• WilhelmBN
  • Juliane Hombach
maj – juli 2025

2025 Sommerreise Baltikum

En 42-dags äventyr från WilhelmBN & Juliane Läs mer
  • Resans start
    28 maj 2025
  • Das Abenteuer beginnt...

    28–29 maj, Tyskland ⋅ ☁️ 18 °C

    Start unserer Baltikumreise

    Der erste Tag unserer Reise in die baltischen Staaten beginnt. Um dem Zielgebiet näherzukommen, fahren wir zunächst auf der Autobahn. Der Verkehr ist lebhaft, doch unser aufgerüsteter Motor und die nachgerüstete Luftfederung sorgen dafür, dass wir zügig und komfortabel vorankommen.

    Die letzten rund hundert Kilometer legen wir auf Landstraßen zurück. Die Weite der ostdeutschen Landschaft beeindruckt uns immer wieder – weit ausgedehnte Felder, sanfte Hügel, hier und da ein Dorf. Für uns, die wir aus dem engen Rheintal kommen, ist es eine Wohltat, den Blick ungehindert in die Ferne schweifen zu lassen.

    Am Nachmittag erreichen wir unser Tagesziel: die Hansestadt Seehausen in der Altmark, ein Ort, den wir von früheren Reisen bereits gut kennen.

    Ein kurzer Blick auf Seehausen

    Seehausen (Altmark) liegt im Norden Sachsen-Anhalts, unweit der Elbe. Mit etwa 4.000 Einwohnern zählt sie zu den kleineren Hansestädten, kann jedoch auf eine beachtliche Geschichte zurückblicken. Im 12. Jahrhundert erstmals erwähnt, entwickelte sich Seehausen durch seine Lage an einem Knotenpunkt alter Handelswege zu einem bedeutenden Mitglied der Hanse. Noch heute prägen gut erhaltene Fachwerkhäuser, die alte Stadtmauer und eindrucksvolle Bauwerke der Backsteingotik das Stadtbild. Besonders sehenswert ist die Marienkirche, eine große Hallenkirche aus dem 14. Jahrhundert, deren Turm das Stadtbild überragt. Auch das ehemalige Franziskanerkloster und das historische Rathaus sind Zeugen dieser bewegten Vergangenheit.

    Heute lädt Seehausen mit seiner ruhigen Lage, historischen Kulisse und der Nähe zum Biosphärenreservat Mittelelbe zu einem entspannten Zwischenstopp ein – besonders für Radreisende, Naturfreunde und kulturhistorisch Interessierte.

    Ankunft & Abendstimmung

    Unser Stellplatz liegt in einem kleinen Park mitten im Ort – offiziell als Wohnmobilstellplatz am Bleichwall geführt. Er befindet sich auf einer ebenen Wiese unter schattenspendenden Ahornbäumen. Unweit davon liegt ein kleiner Teich, in dem zurzeit zahlreiche Froschmännchen eindrucksvoll ihre Paarungsrufe erklingen lassen – ein lebendiger Klangteppich, der die ländliche Abendstimmung untermalt.

    Nach einem Kaffee und zwei Keksen in der Nachmittagssonne machen wir einen Spaziergang durch den Ort. Beim örtlichen Metzger decken wir uns mit frischem Fleischaufschnitt, einem schönen Stück Rind und etwas Wildschwein ein. Ein kräftiges, dunkles Landbrot vom Bäcker rundet die Mahlzeit ab.

    Am Abend genießen wir ein ruhiges Essen im Wohnmobil und lassen den Tag bei einem Film auf der Leinwand ausklingen. Ein gelungener Start in unsere Reise – wir sind gespannt, was die nächsten Etappen bereithalten.

    Unser Stellplatz https://park4night.com/de/place/35410
    Website der Stadt Seehausen (Altmark) www.seehausen-altmark.de
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  • Im Birkengarten

    29–30 maj, Tyskland ⋅ ☁️ 18 °C

    Heute beginnt unser Tag ungewöhnlich früh – ein Kuckuck ruft aus nächster Nähe, begleitet von einem vielstimmigen Froschkonzert. Ganz ohne Wecker ist die Entscheidung schnell gefallen: Wir stehen auf, erledigen routiniert unser morgendliches Programm und machen uns zügig auf den Weg. Die Reise geht weiter Richtung Osten.

    Der erste Teil der Strecke führt uns durch klassisches Bauernland: weite, grüne Felder, unterbrochen von einzelnen Baum- und Buschreihen. Die Straßen sind oft von alten Alleen gesäumt – Eichen, Kastanien und Linden prägen das Bild. Auffällig sind die großzügig angelegten Dörfer mit ihren alten Häusern. Jedes besitzt einen kleinen Vorgarten zur breiten Dorfstraße hin – nicht immer gepflegt, aber traditionell, einladend.

    Etwa ein Drittel der heutigen Route fahren wir über die Autobahn, die uns südöstlich an Berlin heranführt. Von dort aus lenken wir wieder nordöstlich zum gewählten Etappenziel. Eine direkte Verbindung ist nicht möglich – zwei Naturparks liegen quer zur Route und zwingen uns zur Umfahrung.

    Am Nachmittag erreichen wir Schwedt an der Oder. Die Empfangsdame am Campingplatz begrüßt uns freundlich, nennt aber einen Übernachtungspreis, der nicht ganz zu unserem Budget passt. Also ziehen wir weiter – nicht weit, aber entscheidend: Im nahen Gatow finden wir den „Birkengarten“, einen ruhig gelegenen Stellplatz direkt an einem Seitenarm der Oder. Ein angenehmer Ort, um den Tag ausklingen zu lassen.

    UnserStellplatz https://park4night.com/de/place/502812
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  • Grenzüberschreitung

    30–31 maj, Polen ⋅ ☀️ 17 °C

    Der Weg zur polnischen Grenze wirkt noch einsamer als die Landschaften, die wir in den letzten Tagen durchquert haben. Nur ein kurzer Stopp in Gartz unterbricht die Stille: Juliane plagt eine Triefnase und sie besorgt sich in der örtlichen Apotheke Chinesisches Heilpflanzenöl. Zu den Nachrichten um 09:30 Uhr im Deutschlandfunk überqueren wir die Grenze.

    Auf polnischer Seite ändert sich das Bild spürbar. Bald erreichen wir Stettin und seine nordöstlich gelegenen Vororte. Der erste Eindruck ist eher nüchtern: vieles wirkt ärmlicher, nicht besonders gepflegt, und der Zustand der Straßen lässt vermuten, dass der Ausbau hier nicht oberste Priorität hat.

    Da auf der Landstraße für unser Fahrzeug nur 70 km/h erlaubt sind und der Straßenzustand selten mehr zulässt, kommen wir nur langsam voran. Am frühen Nachmittag erreichen wir die Gegend um Köslin. Unser Ziel ist eine Landzunge bei Mielno, wo wir einen Campingplatz zwischen der Ostsee und einem Küstenbinnensee (Bodden) finden.

    Die ungewohnt frühe Tageszeit – und Julianes angeschlagener Zustand – führen dazu, dass wir einen ausgiebigen Mittagsschlaf halten. Danach fühlen wir uns deutlich erholter und unternehmen eine kleine Erkundung mit den Rädern.

    Unsere Hoffnung auf einen ruhigen, idyllischen Platz am Meer erfüllt sich jedoch nicht. Stattdessen befinden wir uns inmitten eines touristischen Hotspots: Entlang der Hauptstraße reiht sich über hunderte Meter ein Lokal an das nächste – Restaurants, Eisdielen und diverse Andenkenläden dominieren das Bild.

    Immerhin stehen wir ruhig – und morgen geht die Reise ohnehin weiter.

    Unser Stellplatz https://park4night.com/de/place/502812
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  • Auf den Spuren des Deutschordens

    31 maj–1 juni, Polen ⋅ ☀️ 21 °C

    Ein kurzer Nachtrag zum gestrigen Tag: Aus bislang ungeklärtem Grund ist mein Brillengestell gebrochen. Vermutlich handelt es sich um einen Materialfehler – einen Sturz oder eine Belastung kann ich nicht erinnern. Glücklicherweise habe ich eine Ersatzbrille dabei. Zwar entspricht sie nicht meiner aktuellen Sehstärke, doch ich kann sowohl in der Nähe als auch in der Ferne ausreichend gut sehen – also kein Grund zur Sorge.

