• Ein stiller Tag

    Jun 15–16 in Estonia ⋅ ☁️ 17 °C

    Wir haben unser Quartier gut gewählt. Zwar gesellte sich gestern am späten Nachmittag eine Gruppe Esten in respektvoller Entfernung zu uns, doch die Nacht bleibt ruhig und ungestört. Das Fahrzeug steht ideal, das Fenster im Alkoven zeigt nach Südwesten – so weckt uns nicht wie an den vergangenen Tagen die frühe Sonne. Ein angenehmer Luxus, den man erst zu schätzen weiß, wenn man ihn erlebt hat.

    Die Geschicke des Tages verlaufen leise und unscheinbar – nichts, das einer größeren Erzählung bedürfte. Und doch liegt in dieser Ruhe eine eigene Tiefe. Wir sind nicht unterwegs. Wir lassen die Dinge geschehen. Und wir genießen genau das: das Nicht-Müssen, das Stillstehen, das Innehalten.

    Unser Platz erfüllt uns mit einer sanften Melancholie. Wären da nicht die wenigen Automobile, die hin und wieder zum Wasser hinunterrollen – nur für kurze Zeit – und wäre da nicht der asphaltierte Weg, man könnte glauben, sich um hundert Jahre zurückversetzt zu sehen. Die weite Wiese mit den drei hölzernen Scheunen, der unverbaute Blick aufs Meer – all das war damals vermutlich genauso.

    Ein Tag wie ein altes Foto: ein wenig verblichen, aber voller Wahrheit.
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