann, man meine Küchenkünste aber nicht als Genuss bezeichnen kann. Der Herd und ich stehen seit jeher auf Kriegsfuß. Kaye aber hat eine so liebevolle und motivierende Art, dass ich nicht nein sagen kann. Mit ihrer Hilfe mixe ich die Casserole zusammen und stelle fest, dass die Amerikaner nicht mit Litern und Gramm arbeiten, sondern mit genormten Tassen und Löffeln. Dieses schnellere Prinzip gefällt mir. Weil ich mich scheinbar gut mache, lädt Kaye mich ein, auch die Mac’n’Cheese zuzubereiten.
      „Na ja, Nudeln kann ich kochen“, denke ich mir und behaupte, es sei kein Problem, wenn sie in der Zwischenzeit duschen geht.
      Als die Nudeln fertig sind, ist Kaye noch nicht zurück. Die Mac’n’Cheese Soße ist mir überlassen. Nach ein paar Minuten des Ausharren fasse ich mir ein Herz und fange an, Butter zu schmelzen und mit Mehl zu verrühren. Joe traut seinen Augen nicht, als er mich zwischenzeitlich besuchen kommt. Ich fasse es selbst nicht, dass ich gerade ein Familienessen für sieben Personen zubereite. Darüber hinaus bin mir sehr sicher, dass ich die Milch anbrennen lasse. Aber ich würze nach Gutdünken mit Salz und Pfeffer und kippe alles zu den Nudeln in die Auflaufform. Und was soll ich sagen: das Weihnachtsessen mundet unseren Gästen. Ich bin so hoch motiviert, dass ich Ausschau nach amerikanischen Kochbüchern auf dem deutschen Markt halte, aber ich finde nur Kinderbücher. Vic schenkt mir trotzdem ein Set genormter Tassen und Kaye fügt einen ungenutzten Satz Löffel hinzu.

      Am zweiten Weihnachtstag stellen wir fest, dass es gar keinen offiziellen zweiten Weihnachtstag gibt. Wir fahren zu Fast Eddies in Illinois. Dort gibt es „Steak on a Stick“, gebratenes Fleisch auf einem Schaschlik-Spieß. Und jede Menge Alkohol. Kayes und Vics Freunde Maggie und Mike leisten uns Gesellschaft. Maggie kommt aus Kanada und in Kanada wird heute der Boxing Day gefeiert. Früher war das der Tag, an dem die reichen Adeligen in England ihre Bediensteten beschenkt haben. Grund genug für uns, anzustoßen.

      Nach den Weihnachtsfeiertagen neigt sich unsere Zeit bei Vic und Kaye mit rasanten Schritten dem Ende zu. Vic nimmt uns mit auf eine Tour durch St. Louis. Im 19. Jahrhundert war St. Louis als „Tor zum Westen“ Amerikas eine der bedeutendsten Städte der USA. Heute hat die Innenstadt eine der höchsten Kriminalitätsraten landesweit. Man erkennt dennoch die zerbröselnden Verzierungen an den Fassaden der Gebäude und könnte streckenweise meinen, man befindet sich auf der Düsseldorfer Kö. Die Architektur haben die vielen deutschen Einwanderer mitgebracht, erklärt Vic, der selbst in besseren Zeiten in St. Louis aufgewachsen ist. Wir fahren alle wichtigen Orte seiner Kindheit ab und gönnen uns ein Eis beim besten Eisverkäufer. Eine amerikanische Eiskugel entspricht übrigens 4-5 deutschen Eiskugeln. Kein Wunder, dass meine Klamotten am Ende voller Schokolade sind.

      Wir verbringen einen wunderbaren Nachmittag und Abend mit Joe ehemaligem High School Lehrer Bill Myers und seiner Frau Peggy. Bill hat Joe damals im Programmieren unterrichtet (er hat sozusagen den Grundstein gelegt) und ihn viele Male beim Nachsitzen betreut. Die Stunden fliegen so schnell dahin, dass es fast zehn Uhr ist, als wir am Abend nach Hause aufbrechen.

      Am letzten Tag scheint die Sonne über Missouri und Joe möchte mir unbedingt die „Gateway Arch“ zeigen. Das ist ein 192 Meter großer Torbogen, der das Tor zum Westen verbildlicht. Wie man in diesem dünn geschwungenen Bogen mit dem Fahrstuhl nach oben kommen soll, ist mir ein Rätsel. An der Kasse müssen wir verneinen, dass wir Platz- oder Höhenangst haben. Kurze Zeit später finde ich heraus, wieso: die Fahrstühle sind kleine Boxen, in die man sich mit 4-5 Mann quetscht, die einen daraufhin wie eine Gondel nach oben befördern.
      „Man kann nur im Winter hochfahren“, sagt Kaye, „Im Sommer teilt man die Gondel immer mit jemandem, der nach Schweiß riecht.“
      Oben angekommen muss ich mich am Geländer festhalten, so sehr schwankt das Gebäude. Dafür werden wir mit einem Blick über das sonnige Missouri bis hin zum Horizont belohnt.

      Abends dürfen wir dann noch Zeugen davon werden, wie Vics und Kayes Sohn Scott seiner Christie einen Heiratsantrag macht. Wir finden, die beiden passen wie Topf und Deckel und freuen uns, bei einem so wichtigen Moment im Leben dabei sein zu dürfen. Christies Sohn Gage findet es lustig, dass wir eine ganz andere Sprache sprechen als er und möchte für einen Haufen Wörter die deutsche Bezeichnung wissen. Wir übersetzen „Tannenbaum“, „Weihnachtsmann“, „Kronleuchter“ und „Kerzenständer“ und müssen über sein Gekicher hinweg zugeben, dass das tatsächlich nach einer sehr komischen Phantasiesprache klingt.

      Eine besinnliche Weihnachtszeit geht zu Ende. Sie war anders als in Deutschland und trotzdem nicht weniger festlich. Wir sind eingeladen, unser White Christmas jederzeit zu wiederholen und wir sind entschlossen, unserer amerikanischen Familie so schnell wie möglich wieder einen Besuch abzustatten.
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