    Am Frühstückstisch besprechen wir unsere weitere Route. Wir entscheiden uns, Danzig auszulassen. Die Stadt ist groß und sehenswert, doch wir stehen vor der Wahl: Entweder nehmen wir uns zwei volle Tage Zeit, um ihr gerecht zu werden, oder wir lassen es bleiben. Angesichts der noch vor uns liegenden Strecke wählen wir die zweite Variante und nehmen stattdessen Marienburg (Malbork) ins Visier.

    Die heutige Fahrt führt größtenteils durch weitläufige Waldgebiete. Überraschenderweise sind viele Abschnitte der Landstraße gut ausgebaut – oft sogar mit einem separat geführten Radweg in einigem Abstand zur Fahrbahn. Ein einsames Schild gibt Aufschluss: Diese Strecke wurde mit Fördermitteln der Europäischen Union realisiert. Auf den weniger ausgebauten Abschnitten fahren wir über sogenannte Panzerstraßen – mit Betonplatten belegte aber asphaltierte Wege, deren regelmäßige Fugen wir sowohl hören als auch spüren können.

    Die Architektur in den Dörfern und Kleinstädten lässt sich inzwischen recht gut einordnen. Häuser aus der Zeit vor der polnischen Landnahme befinden sich häufig in einem verfallenen, meist nicht restaurierten Zustand – ihre einstige Schönheit ist oft nur noch zu erahnen. Die Bauten aus der sozialistischen Ära wirken funktional, schmucklos und wenig einladend. Sie wurden meist auf ehemaligen Trümmergrundstücken errichtet und fügen sich kaum in den älteren Bestand ein. Dazwischen entdecken wir zunehmend Neubauten, die sich am westlichen Stil orientieren – modern, gepflegt und deutlich harmonischer im Gesamtbild.

    Kurz vor unserer Ankunft in Marienburg halten wir noch an einem Supermarkt, der zu einer polnischen Kette gehört. Das Einkaufserlebnis ist eine kleine Zeitreise: Die Waren stehen überwiegend in Kartons direkt auf dem Boden, die Anordnung wirkt chaotisch. Ich fühle mich zurückversetzt in meine Kindheit, als ich mit meiner Mutter in den ersten Discountladen unseres Viertels ging. Dennoch finden wir alles Nötige und setzen die Fahrt fort.

    Am frühen Nachmittag erreichen wir Marienburg, heute Malbork genannt. Unser Übernachtungsplatz liegt ruhig auf einer kleinen Wiese im Hinterhof eines privaten Hauses, unweit der berühmten Burg. Nach einer kurzen Kaffeepause machen wir einen ersten Spaziergang durch die Umgebung. Die Marienburg werden wir uns morgen in Ruhe von innen anschauen.

    Unser Stellplatz https://park4night.com/de/place/551389
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  • Marienburg

    1–2 juni, Polen ⋅ 🌙 11 °C

    Nach dem Frühstück finde ich endlich die Gelegenheit, in das Buch einzutauchen, das ich eigens für diese Reise mitgenommen habe. Unter dem Titel „Wenn Russland gewinnt“* entwirft der Politikwissenschaftler Prof. Carlo Masala von der Universität der Bundeswehr ein beunruhigendes Szenario: eine begrenzte militärische Aggression Russlands auf NATO-Gebiet – konkret in Narva, an der nordöstlichen Grenze Estlands. Der Stil ist fesselnd, der Inhalt hochaktuell. Bis wir das Wohnmobil am späten Vormittag verlassen, habe ich bereits die Hälfte gelesen.

    Heute steht die Besichtigung der Marienburg – oder Malbork, wie sie heute heißt – auf dem Programm. Unser Stellplatz liegt nur wenige Gehminuten entfernt, und so erreichen wir das Kassenhäuschen in weniger als einer Viertelstunde. Nach dem Kauf der Eintrittskarten erhalten wir einen Audioguide, der uns durch die Anlage führen soll. Zu unserer Überraschung entpuppt sich dieses Gerät als sehr hilfreich: An den richtigen Stellen liefert es informative und gut aufbereitete Erklärungen zu Bauwerk, Geschichte und Exponaten.

    Wir verbringen etwa zweieinhalb Stunden in der beeindruckenden Burganlage. Im Gegensatz zu den geführten Gruppen, die sich teilweise zügig durch die Räume bewegen, genießen wir das selbstständige Erkunden. So bleibt uns genug Zeit, die Details auf uns wirken zu lassen. Die Fülle an Informationen zu Architektur, mittelalterlichem Leben, Bewaffnung und Handwerk ist kaum im Ganzen zu erfassen – aber durchweg spannend und anschaulich präsentiert.

    Am frühen Nachmittag – mittlerweile hat der Besucherandrang spürbar zugenommen – beenden wir unsere Runde und sind froh, dem Trubel entkommen zu können. Zurück am Wohnmobil genießen wir das schöne Wetter, legen eine entspannte Pause ein – und ich nutze die Muße, um meine Lektüre zu Ende zu bringen.

    "Wenn Russland gewinnt" von Carlo Masala => https://amzn.to/45DDC83

    Unser Stellplatz https://park4night.com/de/place/551389
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  • Der Führer kurz vor den Attentat

    Zu Gast beim "Führer"

    4–5 juni, Polen ⋅ ☀️ 24 °C

    Aus einer Laune heraus tippe ich unser heutiges Ziel in Google Maps ein – und kann mir ein Schmunzeln nicht verkneifen. Der Suchbegriff „Führerhauptquartier“ wird prompt erkannt, die Route zuverlässig berechnet. Rund 250 Kilometer liegen vor uns – ein seltsames Gefühl, wenn man bedenkt, was für ein geschichtsträchtiger Ort da auf uns wartet.

    In Elbing machen wir einen kurzen Halt bei Lidl. Der Wasservorrat muss aufgestockt werden. Kaum im Markt, spricht uns eine freundliche Kundin auf Deutsch an. Ob sie helfen könne? Wir bedanken uns höflich, kommen dennoch ins Gespräch – zehn Jahre hat sie in Essen gelebt. Eine dieser kleinen Begegnungen unterwegs, die einfach gut tun. Die polnischen Kartoffeln im Einkaufskorb sehen übrigens aus wie ihre deutschen Verwandten – manche Dinge sind eben überall gleich.

    Unser Weg führt uns zunächst über eine autobahnähnliche Schnellstraße. Kurz kommt der Gedanke auf, ob wir vielleicht versehentlich eine Mautstrecke nutzen. Doch keine Sorge – alles im grünen Bereich. Wenig später biegen wir auf eine Landstraße ab, die uns durch eine sanfte, gepflegte Landschaft trägt. Junge Ahornbäume säumen den Straßenrand, als hätten sie eine Parade zu Ehren unserer Ankunft aufgestellt. Ein Hinweisschild bestätigt meine Ahnung: Der Ausbau wurde von der EU finanziert – ein stiller Gruß aus Brüssel.

    Nach der Durchfahrt durch Rastenberg erreichen wir am frühen Nachmittag die Wolfsschanze. Wir stellen unser Wohnmobil auf dem angrenzenden Stellplatz ab, der sogar einen Stromanschluss bietet – sehr praktisch für eine volle Batterie am nächsten Morgen. Nach einem kleinen Imbiss holen wir uns Audioguides und machen uns auf Erkundungstour.

    Etwa zwei Stunden wandern wir durch das weitläufige Gelände, vorbei an den Überresten gigantischer Bunker. Die Bauweise beeindruckt – massiv, durchdacht, geradezu überdimensioniert. Manche Bunker ähneln russischen Matroschkas: mehrere Schichten Beton, dazwischen mit Split gefüllte Zwischenräume – Schutz vor Bombenangriffen.

    Bomben konnten ihnen offenbar nichts anhaben. Die Zerstörung übernahmen schließlich die eigenen Leute: Als 1944 die Front näher rückte und das Hauptquartier nach Berlin verlegt wurde, erhielten die Pioniere der Wehrmacht den Befehl zur Sprengung. Infrastruktur, die dem Feind nützen konnte, sollte vernichtet, kompromittierendes Material unbrauchbar gemacht werden. Doch selbst schwerste Sprengladungen konnten nicht alles zum Einsturz bringen – deutsche Ingenieurskunst hat überdauert, was nicht überdauern sollte.

    Besonders eindrücklich ist die Ruine jenes Gebäudes, in dem am 20. Juli 1944 das Attentat auf Hitler durch Claus Schenk Graf von Stauffenberg verübt wurde. In einer angrenzenden Garage ist das Geschehen rekonstruiert – anschaulich und mit den nötigen Erklärungen versehen.

    Fazit: Wer ohnehin in der Region unterwegs ist, sollte sich diesen Ort anschauen. Die Wolfsschanze ist keine klassische Touristenattraktion, aber ein eindrucksvolles Relikt deutscher Geschichte. Wer sich für Militärbauwerke interessiert, kommt hier auf seine Kosten. Für politisch oder historisch Interessierte bietet der Ort solide Informationen – wenn auch wenig Neues. Und doch: Es ist etwas anderes, an den Stätten zu stehen, von denen man sonst nur liest. Geschichte zum Anfassen – und zum Nachdenken.
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  • Typische Allee
    Blick auf unseren StellplatzDer See auf der anderen Seite

    Kaunas

    5–6 juni, Litauen ⋅ 🌧 19 °C

    Das angekündigte Unwetter bleibt zwar aus, doch in der Nacht prasselt immer wieder starker Regen aufs Dach – die Stille des Waldes weicht dem Takt der Tropfen. Am Morgen gibt sich die "Standortkommandantur" unseres Stellplatzes wenig flexibel: Wer nach acht Uhr noch dort steht, muss nachbuchen. Und das wollen wir nicht. Also verlassen wir pünktlich die historische Stätte der Wolfsschanze.

    Ein paar Kilometer weiter finden wir einen Parkplatz bei einem kleinen Freilichtmuseum, das Kriegsgerät ausstellt. Dort frühstücken wir in aller Ruhe, begleitet vom Regen. Der Tag beginnt grau und feucht – und wird es auch bleiben.

    Unser Weg führt Richtung Kaunas. Dabei bewegen wir uns in respektvollem Abstand zur Grenze der russischen Exklave Kaliningrad – dem früheren Ostpreußen. Je weiter wir fahren, desto holpriger wird die Straße. Der Regen, die tiefhängenden Wolken, das matte Licht – alles zusammen legt einen melancholischen Schleier über die Landschaft. Und während die Reifen über das nasse Pflaster rumpeln, kommen mir Gedanken, die sich nicht so leicht abschütteln lassen.

    Was wäre, wenn Geschichte anders verlaufen wäre? Wenn das Regime, das wir gestern quasi „post mortem“ besucht haben, nicht mit solcher Rücksichtslosigkeit, Brutalität und Größenwahn gehandelt hätte? Dann wären vielleicht diese Wälder, diese weiten Wiesen, Äcker und Seen heute noch Teil Deutschlands. Es wären keine Millionen Menschen aus ihrer Heimat vertrieben worden, keine Toten auf der Flucht zu beklagen. Und auch die Polen, die durch Stalins Hand aus Ostpolen hierher umgesiedelt wurden, hätten ihre angestammte Heimat nicht verlassen müssen – selbst wenn sie hier teils auf bessere Infrastruktur trafen. Doch Geschichte ist nicht umkehrbar, und die Wunden, die sie schlug, sind tief. Man kann sie nur betrachten – und versuchen zu verstehen.

    Ein tiefes Schlagloch reißt mich zurück ins Hier und Jetzt. Wir durchqueren ein riesiges Waldgebiet, durchbrochen von kleinen Lichtungen. Immer wieder glitzern zwischen den Bäumen kleinere und größere Wasserflächen – stille Zeugen einer uralten, beinahe unberührten Landschaft. Die Dörfer sind spärlich gesät, fast scheint es, als wolle die Welt hier innehalten.

    Nach gut zwei Stunden erreichen wir einen kleinen Grenzübergang. Kein Schlagbaum, kein Häuschen – nur ein schlichtes Schild verrät, dass wir jetzt in Litauen sind. Ein stiller Moment europäischer Freiheit – und ein bemerkenswerter Kontrast zur jüngeren Vergangenheit.

    Kaum auf litauischem Boden, bessert sich der Straßenzustand spürbar. Links blüht der Raps in sattem Gelb, rechts wiegt sich der Roggen im Wind – ein Bild fast wie aus einem alten Heimatfilm. So fahren wir weiter, Kilometer um Kilometer, bis wir schließlich Kaunas erreichen.

    Unser heutiger Campingplatz ist – man muss es sagen – sündhaft teuer. Doch es gibt keine Alternative, wenn man stadtnah übernachten möchte. Von hier aus wollen wir morgen Kaunas erkunden. Trotz der grauen Wolken und der geschichtsschweren Gedanken freuen wir uns auf die Stadt – und auf einen neuen Tag im Baltikum.

    Unser Campingplatz: https://park4night.com/de/place/84287
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  • Pärnu

    8–9 juni, Estland ⋅ ⛅ 17 °C

    Der Abschied von unserem Übernachtungsplatz fällt leicht. Zwar war die Nacht angenehm ruhig – kein Lärm, keine Störung – doch die Umgebung hatte den Charme eines verlassenen Gewerbegebiets. Kein Ort, an dem man verweilen möchte. Also rollen wir zeitig vom Hof, Riga hinter uns lassend, und folgen der gut ausgebauten Landstraße Richtung Norden – unser Ziel: Virtsu, der Fährhafen zur Insel Saaremaa, die wir als nächstes erkunden wollen.

    Doch kaum ist der Zündschlüssel gedreht, begrüßt uns erneut die gelbe Motorkontrollleuchte – wie ein alter Bekannter, den man lieber nicht wiedersieht. Wir lassen uns nicht beirren. Die Maschine läuft rund, der Wagen zieht sauber – also halten wir Kurs.

    Eine schnelle Internetrecherche zeigt: In Pärnu, das ohnehin auf unserem Weg liegt, gibt es eine Fiat-Werkstatt. Allerdings ist heute Pfingstsonntag – und die Chancen, jemanden spontan hinter dem Werkstatttor anzutreffen, tendieren gegen Null. Also ändern wir den Plan: Statt gleich weiter zur Fähre zu fahren, beschließen wir, eine Zwischenübernachtung in Pärnu einzulegen.

    Fündig werden wir im örtlichen Yachtclub, wo sich ein Stellplatz befindet – direkt am Wasser gelegen, mit Blick auf die Masten der Boote, die sich leise im Wind wiegen. Eine fast maritime Stimmung kommt auf.

    Das angeschlossene Restaurant wirkt auf den ersten Blick gehoben – weiße Tischdecken, glänzende Gläser, und Preise, die unseren Appetit ein wenig dämpfen. Doch wir wären nicht wir, hätten wir nicht einen Plan B im Kühlschrank. So zaubern wir uns im Wohnmobil eine herrlich knusprige Pizza, die nicht nur den Geldbeutel schont, sondern auch geschmacklich überzeugt. Wer braucht schon Haute Cuisine, wenn er einen Herd und italienische Grundzutaten an Bord hat?

    So klingt der Tag gemütlich aus – das Klirren der Fallen an den Masten und das beruhigende Gefühl, trotz leuchtender Warnzeichen auf dem richtigen Weg zu sein.
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  • Werkstattbesuch

    9–10 juni, Estland ⋅ 🌧 14 °C

    Unser Wecker hat den Wettlauf mit der Zeit gegen den Regen verloren. Schon lange bevor wir unser kuscheliges Lager im Alkoven verlassen wollen, trommeln dicke Regentropfen aufs Dach des Wohnmobils. Nach einem kurzen Frühstück machen wir uns mit gemischten Gefühlen auf den Weg zur Werkstatt.

    Der Betrieb ist gut organisiert, und schon nach kurzer Wartezeit – und einigen Euro weniger in der Reisekasse – steht das Diagnoseergebnis fest. Ich lag mit meiner Vermutung eines defekten Dieselpartikelfilters nicht ganz daneben: Es sind wohl ein oder zwei Sensoren in diesem Bereich, die Probleme machen. Da kein akuter Handlungsbedarf besteht und der nächste Werkstatttermin ohnehin erst gegen Ende der Woche möglich wäre, entscheiden wir uns, die Reise fortzusetzen.

    Der kräftige Regen begleitet uns weiterhin auf unserem Weg nach Norden und wird auch in der kommenden Nacht nicht nachlassen. Über gut ausgebaute Straßen geht es Richtung Virtsu – es sind nur rund achtzig Kilometer bis zum Fähranleger zur Insel Muhu.

    Kurz nach unserer Ankunft fahren wir bereits auf die Fähre und setzen in wenigen Minuten über. Der Weg zum Freilichtmuseum in Koguva ist schnell gefunden. Auf dem Besucherparkplatz finden wir einen ruhigen, kostenlosen Platz für die Nacht. Der Regen prasselt noch immer unermüdlich auf das Wohnmobildach.
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  • Freilichtmuseum und Kuressare

    10–11 juni, Estland ⋅ ☁️ 15 °C

    Nach einer regenreichen Nacht begrüßt uns heute freundlicherweise die Sonne – fast so, als wolle sie sich für den gestrigen Dauerregen entschuldigen. Da das Museum erst um zehn Uhr öffnet, lassen wir es morgens ruhig angehen und gönnen uns ein ausgedehntes Frühstück. Auf dem Weg zum Eingang fällt uns auf, wie frisch die Luft geworden ist. Die Sonne hat sich inzwischen wieder hinter dichte, graue Wolken zurückgezogen. Es ist das perfekte Wetter für einen „Übergangsmantel“ – meine Güte, wie lange habe ich dieses altmodische, aber charmante Wort nicht mehr gehört.

    Das Freilichtmuseum erstreckt sich über ein weitläufiges Gelände mit etwa 200 Metern Durchmesser. Mehrere bäuerliche Gebäude aus vergangenen Zeiten stehen hier, wie zufällig verstreut – und doch ist alles sorgfältig arrangiert. Beim Betreten der Häuser öffnet sich ein Fenster in eine andere Zeit. Man erfährt, wie einfach, zweckmäßig – und ja, oft auch erstaunlich gemütlich – das Leben der Landbevölkerung zu Beginn des 20. Jahrhunderts war. Aber im Winter? Da möchte man hier wirklich nicht wohnen müssen. Für die kalte Jahreszeit gab es spezielle Wohnräume nahe bei den Stallungen – die Körperwärme der Tiere als natürliche Heizung.

    Beim Rundgang begegnen wir zwei Jungen, vielleicht vierzehn Jahre alt, die mit der Reinigung des Museums beschäftigt sind. Ganz ohne Aufforderung schalten sie ihren Staubsauger ab, als wir den Raum betreten – höflich, rücksichtsvoll und mit einem ehrlichen Lächeln im Gesicht. Es wirkt, als hätten sie tatsächlich Freude an ihrer Aufgabe. Eine kleine, stille Szene, die lange in Erinnerung bleibt.

    In einem der Häuser stoßen wir auf eine Ausstellung traditioneller Trachten. Welch ein Anblick muss es einst gewesen sein, wenn sich die Menschen in bunten Gewändern zu Festtagen versammelten! In unserer heutigen, multikulturellen Gesellschaft wäre es manchmal schön, wenn Kleidung wieder etwas mehr über Herkunft und Identität verraten würde. Obwohl – zugegeben – ich meine Rückschlüsse meist anhand der Größe des BMW ziehe.

    Der Tag ist noch jung, als wir das Museum verlassen und weiterfahren. Unser Ziel ist Kuressaare, rund 60 Kilometer entfernt. Der Weg führt durch weite Mischwälder, in denen sich viele Birken zwischen Kiefern und Eichen drängen. Saftige Wiesen und Weiden säumen die Straße – wäre ich ein Wiederkäuer, das hier wäre mein Paradies.

    Ohne auch nur eine Ortschaft zu durchqueren, erreichen wir schließlich Kuressaare. Zunächst spazieren wir um die imposante Bischofsburg Arensburg https://de.wikipedia.org/wiki/Kuressaare , deren Mauern fest und ehrwürdig in den Himmel ragen. Wir verzichten auf eine Innenbesichtigung, nehmen uns aber Zeit, die gepflegte Anlage und das eindrucksvolle Bauwerk von außen zu genießen.

    Dann fahren wir ein Stück weiter in die Innenstadt und finden einen Parkplatz direkt neben der historischen Mühle im Stadtzentrum. Eigentlich wollen wir im Mühlenrestaurant Veski Trahter zu Abend essen. Doch bei einem gemütlichen Bummel durch die kleine Altstadt bleiben wir im Bistro Pritsumaja Grill hängen – einem stimmungsvollen Lokal in einem Gebäude, das einst als Feuerwache diente.

    Neben den leckeren Speisen bestellen wir eine hausgemachte Beerenlimonade – fruchtig, leicht herb und überraschend erfrischend. Ein ganz neues Geschmackserlebnis, das wunderbar in diese Jahreszeit passt.

    Der Abend ist noch jung, also brechen wir auf zur Südspitze von Saaremaa. Dort, auf der Halbinsel Sõrve, steht der berühmte Leuchtturm von Sõrve – sein erster Vorgänger wurde bereits im 17. Jahrhundert errichtet. Ein würdiger Abschluss für diesen Tag: Geschichte, Natur und der weite Blick aufs Meer.
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  • Sörve Leuchtturm

    11–12 juni, Estland ⋅ 🌧 12 °C

    Unser Leuchtturmbesteigungsprojekt fällt heute buchstäblich ins Wasser. Immer wieder öffnet der Himmel seine Schleusen, und durch die regengeschwängerte Luft ist die Sicht ohnehin miserabel. Unter diesen Umständen macht es wenig Sinn, sich die 280 Stufen hinauf auf 52 Meter Höhe hinaufzuquälen – die Aussicht wäre kaum der Mühe wert.

    Stattdessen nutzen wir eine kurze Regenpause, um zumindest ein Stück des Weges bis zur äußersten Spitze der Landzunge zu spazieren. Der Leuchtturm zeigt sich kooperativ – ein kurzer Fototermin muss sein – und wir kehren rechtzeitig vor dem nächsten Schauer ans Fahrzeug zurück.

    Da keine entscheidende Wetterbesserung in Sicht ist, beschließen wir weiterzufahren. Also geht es erst einmal zurück – rund 40 Kilometer bis zum Beginn der Landzunge. Von dort aus setzen wir unsere Fahrt fort zu einem nahegelegenen Campingplatz.

    Leider ist unsere Mobilität aus einem ganz profanen Grund eingeschränkt: Die Toilettenkassette ist voll. Und da hilft keine Romantik – sie muss dringend entleert werden. Eine weitere Nacht ohne Entsorgung wäre unvernünftig, so charmant das kostenfreie Stehen auch sein mag.

    Am Nachmittag lässt der Regen schließlich nach, und wir unternehmen einen kurzen Spaziergang zum Meer. Nach einem feuchten Tag zwischen Wasser von oben und Wasser von unten tut die frische Luft gut – ein stiller Moment, in dem die Insel wieder aufatmet. Nach einer langen heissen Dusche läuten wir den Abend ein.
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  • Kaali Meteorkrater

    12–13 juni, Estland ⋅ ☁️ 14 °C

    Der Regen lässt heute nach, wird aber durch heftigen Wind mit stürmischen Böen ersetzt. Es ist ein unruhiger Tag – einer, an dem man nicht aus dem Fahrzeug aussteigen möchte. Wir haben inzwischen einen guten Überblick über die Insel gewonnen und richten unseren Kurs wieder gen Festland. Doch bevor wir Saaremaa verlassen, möchten wir noch ein letztes Highlight ansteuern: den Meteorkrater von Kaali.

    Am späten Vormittag verlassen wir den Campingplatz und machen uns auf den Weg zum Hauptkrater. Mit über 100 Metern Durchmesser und mehr als 20 Metern Tiefe ist er ein imposantes Relikt aus ferner Vorzeit. Vor rund 5000 Jahren schlug hier ein Meteorit von gewaltiger Masse ein – und hinterließ eine der wenigen Einschlagstellen Europas, die noch sichtbar sind. Ein Ort, der uns mit der Urgewalt des Kosmos konfrontiert. Und doch: Wer Spektakel erwartet, wird enttäuscht. Der Krater liegt still da, von Bäumen gesäumt, beinahe unscheinbar. Aber vielleicht ist es gerade diese Stille, die seine Geschichte umso eindrucksvoller wirken lässt.

    Wir wollen noch eine letzte Nacht auf der Insel verbringen – ein würdiger Abschied muss sein. So suchen wir uns einen Übernachtungsplatz, einsam gelegen, zwischen küstennahen Feuchtwiesen. Am Horizont schimmert das Meer, und auf den sattgrünen Wiesen in der Nähe weiden einige Pferde. Es ist ruhig, nur der Wind rauscht in den Gräsern – und für einen Moment scheint es, als würde die Insel selbst uns Lebewohl sagen.
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  • Farewell Saarema

    13–15 juni, Estland ⋅ ☀️ 17 °C

    Heute Morgen weckt uns die Sonne. Wie mit einem Schalter umgelegt, hat das Wetter von Herbst auf Sommer umgeschaltet. Die Temperatur hat sich fast verdoppelt, die Luft ist warm und klar – ein Tag wie aus dem Bilderbuch. Umso schwerer fällt uns der Abschied von Saaremaa. Wir könnten noch bleiben – aber wir wissen auch: Wir wollen nicht ewig verweilen.

    Nach dem Frühstück nehme ich Kontakt zur FIAT-Werkstatt in Tallinn auf. Unsere Motorkontrollleuchte leuchtet immer noch unbeirrt – seit Tagen. Doch in Tallinn scheint man keine Zeit für uns zu haben. Oder keine Lust. Das Gespräch hinterlässt ein eigenartiges Gefühl – abweisend, kurz angebunden, fast so, als wären wir mit unserem Problem nicht willkommen.

    Also bleibt nur die Werkstatt in Pärnu, bei der wir schon einmal waren. Glücklicherweise meldet man sich dort zeitnah zurück – wir bekommen einen Termin für den kommenden Dienstag. Ein kleiner Lichtblick.

    Der Wermutstropfen: Wir müssen wieder ein Stück zurückfahren. Also machen wir uns auf den Weg. Von Saaremaa geht es Richtung Fähre nach Virtsu. Unterwegs tanken wir noch günstig – und dann beginnt die Suche nach einem geeigneten Stellplatz für die kommenden Tage. Die Reisekasse soll geschont werden, also fahren wir einige mehr oder weniger einsame Plätze mit Blick aufs Meer ab.

    Nach einem kurzen fahrtechnischen Abenteuer in einem abgelegenen Waldstück – der Weg war... sagen wir mal: „naturnah“ – finden wir schließlich ein ruhiges Quartier. Abgeschieden, mit weitem Blick, umgeben von nichts als Wind, Wellen und Vogelstimmen. Hier wollen wir zwei Nächte bleiben.

    Pannen gehören zum Reisen wie Schlaglöcher zu Nebenstraßen – unangenehm, aber nicht ungewöhnlich. Und wie so oft entscheidet nicht das Problem selbst, sondern unser Umgang damit über die Stimmung an Bord. Das Reisen folgt selten einem Plan. Es lebt vom Umweg, von der Improvisation – und manchmal sogar von der Zwangspause. Pärnu erwartet uns also erneut.
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  • Ein stiller Tag

    15–16 juni, Estland ⋅ ☁️ 17 °C

    Wir haben unser Quartier gut gewählt. Zwar gesellte sich gestern am späten Nachmittag eine Gruppe Esten in respektvoller Entfernung zu uns, doch die Nacht bleibt ruhig und ungestört. Das Fahrzeug steht ideal, das Fenster im Alkoven zeigt nach Südwesten – so weckt uns nicht wie an den vergangenen Tagen die frühe Sonne. Ein angenehmer Luxus, den man erst zu schätzen weiß, wenn man ihn erlebt hat.

    Die Geschicke des Tages verlaufen leise und unscheinbar – nichts, das einer größeren Erzählung bedürfte. Und doch liegt in dieser Ruhe eine eigene Tiefe. Wir sind nicht unterwegs. Wir lassen die Dinge geschehen. Und wir genießen genau das: das Nicht-Müssen, das Stillstehen, das Innehalten.

    Unser Platz erfüllt uns mit einer sanften Melancholie. Wären da nicht die wenigen Automobile, die hin und wieder zum Wasser hinunterrollen – nur für kurze Zeit – und wäre da nicht der asphaltierte Weg, man könnte glauben, sich um hundert Jahre zurückversetzt zu sehen. Die weite Wiese mit den drei hölzernen Scheunen, der unverbaute Blick aufs Meer – all das war damals vermutlich genauso.

    Ein Tag wie ein altes Foto: ein wenig verblichen, aber voller Wahrheit.
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  • Auf dem Weg zur Werkstatt - Pärnu

    16–17 juni, Estland ⋅ ☁️ 20 °C

    Zugegeben wir verlassen unseren Platz mit einer kleinen Träne im Augenwinkel, aber es muss weitergehen. – die letzten Tage dort waren erholsam und von einer besonderen Stimmung geprägt. Der Termin in der Werkstatt rückt näher, also heißt es: weiterfahren. Zuvor bestimme ich mit der App Flora Incognita noch die beiden Büsche, die uns Sichtschutz geboten hatten: eine kleine Kiefer und ein Wacholderstrauch. Speziell in letzterem sitzen tagsüber die kleine Vampire, die uns abends ins Wohnmobil getrieben haben.

    Die Strecke führt zunächst über eine schmale, gekieste Nebenstraße. Dabei entdecken wir zwei Seeadler, die majestätisch über die wasserreichen Wiesen hinwegziehen – ein kurzer, eindrucksvoller Moment. Danach geht es direkt weiter auf die Landstraße in Richtung Pärnu, das wir nach gut einer Stunde erreichen.

    Unser erstes Ziel ist ein Waschsalon – im Gepäck ein stattlicher Sack Wäsche, der sich im Laufe der letzten Wochen angesammelt hat. In einem Gewerbegebiet werden wir fündig. Während die Maschinen laufen, verbringen wir die Wartezeit in einer nahegelegenen Mall.

    Dort stoßen wir auf ein großes Angel- und Outdoorgeschäft. An einer Wand hängen zahlreiche Langwaffen, in den Vitrinen davor liegen Pistolen und Revolver. Fotografieren ist nicht erlaubt. Der offene Umgang mit Waffen in Estland fällt auf – im Vergleich zu Deutschland wirkt hier vieles weniger reglementiert.

    Zum Mittag essen wir in einem kleinen Restaurant in der Mall. Die Bedienung ist auffallend freundlich – eine angenehme Überraschung. Später kommen noch ihre Freundin und deren Mann an unseren Tisch – ein estnisch-deutsches Ehepaar aus der Bodenseeregion, derzeit zu Besuch. Das Gespräch ist angenehm und führt dazu, dass wir die Zeit etwas aus den Augen verlieren. Die Wäsche ist bei unserer Rückkehr bereits fertig.

    Nach einem kurzen Einkauf bei Lidl fahren wir zum Stellplatz. Dieser liegt nahe dem Stadtzentrum, direkt am Fluss und ist überraschend ruhig – ein geeigneter Ort für die kommende Nacht, bis wir den Werkstatttermin wahrnehmen können.
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  • Um Talinn herum

    19–20 juni, Estland ⋅ ☁️ 15 °C

    Der Weg von unserem Übernachtungsquartier nach Tallinn ist nicht weit. Wir starten am späten Vormittag und erreichen nach gut einer halben Stunde Fahrt die ersten Vororte der Hauptstadt. Hier zeigt sich Estland von einer anderen Seite als bisher: gepflegte, oft großzügige Wohnhäuser mit weitläufigen Grundstücken und eine deutlich gewerbeorientierte Umgebung.

    Im näheren Speckgürtel beeindruckt uns die Größe der Industrie- und Gewerbegebiete, die sich mit Wohnbebauung abwechseln. Unser Ziel ist der Victron-Distributor – wir hoffen, dort den dringend benötigten Ladebooster zu einem fairen Preis zu finden. Leider stellt sich heraus, dass das Gerät hier fast doppelt so teuer ist wie in Deutschland. Hätte ich bloß vorher nach dem Preis gefragt. Enttäuscht verlassen wir den Laden – ohne Ergebnis.

    Für eine Stadtbesichtigung ist es inzwischen zu spät. Daher steuern wir einen etwas außerhalb gelegenen Campingplatz an. Eine Ver- und Entsorgung ist dringend nötig, ebenso ein Ladevorgang für unsere Aufbaubatterie, die nur noch etwa fünfzig Prozent Restkapazität aufweist – die kurze Fahrt am Morgen reichte für eine komplette Ladung nicht aus.

    Der Nachmittag verläuft angenehm. Wir genießen bei Sonnenschein einen Kaffee im Freien. Doch am frühen Abend schlägt das Wetter um: Es beginnt heftig zu regnen – und der Regen wird mit unverminderter Intensität die ganze Nacht über anhalten.

    Unser Stellplatz: https://park4night.com/de/place/87582
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  • Talinn

    20 juni, Estland ⋅ ☁️ 15 °C

    Heute starten wir früher als gewohnt, denn wir möchten uns Tallinn ansehen. Der starke Regen der vergangenen Nacht sorgt jedoch für eine Verzögerung: Es erfordert einige Mühe und den tatkräftigen Einsatz von Juliane, unser Fahrzeug von der aufgeweichten Wiese zurück auf den befestigten Schotterweg zu bringen. Ich selbst bin heute körperlich eingeschränkt – starke Schmerzen in der rechten Schulter machen den Arm nahezu unbrauchbar.

    Gegen Mittag erreichen wir einen Parkplatz hinter dem Bahnhof von Tallinn. Beim Einparken kommt es zu einem kleinen Missverständnis – ich fahre ein paar Zentimeter zu weit und verbiege dabei leicht das hintere Schild des Fahrradträgers. Ärgerlich, aber kein ernsthafter Schaden. Weniger erfreulich ist ein Bedienungsfehler am Parkautomaten, der uns fünf Euro mehr kostet als notwendig.

    Trotz dieser kleinen Zwischenfälle starten wir frohen Mutes in unseren Stadtrundgang. Gleich neben dem Parkplatz befindet sich die Markthalle – ein lebendiger Ort mit einer Vielzahl hochwertiger Lebensmittel: Fleisch, Gemüse, Obst, Fisch – alles ansprechend präsentiert. Da wir gut versorgt sind, beschränkt sich unser Besuch auf das Schauen und Staunen.

    Von dort führt unser Weg über den Bahnhof zur Anhöhe mit der russisch-orthodoxen Nikolaikirche. Die zahlreichen Stufen sind zwar anstrengend, doch der Ausblick und die Kirche selbst lohnen den Aufstieg. Im Anschluss schlendern wir durch die darunter liegende Altstadt.

    Mittags ist Zeit für eine Pause. Nach dem Motto meiner Großmutter – „Zwölf Uhr wird gegessen, gekocht oder nicht gekocht“ – suchen wir ein Restaurant auf. Direkt gegenüber dem historischen Rathaus finden wir einen Platz auf der Terrasse eines Irish Pub. Bei Fish & Chips, Burgern und einem Glas englischem Bier tanken wir neue Energie.

    Ein Nachbarlokal nutzt seine Tafel, um öffentlich gegen den russischen Angriffskrieg Stellung zu beziehen – ein Zeichen von Zivilcourage, das man in Deutschland nicht überall findet. Auch vor der russischen Botschaft fällt uns ein starkes Statement auf: Über die gesamte Fassade sind Plakate angebracht, die an getötete ukrainische Zivilisten und Soldaten erinnern. In diesem Umfeld zu arbeiten, dürfte für Botschaftsangehörige belastend sein.

    Der Rückweg zum Wohnmobil gestaltet sich anstrengend – wir sind vom Weg abgekommen und müssen uns bei warmem Wetter zurückkämpfen. Die Besichtigung war eindrucksvoll, doch auch anstrengend. Tallinn hat viel zu bieten, und wir haben heute nur einen Teil gesehen. Der Gedanke, eines Tages per Ostseekreuzfahrt gezielt die Städte rund um das Baltikum zu besuchen, erscheint uns durchaus reizvoll.

    Für heute jedoch haben wir genug Eindrücke gesammelt. Wir setzen unsere Reise Richtung Osten fort.
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  • Weiter gen Sonnenaufgang

    20–21 juni, Estland ⋅ ☀️ 17 °C

    Nach dem anstrengenden Besichtigungstag in Tallinn entscheiden wir uns, nur eine kurze Strecke weiterzufahren. Ziel ist es, dem urbanen Umfeld zu entkommen und einen ruhigen Übernachtungsplatz in der Natur zu finden. Die Landstraße 1 führt von Tallinn über gut 200 Kilometer bis nach Narwa – wir nehmen uns für heute nur die ersten 50 Kilometer vor.

    Die Fahrt beginnt in den Außenbezirken der Hauptstadt, die von zahlreichen mehrstöckigen Wohnblöcken geprägt sind. Das Erscheinungsbild ist wenig einladend, und man bekommt den Eindruck, dass das Leben dort eher funktional als angenehm ist. Doch schon bald ändert sich das Bild grundlegend: Die Straße führt uns in die Weite der estnischen Wälder. Der Verkehr nimmt ab, die Natur übernimmt wieder die Oberhand.

    Unser Ziel liegt in einem Waldgebiet, unweit eines kleinen Wasserfalls und einer Quelle. Der Stellplatz selbst wirkt allerdings nüchterner als die Beschreibung im Führer vermuten ließ – eher praktisch als idyllisch. Nach einer kurzen Pause brechen wir auf, um den Wasserfall und die Quelle zu finden. Zwei leere Wasserflaschen nehmen wir mit, in der Hoffnung, sie mit frischem Quellwasser zu füllen.

    Der Weg führt über eine schmale Straße. Ein kurzer Moment der Unachtsamkeit meinerseits führt dazu, dass eine sichtlich ungeduldige Autofahrerin im Kleinwagen hupend an uns vorbeifährt. Ich erschrecke – für einen Moment schlägt mein Herz schneller. Solche Situationen lassen sich auch mit mehr Gelassenheit lösen.

    Kurz darauf hält ein größerer BMW neben uns. Der Fahrer und seine Beifahrerin fragen in einfachem Englisch, ob wir nach der Quelle suchen – unsere Wasserflaschen haben sie wohl aufmerksam gemacht. Der Fahrer setzt ein paar Meter zurück, steigt aus und zeigt uns freundlich den richtigen Weg - ene kleine Geste der Gastfreundschaft.

    Die Quelle ist nicht weit entfernt. Das Wasser tritt aus einem schlichten Kunststoffrohr aus – funktional, aber wenig romantisch. Es ist klar, riecht und schmeckt neutral , also füllen wir unsere Flaschen. Auf dem Rückweg machen wir noch einen kurzen Abstecher zum Wasserfall – oder besser gesagt, zum Wasserfällchen. Die Natur zeigt sich hier eher zurückhaltend.
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  • Blick auf Russland

    21 juni, Estland ⋅ ☁️ 16 °C

    In der Nacht haben sich noch zwei weitere deutsche Wohnmobile zu unserem Stellplatz am kleinen Wasserfall gesellt. Ohne sie zu stören, brechen wir am Morgen auf in Richtung Narwa. Über die stete Begleitung durch Wälder und Einsamkeit muss man kaum noch Worte verlieren – sie prägt unsere Reise durch Estland zunehmend und wird es vermutlich auch weiterhin tun.

    Die Fahrt entlang der Landstraße 1 verläuft ereignislos. Kein Elch kreuzt den Weg, kein Bär späht zwischen den Stämmen hindurch, kein Wolf streift am Waldrand – nur die zahlreichen Geschwindigkeitsmessanlagen blicken streng auf jeden, der es eilig hat. Ich halte mich an die Regeln, so gut es geht. Ob mir das gelingt, wird sich zeigen – vielleicht durch einen Brief, der uns eines Tages daheim erwartet.

    Narwa empfängt uns mit einer breiten, mehrspurigen Straße, gesäumt von Tankstellen, Supermärkten und anderen Einrichtungen des modernen Konsums. Unser Ziel ist der östlichste Punkt Estlands: die Grenzlinie zu Russland. Nach einer kleinen Irrfahrt durch einen Kreisverkehr finden wir schließlich den direkten Weg zur Grenzbrücke.

    Dort endet die Straße abrupt an einem hohen Metallgitter – der Durchgang ist nur noch für Fußgänger mit gültigem Visum und anschließendem Busanschluss nach Sankt Petersburg möglich. Für uns ist hier Schluss. Wir wenden, werfen noch einen Blick auf die imposante Hermannsfeste auf estnischer Seite sowie die Festung Iwangorod auf der russischen Uferseite der Narwa, und verlassen diesen wenig einladenden Ort wieder.

    Ein kurzer Stopp bei Lidl sorgt für frische Vorräte, dann lassen wir die Stadt hinter uns – dem nächsten Ziel entgegen.
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  • Übernachtung am Grenzfluss

    21–22 juni, Estland ⋅ ☁️ 16 °C

    Die Weiterfahrt von Narva führt uns zunächst rund 40 km von Narwa auf der gut ausgebauten Landesstraße 1 zurück Richtung Westen. Südlich dieser Trasse erstreckt sich das ausgedehnte Naturschutzgebiet Alutaguse, durch das keine öffentlichen Straßen führen. Die Region ist nahezu unbesiedelt und geprägt von dichten Wäldern und Moorlandschaften.

    In der kleinen Hafenstadt Sillamäe legen wir eine Kaffeepause ein. Der Stellplatz direkt an der Uferpromenade bietet freien Blick auf den Finnischen Meerbusen, der an diesem Vormittag ruhig und spiegelglatt daliegt. Die Stadt selbst wirkt aufgeräumt, viele Gebäude stammen noch aus der Sowjetzeit, wurden jedoch saniert oder ergänzt.

    Nach kurzer Rast setzen wir unsere Fahrt fort. Bei Jõhvi verlassen wir die Landesstraße 1 und wenden uns auf kleineren Landstraßen nach Süden in Richtung Peipussee. Ziel ist Vasknarva, ein abgelegenes Dorf direkt an der Mündung des Grenzflusses Narva, der hier dem Peipussee entspringt.

    Unser Stellplatz für die Nacht befindet sich auf einem Stellplatz in unmittelbarer Nähe des orthodoxen Kuremäe-Klosters (estnisch: Pühtitsa Jumalaema Uinumise Stavropigialkloster), das mit seinen weißen Mauern und Zwiebeltürmen weithin sichtbar ist. Das Kloster wurde Ende des 19. Jahrhunderts gegründet und ist bis heute ein aktives Frauenkloster der russisch-orthodoxen Kirche.

    Aus dem Seitenfenster unseres Wohnmobils ist auf der gegenüberliegenden Uferseite der Narva ein russischer Grenzposten zu erkennen. Die russische Trikolore weht gut sichtbar auf dem Gelände. Auf estnischer Seite befindet sich das Pendant: Ein moderner Grenzposten mit rotierender Radarantenne und mehreren Funkmasten. Die Nähe zur international stark gesicherten Grenze ist hier deutlich spürbar, auch wenn sie durch den breiten Fluss getrennt ist.

    Am Abend bereitet Juliane ein warmes Abendessen zu. Unsere Bordküche ist umfangreich ausgestattet: Neben Gas- und Induktionskochfeldern stehen auch ein Heißluftherd und eine Mikrowelle zur Verfügung. Dank der geräumigen Kühl-Gefrierkombination lässt sich jederzeit eine vollwertige Mahlzeit zubereiten – heute ein einfaches, aber wohlschmeckendes Gericht, das den Tag abrundet.
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  • Das verlassene Museumsdorf

    22–23 juni, Lettland ⋅ ☁️ 15 °C

    Am Vortag kam es erneut zu Problemen mit dem Parkautomaten – ähnlich wie bereits in Tallinn. Dieses Mal entschieden wir uns bewusst dafür, lediglich einen reduzierten Betrag zu zahlen. Um möglichen Konsequenzen durch eine morgendliche Kontrolle zuvorzukommen, setzen wir unsere Fahrt noch vor dem Frühstück fort.

    Die ersten Kilometer nach der Abfahrt bieten jedoch keine geeignete Möglichkeit zum Anhalten. Die Landstraße ist schmal und wird beidseitig von tiefen, gut gefüllten Entwässerungsgräben gesäumt. Parkbuchten oder befahrbare Waldzufahrten fehlen gänzlich. Nach einigen Kilometern entschließen wir uns, das Frühstück an einer Bushaltestelle einzunehmen – ruhig und ungestört.

    Wir verspüren verstärkt den Wunsch, die Heimreise anzutreten. Die Strecke führt lange Zeit parallel zum Peipussee, dem größten Binnengewässer Europas. Direkten Zugang zum Ufer gibt es nur selten. Zahlreiche private Grundstücke mit zum Teil großzügigen Holzhäusern behindern sowohl die Sicht als auch den Zugang. Bei niedrigen Temperaturen kommt ein Bad ohnehin nicht infrage.
    Wir fahren weiter, passieren die zweitgrößte Stadt Estlands ohne Halt und nähern uns anschließend der lettischen Grenze. Ein ehemaliger Schlagbaum oder gar ein altes Grenzerhäuschen gibt es nicht. Stattdessen erwartet uns ein rund zehn Kilometer langes sandiges Straßenstück beidseitig der Grenze. Die "Wellblechpiste" ist speziell im Wohnmobil äußerst unangenehm.

    Auch die lettische Stadt Alūksne (Marienburg) lassen wir unbeachtet hinter uns. Der heutige Stellplatz befindet sich auf dem Gelände des Museumsdorfs Vidzemes Lauku Sēta. Wir erreichen ihn über eine gleich schlechte Zufahrt, wie zuvor an der Grenze erlebt.

    Während der Fahrt begegnen uns zweimal junge Füchse, die die Straße queren. Dank angepasster Geschwindigkeit gelingt es, rechtzeitig zu bremsen, sodass wir die Tiere jeweils kurz beobachten können. Kurz vor Ankunft kreuzen zwei Rehe die Straße – auch hier entsteht keine Gefahrensituation, weder für uns noch für das Wild.

    Am Ende des Tages machen sich gemischte Gefühle bemerkbar: die Wehmut über das baldige Ende der Reise steht der Vorfreude auf die Rückkehr in die Heimat gegenüber. Diese Stimmung dürfte uns noch einige Tage begleiten – denn der Heimweg ist noch weit.
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  • Husch die Katz in Litauen

    23–24 juni, Litauen ⋅ ☁️ 19 °C

    Nicht nur das Wetter ist freundlich, auch unsere österreichischen Nachbarn sind einem netten Plausch nicht abgeneigt. Sie standen während der letzten Tage bereits mehrmals in unserer Nähe. Wir tauschen uns vor unserer Weiterfahrt über Gott und die Welt aus; die Männer über Technik und Politik, während die Frauen allgemeine Themen besprechen - so soll es sein.

    Der weitere Weg hält eine Überraschung für uns bereit - zwanzig Kilometer Sandpiste. So schleichen wir uns mit Postkutschengeschwindigkeit von einem Schlagloch zum anderen. Es rumpelt und scheppert im Fahrzeug. Immerhin haben wir ausgiebig Gelegenheit, die Kuhherden rechts und links der Straße zu beobachten. Eine Kommunikation durch lautes Muhen meinerseits lehnen sie leider ab - lettische Rinder eben. Als wir nach einer gefühlt endlosen Zeit wieder auf ruhigem Aspalt fahren, plätschert es im Wagenheck. Durch die Erschütterungen hat sich der Wasserhahn an der Spüle geöffnet.

    Die Stadt Gulbene bietet eine ungewöhnliche Straßenführung: Die Hauptstraße verläuft direkt durch einen großen, nicht umzäunten Friedhof. Die Fahrbahn führt in geringer Distanz an den gepflegten, reich geschmückten Gräbern vorbei. Wir tanken und genießen ein leckeres Mittagessen in einem kleinen feinen Bistro, das an die Partyräume vergangener Zeiten erinnert.

    Am Nachmittag erreichen wir Daugavpils, die zweitgrößte Stadt Lettlands. In einem kleinen Park finden wir direkt neben einem Parkplatz eine öffentliche Wassersäule. Dort ergänzen wir das beim morgendlichen Missgeschick verlorene Trinkwasser. Ein Schlauch lässt sich zwar nicht anschließen, aber mehrmaliges Befüllen mit der Gießkanne füllt den Tank und stählt den Körper.

    Der angefahrene Stellplatz am örtlichen See erweist sich als ungeeignet. Bereits bei der Ankunft sind laute Bässe zu hören, offenbar im Zusammenhang mit dem aktuellen Feiertag. Zahlreiche Besucher halten sich in Ufernähe auf. Wir entscheiden uns, zu einem ruhigeren Stellplatz an einem anderen See weiterzufahren.

    Unvermittelt und unerwartet überqueren wir die Grenze nach Litauen. Wir haben sie eigentlich erst später erwartet. Nach dem Grenzort sehen wir abseits der Strasse ein Kranichpärchen beim Balzen und einen Storch, der ihnen zuschaut. Auch in Litauen gibt es Natur pur.

    Unser Quartier befindet sich auf einem kleinen Parkplatz direkt am Wasser. Am Abend sind keine weiteren Besucher mehr vor Ort, sodass wir auf eine ruhige Nacht hoffen. Eine über Mobilfunk verbreitete Sturmwarnung nehmen wir zur Kenntnis, lassen uns davon jedoch nicht beunruhigen.
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  • Abenteuer Straße

    24–25 juni, Litauen ⋅ 🌬 17 °C

    Am Morgen werden wir durch das Rauschen des Sturms in den Wipfeln der Bäume geweckt. Der Blick auf den See zeigt weiße Schaumkronen – es weht offenbar ein kräftiger Wind. Wir stehen jedoch in einer geschützten Ecke hinter hohen Bäumen und bekommen von den Wetterkapriolen kaum etwas mit.

    Auf der Weiterfahrt wird der Wind dann deutlicher spürbar. Das Wohnmobil wird immer wieder von Böen erfasst, doch dank der Luftfederung bleibt das Fahrgefühl insgesamt angenehm gedämpft. Bald fällt uns auf, dass die Landstraße über viele Kilometer hinweg von einem durchgehenden Wildschutzzaun flankiert wird – in dieser Länge haben wir das noch nie gesehen.

    Nach einiger Zeit beginnt unser ganz persönliches Abenteuer Straße. Ohne Vorankündigung befinden wir uns inmitten einer großen Baustelle. Der Verkehr wird abschnittsweise über Ampeln geregelt – mal dürfen wir, mal der Gegenverkehr. Die Strecke führt uns durch sämtliche Phasen des Straßenbaus: alte, aufgebrochene Betonplatten wie von früheren DDR-Autobahnen, grobe Schotterwege, Matsch- und Lehmabschnitte, bei denen wir tief hinunter und ebenso steil wieder hinauf müssen, weil Brücken noch fehlen. Das Ganze zieht sich über viele Kilometer – eine wahre Geduldsprobe.

    Schließlich entdecken wir eine Ausfahrt zu einer kleinen Nebenstraße und wittern die Chance auf ruhigere Fahrbahn. Leider erwartet uns hier der nächste Nervenkitzel: Die ohnehin enge Straße ist auf beiden Seiten ausgebrochen – nur ein schmaler Streifen bleibt. Und genau hier quält sich jetzt auch der übrige Verkehr entlang, viele mit deutlichem Zeitdruck. Immer wieder werden wir überholt, teils rücksichtslos.

    „Ich habe Angst, dass wir durch einen Überholer in einen Unfall verwickelt werden“, sage ich zu Juliane – und kaum ausgesprochen, sehe ich genau das im Rückspiegel: Zwei Fahrzeuge überholen sich gegenseitig, keiner achtet auf den anderen. Nur ein beherztes Ausweichmanöver verhindert das Schlimmste. Kurz darauf schert einer der Wagen direkt vor uns ein. Ich bin bedient. Wir halten an und machen Kaffeepause. Danach übernimmt Juliane das Steuer.

    Da das Wetter weiterhin ungemütlich ist, lassen wir Vilnius sprichwörtlich links liegen. Von der Straße aus sehen wir nur moderne Hochhäuser – die sicher sehenswerte Altstadt bleibt hinter dieser Silhouette verborgen. Schade, aber wir verspüren keinen Drang mehr nach Stadt.

    Am Nachmittag finden wir unser Nachtquartier an einem kleinen See. Der Platz ist ruhig gelegen, mit einem kleinen Sandstrand – eigentlich ein Ort zum Verweilen, Schwimmen, Seele baumeln lassen. Doch bei zwölf Grad Lufttemperatur und gelegentlichen Regenschauern vergeht uns die Lust auf Aktivitäten draußen. Stattdessen richten wir uns gemütlich im Wohnmobil ein – und sind dankbar für einen ruhigen Abend.
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  • Kontrolle an der Grenze

    25–26 juni, Polen ⋅ 🌬 19 °C

    Wir streben der Heimat entgegen. Das kühle, nasse Wetter macht uns den Abschied vom Osten leichter – es treibt uns förmlich nach Westen. Heute hoffen wir auf bessere Straßenverhältnisse als gestern. Und tatsächlich: Die Strecke bleibt lange Zeit ruhig und gut befahrbar. Doch kurz vor der polnischen Grenze ist es mit dem Komfort vorbei – wir geraten erneut auf die fast schon obligatorische Rappelpiste, die Litauen scheinbar zur Tradition erhoben hat, um sich von seinen Nachbarn abzutrennen. Diesmal erwischt es uns besonders heftig. Selbst mit Schrittgeschwindigkeit lässt sich das Poltern und Durcheinander im Fahrzeug nicht vermeiden.

    Kaum haben wir das Grenzschild zu Polen passiert, bewegen wir uns wieder auf feinem Asphalt – eine Wohltat für Mensch und Maschine. Doch die Entspannung währt nur kurz: Direkt nach dem ersten kleinen Anwesen taucht unvermittelt ein mobiler Kontrollposten der polnischen Grenzpolizei auf. Eine derart gründliche Kontrolle haben wir seit einem halben Jahrhundert nicht mehr erlebt. Führerschein, Ausweise und ein prüfender Blick in den Innenraum stehen auf dem Programm. Immerhin bleiben die Beamten freundlich und korrekt – wir fühlen uns nicht schikaniert, nur überrascht.

    Die Weiterfahrt verläuft anschließend reibungslos. Doch die schmalen, von alten Bäumen gesäumten Alleen fordern höchste Konzentration. Wenn uns ein LKW entgegenkommt, bleibt oft nur die Schrittgeschwindigkeit – die Straße stammt sichtbar noch aus der Zeit von Postkutschen und Pferdefuhrwerken. Mancherorts bröckelt der Asphalt so weit ab, dass das ursprüngliche Kopfsteinpflaster des späten 19. Jahrhunderts wieder zum Vorschein kommt. Man fährt wie auf einem historischen Denkmal – und fühlt sich manchmal auch so.

    Am Nachmittag finden wir einen kleinen Campingplatz an einem der zahllosen Seen dieser Region. Wir sind die einzigen Gäste – und ein wenig überrascht, als der Platzwart uns hinter einem hohen Zaun einschließt. Immerhin hoffen wir, dass wir am Morgen auch wieder hinaus dürfen. Wir nehmen es mit Humor.

    Bei einem Abendspaziergang rund um den Platz erleben wir ein Naturphänomen: Tausende kleiner Frösche queren das Gelände in Richtung See. Sie kommen offenbar aus den umliegenden Feldern – ein wahrer Froschzug. Man muss seine Schritte mit Bedacht setzen, um keines der winzigen Tiere zu verletzen. Es ist, als würde sich die Natur auf leisen Sohlen zur Ruhe begeben – und wir tun es ihr gleich.
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